Dorf wehrt sich gegen 40-Tönner-Lawine
Die SBB will ihre Baustelle in Allmendingen über Vielbringen erschliessen. Rund 3700 Fahrten mit schweren Lastwagen durch das Dorf Vielbringen wären die Folge. Das Bauerndorf befürchtet erhebliche Belastungen. Die Bevölkerung stellt sich quer, der Gemeindepräsident unterstützt sie.
Vielbringen ist ein ruhiger Ort. Fernab vom Durchgangsverkehr bietet der Weiler Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Man kennt und grüsst sich in Vielbringen. Doch nun soll diese Ruhe gestört werden.
Schon bald könnten schwere Brummer durch Vielbringen rumpeln. 3700 Lastwagen sollen über ungeteerte Feldwege und durch das enge Zentrum von Vielbringen fahren, wenn es so läuft, wie die SBB plant: Sie benötigt für die Grossbaustelle «Entflechtung Gümligen Süd» (BERN-OST berichtete) verschiedene Installationsplätze für ihre Baustellen. Eine Zufahrt zur Baustelle soll durch Vielbringen führen. Eine grosse Belastung für das Dorf. Jetzt wehren sich Einwohnerinnen und Einwohner.
Es ist eng in Vielbringen
Hans Kipfer wohnt seit über 40 Jahren in Vielbringen und hat von seinem Nachbarn von den Lastwagenfahrten erfahren. «Ich bin sehr, sehr erschrocken und dachte: das gibt es doch nicht!», beschreibt Kipfer seine Reaktion. «Das macht uns Angst, wenn man sich die schmalen Strässchen vorstellt, wo nicht mal zwei Autos kreuzen können.» Kipfer wohnt selbst am Moosweg in Vielbringen, direkt vor seinem Haus sollen die 40-Tönner künftig von und zur Baustelle fahren. Nachdem er vom Vorhaben der SBB gehört hatte, kontaktierte er den Dorfverein.
Einsprache eingereicht
Auch beim Präsidenten des Dorfvereins Vielbringen, Urs Hauri, stiess das Anliegen der SBB auf wenig Verständnis. Der Vorstand des Dorfvereins erarbeitete daher eine Vorlage, die der Bevölkerung von Vielbringen als Unterstützung für mögliche Einsprachen gegen die geplanten LKW-Fahrten dienen soll. Es sei «eine unzumutbare Verkehrsbelastung für das Dorf Vielbringen, insbesondere für den Moosweg», schreibt Kipfer in seiner Einsprache. Er sieht Sicherheitsrisiken für Fussgänger, Velos, aber auch Kinder, die den Moosweg als Schulweg nutzen.
Das sagt die SBB
Die SBB plant die Zufahrt zur Baustelle via Vielbringen, da sie die Installationsplätze bei der Brücke an der Bahnhofstrasse in Allmendingen von beiden Seiten anfahren muss. «Da die Brücke eine Gewichtsbeschränkung von acht Tonnen hat, können wir nicht über die Brücke fahren», schreibt die SBB auf eine Anfrage von BERN-OST. Die SBB wählte diese Zufahrt, da es die einzige ohne Fahrverbot ist. Als Alternative käme die Route via Pfadiheim Rüfenacht in Frage, dort besteht jedoch ein Fahrverbot.
Auch Gemeinde erhebt Einsprache
Der Worber Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) sagt zu den angekündigten Lastwagenfahrten: «Das ist nicht machbar! Der Moosweg ist gänzlich ungeeignet, diesen Schwerverkehr aufzunehmen. Vielbringen ist ein Bauerndorf, die erwartete Verkehrsmenge kann den Anwohnern nicht zugemutet werden. Wir werden als Gemeinde Einsprache erheben.»
Vielbringen wehrt sich
In Vielbringen formiert sich der Widerstand: «Es ist wichtig, dass möglichst viele Anwohner Einsprache erheben», sagt Hans Kipfer anlässlich eines Treffens vor Ort. Die Nutzung der Baustelle würde ungefähr zweieinhalb Jahre dauern. «Das ist eine lange Zeit», sagt Brigitte Bigler, Vize-Präsidentin des Dorfvereins. Während wir durch das Dorfzentrum schreiten, sagt sie: «Ich sehe ein Problem mit den schmalen Strassen, dass es gefährlich wird, wenn Lastwagen, Schulkinder und Betreute der Stiftung Humanushaus zu Fuss unterwegs sind. Zudem wird der Moosweg rege von Gruppen aus der Reittherapie genutzt.»
Kritik von den Bauern
Bruno Bigler, ihr Ehemann, mit dem sie am Moosweg einen Bauernhof betreibt, kritisiert: «Für uns Landwirte wird es schwierig, mit Traktor und Anhänger die enge Strasse zu befahren. Von Frühling bis Herbst nutzen wir den Moosweg täglich mehrmals. Mehrere Bauern bewirtschaften dort Land. Wenn Lastwagen dieselbe Strasse nutzen, können wir unsere Arbeit nicht mehr erledigen.» Für die Einwohnerinnen und Einwohner von Vielbringen bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Einsprachefrist läuft am 16. Dezember ab.
Alternative Route vorhanden
Eine Besichtigung vor Ort zeigt, eine alternative Route wäre, dass die Lastwagen die Naturstrasse beim Pfadiheim (gelb) benutzen und dann via Rüfenacht (hellblau) auf die Hauptstrasse einbiegen. Beim Pfadiheim ist zwar Fahrverbot, was aber auch für einen Teil der Bahnhofstrasse (grün) bis zur Baustelle gilt. Auf diese Weise bliebe das Dorf Vielbringen vom Schwerverkehr verschont.
Allmendingen kam durch
Schon vor zwei Jahren gingen aus der Gemeinde Allmendingen über 100 Einsprachen gegen eine Baustellenzufahrt zur SBB-Baustelle «Entflechtung Gümligen Süd» ein. Vor einem Monat hat die SBB reagiert und das Projekt angepasst: Statt durchs Quartier am Gümligenweg führt die Zufahrt neu durch den Hüenliwald.
Darum geht's beim Tunnelprojekt im Hüenliwald Allmendingen
Die SBB will in Allmendingen für 200 Millionen Franken einen Tunnel bauen, damit mehr Züge kreuzen können. Die Strecke zwischen Bern und Münsingen sei eine von verschiedenen engen Stellen in und um Bern, an denen es wegen kreuzenden Zügen oft zu Verspätungen kommt. Die SBB plant deshalb die «Entflechtung Gümligen Süd».
Tunnel für Viertelstundentakt
Geplant ist ein 450 Meter langer Bahntunnel im Hüenliwald in Allmendingen. Dort treffen sich die Bahnlinien Bern-Langnau und Bern-Thun. Der neue Tunnel verläuft unter den bestehenden Bahngleisen von Gümligen nach Allmendingen in Richtung Worb SBB. Mit einem Tunnel müssten sich weniger Züge auf den bestehenden Gleisen kreuzen. Damit könnten zwischen Bern und Thun mehr Züge verkehren, für Münsingen-Bern würde der Viertelstundentakt eingeführt. Für Bern-Langnau gäbe es den durchgehenden Halbstundentakt.