Urs Krebs aus Biglen hat eine gute Methode
Am Sonntag ist es wieder soweit und die Uhren müssen auf Winterzeit umgestellt werden. Wir wollten wissen, wie sich die Zeitumstellung eigentlich auf Milchbauern und ihre Kühe auswirkt. Urs Krebs aus Biglen erzählt, wie er die verschobene Stunde jeweils in den Griff bekommt.
Wenn am Sonntag die Uhren wieder auf Winterzeit umschalten – auf unsere eigentliche «Normalzeit» – freut sich Urs Krebs: Dann kann der Milchbauer aus Biglen sich noch einmal genüsslich im Bett umdrehen, bevor er aufsteht und im Stall seine 26 Kühe melken geht. So einfach geht das? Wir haben bei ihm nachgefragt.
BERN-OST: Herr Krebs, trifft man Sie diesen Sonntag eine Stunde später im Stall an?
Urs Krebs: Nein, gleich eine ganze Stunde später melken wäre für die Kühe unangenehm. Sie haben ihre innere Uhr und warten am Morgen jeweils schon. Ich halte mich an das Motto «zum Wohl des Tieres», denn letztlich gilt ja, «geht’s dem Vieh gut, geht’s auch den Bauern gut», und da würde es nicht passen, die Kühe einfach eine Stunde warten zu lassen.
Müssen Sie also schon Tage zuvor mit der Zeitumstellung beginnen?
Nein, ich arbeite schon seit Jahren mit einer praktischen und ganz einfachen Methode: Ich verteile die Zeitumstellung auf drei Zwanzig-Minuten-Portionen.
Wie genau funktioniert diese?
Für mich fängt die Umstellung bereits am Samstagabend an, wenn ich zwanzig Minuten später melken gehe als während der Sommerzeit. So lange können die Kühe gut warten. Am Sonntagmorgen stehe ich dann bereits 20 Minuten vor der «Winter-Melkzeit» wieder im Stall – schlafe also nur 40 Minuten länger statt einer ganzen Stunde. Abends stehe ich dann wieder zur üblichen Melkzeit im Stall – und habe damit die Zeit innert anderthalb Tagen wieder angepasst. Ab Sonntagabend kann ich bereits wieder meinen Normalbetrieb aufnehmen.
Und im Frühling, wenn die Uhren für die Sommerzeit eine Stunde vorgestellt werden, machen Sie das Ganze rückwärts?
Nein, im Frühling ist das gar nicht nötig: Dann stehe ich einfach einmal eine Stunde früher auf, melke die Kühe eine Stunde früher – und erhalte halt an diesem Tag um die fünf Prozent weniger Milch. Aber damit ist schon wieder alles erledigt.
Welche Umstellung fällt Ihnen denn leichter, die im Frühling oder die im Herbst?
Ich bin kein begeisterter Frühaufsteher, für mich persönlich ist es daher im Herbst schön, ein wenig liegenzubleiben und mich noch einmal umzudrehen. Im Frühling hingegen benötige ich immer vier, fünf Tage, bis ich wieder in den neuen Rhythmus komme. Das wird dieses Wochenende viel einfacher für mich.
So ganz ohne ist die Zeitumstellung also auch für Bauern nicht – wäre es für Sie einfacher, wenn man sie ganz abschaffen würde, oder hat sie auch Vorteile?
Oh, für mich wäre es Riesenvorteil, überhaupt keine Zeitumstellung mehr durchmachen zu müssen! Auch beim Heuen muss ich wegen der Sommerzeit gut planen, wie ich den Höchststand der Sonne am besten ausnützen kann, weil ich ja gemessen am Sonnenstand abends früher in den Stall muss. Letztlich heben sich dort wohl Vor- und Nachteile auf. Aber wenn es keine Zeitumstellung mehr gäbe, wäre ich sofort dabei!
Das Problem dabei ist ja unter anderem, dass noch nicht ganz klar ist, ob man dann dauerhaft Sommerzeit oder dauerhaft Winterzeit einführen soll. Was fänden Sie besser?
Mein Ziel wäre klar – ganz einfach eine halbe Stunde mittendrin, also halb Sommerzeit, halb Winterzeit. Dann hätten wir das ganze Jahr hindurch die Vor- und Nachteile von beiden Zeiten halbiert!
Eine Frage nimmt mich noch wunder: Kräht denn jetzt Ihr Hahn den ganzen Winter durch zur falschen Zeit?
Das ist eine lustige Frage – und ganz ehrlich: Ich kann sie nicht beantworten. Wir haben einen Hahn, aber ich höre ihn nur selten krähen. Ich gehe jedoch davon aus, dass er auch eine innere Uhr hat und sicher auch auf Helligkeit reagiert. Aber es ist ihm wohl völlig egal, ob die Menschen an den Uhren drehen. Ebenso wie den Kühen: Ihnen ist wohl die Hauptsache, sie bekommen ihr Essen und werden gemolken.
[i] Warum stellen wir überhaupt auf Sommerzeit um? Gemäss Wikipedia wurde die Sommerzeit in Deutschland erstmals im ersten Weltkrieg eingeführt, und dann noch einmal im zweiten Weltkrieg. Der Grund: Das «Bedürfnis, Brenn- und Beleuchtungsstoffe durch möglichste Ausnutzung des Sonnenlichts zu sparen» sei wichtiger als sonst. Die Sommerzeit sollte helfen, Energie und Ressourcen zu schonen, wenn es morgens länger dunkel und dafür am Abend länger hell ist.
Die Umstellung, bekannt unter dem Motto «Daylight Saving Time», galt jedoch als Krisenmassnahme, nicht als Dauerlösung, nach den Kriegen hörte man wieder damit auf. Die Erdölkrise 1973 brachte jedoch die Idee einer «Energiegewinnungszeit» erneut auf, und bis Ende der Siebziger Jahre hatten bereits einige europäische Länder wieder eine Sommerzeit eingeführt. 1980 folgte Deutschland, 1981 widerwillig und als letztes Land auch die Schweiz. Seither springen auch bei uns um zwei Uhr nachts die Uhren eine Stunde vor und umgekehrt.
Allerdings fehlen bis heute die Beweise für einen wirtschaftlichen Effekt, stattdessen sind bereits Zweifel aufgekommen, ob die Zeitumstellung sich auf die körperliche und psychische Gesundheit negativ auswirken könnte. Deshalb herrscht in vielen Ländern Einigkeit: Eigentlich könnte man die Zeitumstellung wieder abschaffen.
Das ist allerdings gar nicht so einfach, wie ein Blog-Beitrag im Wissenschaftsmagazin Spektrum zeigt: In einer Online-Umfrage von 2018 plädierten zwar 80 Prozent der 4,6 Millionen teilnehmenden EU-Bürger:innen gegen die Umstellung der Uhren. Und im März 2019 beschloss deshalb das Parlament der Europäischen Union, die Zeitumstellung 2021 abzuschaffen.
Nur: Es hapert in der Umsetzung: Wann soll der Schritt zur «Fixzeit» gemacht und die Uhrzeit einfach beibehalten werden – im Herbst oder im Frühling? Und vor allem: Welche Zeit soll künftig gelten, Sommerzeit oder Winterzeit, die eigentliche «Normalzeit», die Mitteleuropäische Zeit MEZ? Passiert ist deshalb bis heute nichts.