• Region

Dorf- und Schulentwicklung Kiesen: Gemeindeversammlung hat den Kredit bewilligt, aber…

Die Gemeindeversammlung Kiesen hat entschieden: Der Kredit über 150’000 Franken, um die Änderung der baurechtlichen Grundordnung mit Zonenplan und Baureglement zu planen, ist genehmigt. Aber: Mit diesem Geld sollen gleich zwei Varianten statt nur einer erarbeitet werden.

Rund um das Schulhaus Kiesen kann geplant werden. Das hat die Gemeindeversammlung beschlossen. (Foto: Pascale Groschel)

Bis zum allerletzten Platz war die Turnhalle Kiesen gefüllt an dieser ausserordentlichen Gemeindeversammlung, vor Versammlungsbeginn mussten gar zwei zusätzliche Stuhlreihen hingestellt werden. Aus den Reihen waren amüsierte Aussprüche zu hören à la: «Ob das ein erster Grund für eine neue Schulanlage ist?» Gemeindepräsident Ernst Waber sprach gar von einem «neuen Rekord an Beteiligung» und erntete Gelächter, als er erwähnte, dass keine Entschuldigungen vorlägen: Tatsächlich war fast das gesamte Dorf da.

 

Ausführlich erklärte Ernst Waber noch einmal, worum es bei dieser aussergewöhnlichen Gemeindeversammlung geht (BERN-OST berichtete), und warum es wichtig sei, den Planungskredit anzunehmen: Dieser helfe zu entscheiden, was ein- oder umgezont werden müsse. Der nächste Schritt erfolge dann wieder in der Mitwirkung, und das Resultat müsse wiederum an der Gemeindeversammlung genehmigt werden. «Ich hoffe, in zwei Jahren sind wir so weit», sagte Waber.

 

Ziel: Zeitgemässe Lösungen

Beatrice Riem, Präsidentin der Schulkommission und Gemeinderätin mit Ressort Bildung I, fasste die Situation rund um das 1887 erbaute Schulhaus zusammen: Die Anzahl der Schulräume sei nicht mehr zeitgemäss und die Qualität ungenügend, sagte sie. Insgesamt seien die Liegenschaften rund um Gemeindehaus und Schule «am Ende ihrer Lebensdauer» angelangt. Ziel seien jetzt ringsum zeitgemässe Räumlichkeiten und optimierte Betriebs- und Unterhaltskosen. Und eine finanziell tragbare Lösung.

 

Fritz Affolter, Vizegemeindepräsident Ressort Bau und Infrastruktur, erläuterte die Investitionskosten von rund 13 Millionen Franken und sagte offen: «Alleine können wir das nicht stemmen, deshalb haben wir uns für das Wohnbau Projekt entschieden – und um einen Studienauftrag Wohnen erteilen zu können, braucht es eine Zone mit Planungspflicht.» Es sei eine grosse Zahl, «aber es ist ein Generationenprojekt». 

 

Warum nur Teilplanungsrevision?

Aus dem Publikum zeigten sich Unsicherheiten: Wo es mit dem Projekt hingehe, und ob das nicht noch zu wenig abgeklärt worden sei. Und ob auch umgezont werden müsste, wenn man sich einzig für eine neue Schule entscheide? Ob man denn die Gemeinde vergrössern wolle? Darauf antwortete Gemeindepräsident Waber, die Gemeinde sei gross genug. Aber: «Ich wüsste nicht, wie finanzieren ohne Wohnprojekt.»

 

Ausserdem kam ein Rückweisungsantrag aus dem Publikum: Es handle sich nur um eine Teilplanungsrevision, brauche aber eine Gesamtplanungsrevision. Dem hielt jedoch der Kiesener Christian Albrecht entgegen. Er arbeitet als Generalsekretär bei der Kantonalen Bau- und Verkehrsdirektion und unterstützte aufgrund seiner Berufserfahrung das Vorgehen des Gemeinderats: «Eine Ortsplanungsrevision lohnt sich nur, wenn die Gemeinde Bauland hat.» Eine Gesamtrevision könne ausserdem lange dauern und koste erst noch eine halbe Million Franken. 

 

Schlossgut: «Wir sind dafür»

Die Sorge einer Kiesenerin darüber, dass sich allenfalls das Schlossgut aus dem Projekt zurückziehen könnte, wurde von den Vertretern des Schlossguts zerstreut: «Wir sind definitiv dafür, dass die Gemeinde mit dem Stück Land das machen kann, was sie will», versicherte ein Vertreter: «Wir wollen ein lebendiges Kiesen um unser Schlossgut.»

 

Es folgte ein kurzes Hin und Her, ob Bildung und daher ein modernes Schulhaus das wichtigste Gut für die kommenden Generationen ist, oder ob wichtiger ist, dass mehr Grasflächen und «grüner Freiraum» bleiben. Insgesamt, so forderte ein Anwesender, sei  es «höchste Zeit, dass wir grösser denken» und statt Flickwerken eine vertiefte Planung in Angriff nehmen, auch wenn das halt mehr koste.

 

Antrag auf geheime Abstimmung

Bevor Gemeindepräsident Waber schliesslich zur Abstimmung über den benötigten Planungskredit schreiten konnte, meldete sich eine Stimme aus der Turnhalle: Eine Teilnehmerin der Gemeindeversammlung wünschte eine geheime Abstimmung. Ihr Antrag wurde klar angenommen.

 

Anschliessend musste über den obgenannten Rückweisungsantrag aus dem Publikum abgestimmt werden. Dieser wurde jedoch in geheimer Abstimmung mit 131 zu 57 Stimmen abgelehnt.

 

Antrag auf «Zwei Varianten»

Anschliessend ging aus der Versammlung ein Antrag ein, der Gemeinderat müsse für die Zonenplanung nicht bloss eine Variante, sondern mindestens zwei Varianten ausarbeiten und der Gemeindeversammlung unterbreiten. Dieser Antrag wurde mit 102 zu 90 Stimmen angenommen.

 

Gemeindepräsident Ernst Waber schluckte ein wenig leer und sagte: «Jetzt müssen wir schauen, wie wir mit dem Budget zurechtkommen, wenn wir zwei Varianten ausarbeiten müssen.» Deshalb musste der Gemeinderat den Antrag für die Abstimmung über den Kredit von 150'000 Franken neu formulieren und ergänzen: «Der GR beantragt, für das Planungsverfahren (Änderung der baurechtlichen Grundordnung mit Zonenplan und Baureglement) einen Kredit von 150 000 Franken 'mit Ausarbeitung von mindestens zwei Varianten' zu bewilligen.

 

Kredit deutlich angenommen, aber...

Es war schon viertel vor Elf Uhr abends, als die Gemeindeversammlung schliesslich in geheimer Abstimmung entschied: Das neu formulierte Planungsverfahren wurde mit 148 zu 39 Stimmen angenommen. Die Schulhaus- und Dorfplanung Kiesen ist einen Schritt weiter.

 

Allerdings nur, falls nicht die Regierungsstatthalterin die Beschwerde gegen die Gemeindeversammlung nachträglich gutheisst: Ein definitiver Entscheid zur Beschwerde und demnach zur Gültigkeit der Abstimmung muss erst noch gefällt werden


Autor:in
Pascale Groschel/Claudia Weiss, info@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 27.04.2024
Geändert: 29.04.2024
Klicks heute:
Klicks total: