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Nadia Lützelschwab: «Heisse Kartoffeln sind meine Aufgabe»

Ihr erstes Halbjahr als Gemeindepräsidentin von Vechigen sei wie der Blitz vorbeigegangen, sagt Nadia Lützelschwab. In dieser Zeit packte sie brisante Themen an, versuchte, den Puls der Bevölkerung zu spüren und staunte, wie vielseitig die Anliegen in einer Gemeinde sind. Inzwischen hat sie ihre erste Gemeindeversammlung entspannt hinter sich gebracht.

Nadia Lützelschwab vor dem Gemeindehaus Vechigen: Sie mag den breiten Themenfächer sehr. (Foto: cw)

Ob ihr im letzten halben Jahr einmal langweilig geworden sei? Nadia Lützelschwab nimmt schwungvoll am langen Besprechungstisch im Gemeindehaus Platz und lacht herzlich. «Nicht eine Sekunde», antwortet sie: Viel zu viele Projekte stünden in der Gemeinde Vechigen an, Bau- und Sanierungsprojekte, Veloweg- und Strassenplanung und Ortsplanungsrevision – teils «courant normal», teils ganz grosse Projekte.

 

Lieber wilder Wirbel als Routine

Der Fächer an Themen ist breit, genau das mag sie: «Ich bin gewohnt, mich schnell in neue Gebiete einzuarbeiten.» Dafür besucht sie gerne mal die Feuerwehr bei einer Übung oder setzt sich mit Vereinen zusammen. In der nächsten Zeit möchte sie auch alle Gewerbe der Gemeinde besuchen und deren einzelne Anliegen kennen, denn: «Auf Anliegen eingehen kostet nicht viel, fördert aber das Wohlwollen.» Natürlich könne sie nicht immer alle Anliegen erfüllen, aber dann versuche sie wenigstens zu erklären, warum etwas nicht geht.

 

Alles im Auge behalten

In ihrer Drehscheibenfunktion muss sie immer alles im Auge behalten, besonders bei komplexen Bauprojekten: Da spiele die Bauzeit eine Rolle, aber auch, wie flexibel geplant werden kann – bei Schulanlagen müssen grosse Bauarbeiten in den Schulferien durchgeführt werden –, und daneben müssen auch die Kosten und die Lage im Quartier berücksichtigt werden. «Bei solchen Projekten», das hat sie schon mehrmals festgestellt, «ist es sehr hilfreich, dass ich aus meiner Berufserfahrung beide Seiten verstehe!»

 

Bauprojekte fördern wo möglich

Sie lernte unter anderem als Direktionsadjunktin und Leiterin Direktionsstab beim Bundesamt für Bauten und Logistik zehn Jahre lang alle Sparten kennen, weiss, worauf sie schauen muss, und kennt die Herausforderungen. Kurz denkt sie an all die Projekte, die sie behandelt, dann schüttelt sie den Kopf: «Unglaublich, wie lange das heute bei all den Ämtern dauert.» Sie will daher von Gemeindeseite her alles unternehmen, um Bauvorhaben zu unterstützen und, wo möglich, zu beschleunigen.

 

Gemeinsam mit den Fachleuten

Als Gemeindepräsidentin hält sie jetzt sämtliche Bereiche von Bau bis Soziales zusammen. «Aber ich muss nicht alles können», betont sie: «Dafür habe ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.» Sie seien die Fachleute, könnten ihr über die Herausforderungen in ihrem Bereich berichten und Lösungen schildern. Das ist ihr wichtig: «Wir entwickeln alles gemeinsam.»

 

Sie schätzt schöne Kontakte

Sich selbst sieht sie vor allem als Bindeglied von der Verwaltung zur Bevölkerung, deren Anliegen die aufspüren und aufgreifen will: «Ich möchte Bürgeranliegen ernst nehmen!» Oft tragen Leute die Anliegen zu ihr in die Sprechstunde, aber manchmal begegnet Nadia Lützelschwab ihnen auch auf Spaziergängen mit ihrem Labradoodle-Hund Max und beim Einkaufen. Oder wenn sie gerade mal Zeit hat, im Garten zu arbeiten und mit Passant:innen zu plaudern. Besonders wichtig sei es in Vechigen, die urbanen und die ländlichen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, sagt sie.

 

Ländliche Bedürfnisse …

Die Landwirtschaftsbetriebe in Vechigen und im ländlichen Lindental hätten beispielsweise punkto Gewässerraum ganz andere Bedürfnisse, oder sie kämpften mit Robidog-Kübeln, die so weit auseinanderliegen, dass niemand sie benutzt, und anderem Abfall auf den Feldern. Deshalb hat Nadia Lützelschwab auch schon persönlich an einem Clean-Up-Day mit Schulklassen mitgemacht: «Man muss den Kindern zeigen, was passiert, wenn Abfall im Gras mitgemäht wird und im Futter landet.» Solch niederschwellige Aktionen mag sie.

 

… und urbane Wünsche

Die Bewohner:innen aus den neue Quartieren wiederum – mehrheitlich Leute, die aus der Stadt Bern hergezogen sind – hätten urbane Bedürfnisse wie beispielsweise eine Tagesschule. «Eltern brauchen Planungssicherheit», weiss Nadia Lützelschwab, selbst Mutter von zwei Teenagern. Deshalb beschloss der Gemeinderat Vechigen diesen Frühling, dass ein Modul neu ab vier Kindern durchgeführt wird. Im Oberen Gemeindegebiet wiederum sei die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ein grosses Anliegen. Das versuche sie jetzt gemeindeübergreifend anzugehen.

 

Vereinsleben für schönen Zusammenhalt

Nadia Lützelschwab, in Gümligen aufgewachsen, lebt seit 16 Jahren in Vechigen und hat die Gemeinde in dieser Zeit sehr schätzen gelernt: «Mir gefällt die Offenheit hier, man grüsst und redet miteinander.» Ausserdem lobt sie das aktive Vereinsleben, sie ist selbst beim Naturschutzverein VeNatur dabei und beim Vechiger Gewerbeverein. «Das Vereinsleben ist eine riesige Stärke – es trägt viel zum Zusammenhalt bei.»

 

Ganz grosse Kisten …

Im Sommer wird Nadia Lützelschwab mit der Ortsplanungsrevision starten – ein grosses Projekt. Um herauszufinden, welche Bedürfnisse die Bevölkerung hat, führt die Gemeinde eine Umfrage und Gespräche mit den verschiedenen Anspruchsgruppen durch. «Wir machen es bewusst umgekehrt als weitum üblich», erklärt sie: «Wir wollen zuerst wissen, welche Bedürfnisse bei der Bevölkerung vorliegen.» Das lohne sich enorm, ist sie überzeugt, «wir wollen ja nicht an den Leuten vorbeiplanen».

 

… und neue Wege

Auch Turnhalle und Fussballfelder seien Riesenthemen, oder der neue Gemeindesaal. Ausserdem liegen Strassensperren wegen Leitungssanierung an, und Bauarbeiten bei der Schulanlage Utzigen. Überall ist ihr Ziel: «Wir wollen neue Wege gehen, damit die Projekte nicht scheitern wie in anderen Gemeinden.» Dafür setzt Nadia Lützelschwab auf Kommunikation, sie hat bereits eine neue Stelle dafür genehmigt. «Es ist enorm wichtig, die Leute zu informieren und zu involvieren», erklärt sie: Das schaffe viel Goodwill. «Sonst braucht es enorm viel Energie und Zeit für die Nachbearbeitung.»

 

Gemeindeversammlung – etwas anders ...

Inzwischen hat Nadia Lützelschwab ihre erste Gemeindeversammlung entspannt hinter sich gebracht. Auch diese haben sie und ihr Team ein bisschen umgestaltet: Anders als bisher, sitzt der Gemeinderat nicht auf dem Podest hoch über den Köpfen, sondern auf derselben Ebene wie die Bevölkerung, näher bei den Leuten. «Das ist sehr gut angekommen», das hat die Gemeindepräsidentin im anschliessenden Apero vielfach zu hören bekommen. Auch auf die Powerpoint-Präsentation im Hintergrund hätten viele Leute positiv reagiert.

 

… und gut gelaufen …

Nadia Lützelschwab freut sich besonders, dass der Projektierungskredit von 890'000 Franken für das Schulhaus Utzigen so reibungslos durchging: Er wurde ohne Gegenstimme angenommen. Das kam allerdings auch nicht von nichts, denn sie und ihr Team haben das Geschäft sehr sorgfältig vorbereitet. «Wir haben alle Fragen bereits eingearbeitet, die an der vorgängigen Informationsveranstaltung gestellt wurden», sagt sie. «Wir haben nicht einfach dieselben Informationen vorgetragen, sondern versucht, den Vechigerinnen und Vechigern eine Mehrinformation zu bieten.»

 

… trotz heisser Kartoffeln

In all den spannenden Geschäften befinden sich auch das eine oder andere heikle Thema. Allen voran die heisse Kartoffel «Finanzdelikt», sprich das Geld, das der damalige Finanzverwalter der Gemeinde vor drei Jahren veruntreute: «Diese vier Millionen fehlen immer noch», erklärte die Gemeindepräsidentin an der Versammlung. Viel machen könne sie im Moment nicht, der Fall liege bei den Rechtsanwälten. Aber von sich schieben mag sie das Thema nicht: «Heisse Kartoffeln sind meine Aufgabe!», sagt sie: «Ich bin dafür da, Probleme zu lösen, und es bringt nichts, sie vor sich hin zu schieben.»

 

Gut informieren

Deshalb gab Nadia Lützelschwab an der Gemeindeversammlung einen Abriss, was unternommen wird und was das Ziel ist: «Es wäre sinnvoll, mit Ittigen eine Lösung zu finden, damit es nicht zu einem Gerichtsfall kommt», erklärt sie: «Ein solcher würde viel Geld und Nerven kosten.» Sie hat daher Kontakt mit Ittigens Gemeindepräsidenten aufgenommen und versprach: «Sobald sich etwas Neues ergibt, werde ich informieren» Dafür erntete sie Applaus. Sie nickt ruhig: «So fühlen sich die Leute informiert.»  

 

Viele Pläne für vier Jahre …

Was sie in ihrer Amtszeit noch so alles plant? Nadia Lützelschwab sprudelt förmlich vor Ideen: «Vechigen ist eine attraktive Gemeinde für Junge und Alte: Mit Tagesschulen und Kitas können wir ein noch besseres Angebot stellen, und wir könnten noch mehr Wohnraum für Ältere schaffen, damit sie in der Gemeinde bleiben können.» So würden zugleich Häuser frei für Familien.

 

… auch für Gewerbe und Mobilität

Und auch für das Gewerbe – «unglaublich innovative Unternehmungen!» – möchte sie Perspektiven schaffen, damit sie in der Gemeinde bleiben. Sofort denkt sie noch weiter: «Das entlastet auch die Mobilität, und das ist ganz wichtig!» A propos Mobilität wäre ein Rufbus für das obere Gebiet im Lindental und Dentenberg toll, überlegt sie weiter. Zudem möchte sie die Gemeinde weiterhin für Familien attraktiv gestalten: mit einer guten Schule, einer Ferieninsel und Naherholung – «damit die Leute Freude haben hierherzuziehen».

 

Entwickeln statt verwalten

Nadia Lützelschwab hält einen Moment inne. «Ja, es ist schon mega viel», sagt sie dann. Aber man könne auch viel bewegen und beeinflussen. «Es fägt! Und es ist schön, dass ich etwas entwickeln kann, nicht nur verwalten.» Sagt es, packt ihre Mappe und eilt beschwingt davon: Der nächste Termin wartet bereits.

 


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 26.06.2025
Geändert: 26.06.2025
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