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Linden - Lindener müssen nochmals abstimmen

Quelle
Thuner Tagblatt

Das knappe Ja der Lindener zu einer eigenen Sekundarschule im Dorf hat ein juristisches Nachspiel: Der Regierungsstatthalter hiess eine Beschwerde gegen den Gemeindeversammlungsbeschluss gut.

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Die Schule im Dorfzentrum von Linden. Ein Beschluss zum Thema Schule an der Gemeindeversammlung vom Juni schlägt in der Gemeinde nach wie vor hohe Wellen. (Bild: Patric Spahni)
Soll die Gemeinde den Schulzusammenarbeitsvertrag mit Oberdiessbach künden und im Dorf wieder eine eigene Sekundarschule einführen? Das emotionale Thema mobilisierte im letzten Frühling in Linden die Massen. An einer Info-Veranstaltung des Gemeinderats Anfang Mai reichten die Sitzgelegenheiten vorerst nicht für alle Besucher aus. Die Diskussion wurde kontrovers geführt.

Auch das Interesse an der Gemeindeversammlung vom 1. Juni war überdurchschnittlich: 210 Bürger – oder anders gesagt: 21,7 Prozent der Stimmberechtigten – nahmen daran teil. Am Ende siegten die Befürworter des Alleingangs in einer geheimen Abstimmung hauchdünn mit 107 zu 102. Der Weg für die Einführung der eigenen Sekundarschule per August 2018 schien frei.

Ende Juni reichten jedoch insgesamt 99 Personen eine Beschwerde gegen den Gemeindeversammlungsbeschluss ein. Das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, welches für Linden zuständig ist, hat jetzt einen Entscheid gefällt: Es heisst die Beschwerde gut und hebt dementsprechend den GV-Beschluss auf.

Frist wurde nicht abgewartet

Die Beschwerdeführer rügten eine ganze Reihe von angeblichen Verfehlungen. So hätten Gemeinderatsmitglieder während des Abstimmungskampfs – insbesondere am erwähnten Info-Anlass – auf unzulässige Weise die freie Meinungsbildung beeinflusst. Weiter habe der Ressortleiter Bildung, Gemeinderat Christian Blum, an der GV eine falsche Auskunft erteilt. Ausserdem habe die Gemeinde den Vertrag mit Oberdiessbach zu früh aufgekündigt.

Gerade der letzte Punkt ist einigermassen pikant: Der Lindener Gemeinderat wartete nicht, bis der GV-Entscheid rechtskräftig wurde. Bereits fünf Tage nach der Versammlung schrieb er dem Gemeinderat von Oberdiessbach und kündigte den Zusammenarbeitsvertrag. Regierungsstatthalter Christoph Lerch weist in seinem Entscheid indes darauf hin, dass die Beschwerdeführer nicht Vertragspartei seien. Insofern könne er nicht auf diesen Punkt eintreten. Die verfrühte Kündigung müsste allenfalls in einem separaten Klageverfahren behandelt werden.

Auch auf den Vorwurf, die Behörden hätten im Abstimmungskampf unzulässig Einfluss auf die Bevölkerung ausgeübt, trat Lerch nicht ein. Es wurde unter anderem moniert, dass vor der GV das Gerücht kursierte, wonach bei einer Ablehnung der Kündigung «eventuell die gesamte Oberstufe nach Oberdiessbach abgegeben werden müsste». Das Gerücht sei aufgrund von vagen Äusserungen des Schulleiters am Info-Anlass in die Welt gesetzt worden. Der Regierungsstatthalter hält fest, dass der Rüge eine «konkretisierte Begründung» fehle und lediglich auf Mutmassungen basiere.

Blum hat falsch informiert

Der entscheidende Beschwerdepunkt, den der Regierungsstatthalter hingegen gutheisst, ist jener der Falschinformation durch Bildungsvorsteher Blum. Er beantwortete an der GV die Frage einer Bürgerin und jetzigen Beschwerdeführerin, ob bei einer Vertragskündigung Lindener Sekundarschüler aus bestehenden Oberdiessbacher Klassen gerissen würden.

Blum gab dabei zu Protokoll, dass mit Oberdiessbach Gespräche geführt worden seien und vereinbart wurde, dass der Übergang fliessend verliefe. Dies bedeute, dass jeder Schüler seine Schulzeit in dem Modell beende, das er begonnen habe.

Wie nun Nachforschungen des Regierungsstatthalteramts ergeben haben, war die Übergangszeit zum Zeitpunkt der GV alles andere als klar. Christoph Lerch hält zwar fest, dass es zwischen Linden und Oberdiessbach «einen informellen Kontakt gegeben haben muss», die Modalitäten einer Rückübernahme der Sekundarstufe nach Linden seien jedoch bis heute ungeregelt.

Eine Irreführung der Stimmberechtigten könne «aufgrund dieser Erkenntnis somit nicht ausgeschlossen werden», heisst es im schriftlichen Entscheid. Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, dass an der GV Stimmberechtigte, die die Kündigung bejahten, «sich anders entschieden hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ein fliessender Übergang nicht verbindlich geregelt war». Lerch bezeichnet die «festgestellte Irregularität» als «erheblich».

Abstimmung wird wiederholt

Lindens Gemeindepräsident Thomas Baumann zeigte sich auf Anfrage «nicht überrascht» vom Entscheid des Regierungsstatthalters. «Wir wussten, dass es so rauskommen kann», sagte Baumann. Anfechten werde der Gemeinderat den Entscheid Lerchs nicht. Im Gegenteil: «Es ist unser Ziel, das Geschäft voraussichtlich an der Gemeindeversammlung im Juni 2017 erneut zur Abstimmung bringen», so Baumann.

[i] Siehe auch:

- „Linden – Wo die Schüler künftig in die Sek gehen, muss nochmals beschlossen werden“ vom 07.10.2016
"Linden - Hauchdünnes Ja zum Schul-Alleingang" vom 3.6.2016
- "Eigene Sek für Linden: Oberdiessbach ist nicht erfreut" vom 10.5.2016
"Linden - Kontroverse Diskussion zur Schulzukunft" vom 4.5.2016


Autor:in
Gabriel Berger, Thuner Tagblatt
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Erstellt: 11.10.2016
Geändert: 11.10.2016
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