Grosshöchstetten: «Wir sind extrem stolz»

Grosshöchstetten schafft die Gemeindeversammlung ab. Damit beschreitet die Gemeinde neue Wege. Statt an der Versammlung soll künftig an der Urne über Gemeindegeschäfte abgestimmt werden. Wir haben mit der Initiantin der Vorlage gesprochen.

Rolf Blaser, info@bern-ost.ch

Weil an den Gemeindeversammlungen jeweils nur wenig Leute teilnehmen, sammelte die Freie Wählergruppe Grosshöchstetten Unterschriften, um die Gemeindeversammlung abzuschaffen. Dieser Initiative hat das Stimmvolk am Sonntag mit 69 Prozent Ja- zu 31 Prozent Nein-Stimmen zugestimmt.

 

Neues Vorgehen bei Abstimmungen

Statt in der Turnhalle die Hand zu heben, wird in Zukunft an der Urne abgestimmt. Im Vorfeld kann an Orientierungsversammlungen über die Abstimmungsvorlage diskutiert werden. Die Gemeinde-Abstimmungen werden mit den nationalen Abstimmungssonntagen koordiniert, so der Vorschlag des Initiativ-Komitees.

 

Erste Gemeinde im Kanton Bern

Gemeinden ohne Gemeindeversammlung gibt es einige: Münsingen, Worb, Ostermundigen oder Muri. Diese verfügen jedoch über ein Gemeindeparlament. Dass eine Gemeinde ohne Parlament die Gemeindeversammlung abschafft, passiert im Kanton Bern erstmals. Grosshöchstetten macht somit einen Schritt, den schweizweit noch nicht viele Gemeinden gewagt haben. Livia Howald-Walker ist Mitglied des Initiativkomitees der Freien Wählergruppe Grosshöchstetten, die die Initiative lanciert haben.

 

BERN-OST: Livia Howald-Walker, wie gross ist die Überraschung über das Ja?

Livia Howald-Walker: Wir haben das erhofft, aber nicht erwartet. Ich bin wahnsinnig erleichtert, dass das Stimmvolk so mutig war, dazu Ja zu sagen. Wir tappten im Dunkeln, da es keine Vergleichswerte gibt. Wir sind sehr froh, dass wir das Ja haben und es so deutlich ist.

 

Wie sehr haben Sie damit gerechnet?

Wir hatten die nötigen Unterschriften und dachten, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben beim Sammeln mehr Leute erreicht, als an einer Gemeindeversammlung anwesend sind. Abstimmungssonntage können aber auch in die andere Richtung mobilisieren, wobei ich denke, das war heute nicht ausschlaggebend.

 

Was ändert sich jetzt?

Ändern wird sich, dass wir mehr Leuten aus Grosshöchstetten die Möglichkeit geben, dass sie politische Entscheide treffen können. Wir hoffen, dass dadurch mehr am politischen Geschehen teilhaben können. Es war auch eine wichtige Diskussion, die wir losgetreten haben.

 

Schwingt auch ein wenig Stolz mit, dies als erste Gemeinde im Kanton geschafft zu haben?

Ja, ein Riesenstolz sogar, dass wir das geschafft haben. Auch auf alle, die im Hintergrund mitgearbeitet haben.

 

Volk muss noch ein zweites Mal abstimmen

Die Initiative «Urnenabstimmung anstelle Gemeindeversammlung» wurde mit 976 Ja- zu 434 Nein-Stimmen angenommen. Der Gemeinderat wird nun die erforderlichen Reglementsänderungen ausarbeiten. Die nötige Anpassung der Gemeindeordnung wird zu gegebener Zeit erneut einer Urnenabstimmung zur definitiven Entscheidung unterbreitet. Die Stimmbeteiligung lag bei 47.2 Prozent.

 

[i] Worb hat bereits 1973 von der Gemeindeversammlung auf ein Gemeindeparlament umgestellt, Münsingen zog 2001 nach. Belp und Ittigen sind die einzigen Gemeinden im Kanton Bern mit mehr als 10'000 Einwohnern, die noch eine Gemeindeversammlung haben.

 

[i] Die Bevölkerung von Beromünster hatte im Februar 2022 mit 56 Prozent Ja-Stimmen die Gemeindeversammlung abgeschafft. Seither wird an der Urne abgestimmt, im Vorfeld der Abstimmung findet eine Orientierungsversammlung statt.

 

[i] In Meggen wurde die SVP-Initiative «Geschäfte an die Urne» mit 50.7 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen. Die Abstimmung fand im Herbst 2022 statt. Die neue Gemeindeordnung trat am 1. Juli 2023 in Kraft. Über alle Geschäfte wird seither an der Urne abgestimmt, im Vorfeld finden Orientierungsversammlungen statt.


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Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 10.02.2025
Geändert: 10.02.2025
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