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Verdacht auf weitere Baukartelle

Quelle
Der Bund

Gebietsabsprachen, personelle und finanzielle Verflechtungen: Nach der Busse gegen zwei bernische Kies- und Betonfirmen ermittelt die Wettbewerbskommission nun gegen zwei bernische Belagswerke. Die Untersuchungen stehen in direktem Zusammenhang.

Wegen baulichen Grossprojekten wie dem Ostast wurde in den letzten Jahren viel Strassenbelag verbaut. Foto: Raphael Moser (Archiv)
Der Weg des Kieses – Die Produktionsschritte: Vom Kiesabbau bis zur Verbauung

Nach Kies und Beton ist nun auch der Strassenbelag im Visier der Wettbewerbskommission (Weko). Letztere eröffnete am Dienstag eine Untersuchung gegen zwei bernische Belagswerke und deren Aktionäre.

 

Erst letzte Woche verhängte die Weko eine Busse in der Höhe von 22 Millionen Franken gegen zwei Beton- und Kiesunternehmen aus dem Kanton Bern. Sie sollen jahrelang Preisabsprachen getroffen haben. Gestern wurde bekannt, dass diese Untersuchungen nun noch weitere Kreise ziehen als bisher angenommen.

 

Folge des Kieskartells

Die beiden Firmen, gegen die nun ermittelt wird, sollen Gebietsabsprachen getroffen und vereinbart haben, sich nicht zu konkurrenzieren. Eines der beiden Unternehmen soll weiter seine marktbeherrschende Stellung missbraucht haben. Aktionärinnen und Aktionäre dieser Firma seien dadurch bevorzugt behandelt worden, so der Verdacht der Weko. Zum Nachteil anderer Belagswerke könnte dadurch eine nachhaltig verzerrte Kundenbindung aufgebaut worden sein.

 

Die Weko wollte zunächst nicht bekannt geben, welche Betriebe im Zentrum ihrer Untersuchung stehen. «Bund»-Recherchen zeigen, dass eines der grossen bernischen Belagswerke betroffen ist: Die Berag AG in Rubigen. Verwaltungsratspräsident Christoph Zaugg bestätigt dies auf Anfrage. «Dass das Werk der Berag nun ins Visier der Weko gerät, nehmen wir vorerst so zur Kenntnis», sagt Zaugg. Entsprechende Anschuldigungen weist er jedoch zurück: «Wir haben nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstossen.» Weiter sagt Zaugg, man werde vollumfänglich mit der Weko kooperieren. «Wir haben nichts zu verbergen.» Bevor kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, erwartet Zaugg zudem, «dass es keine Vorverurteilungen gibt».

 

Erneut Kästlibeteiligt

Frank Stüssi, stellvertretender Direktor der Weko sagt, es bestehe ein direkter Zusammenhang mit dem Entscheid von letzter Woche. «Hinweise aus den Ermittlungen, die wir 2015 eröffneten, führten zu dieser weiteren Untersuchung.»

 

Mit ein Grund für die Folgeuntersuchung dürfte auch die hohe personelle und finanzielle Verflechtung zwischen den verschiedenen Unternehmen in der bernischen Kies-, Beton und Belagsbranche sein. An der Berag AG sind finanziell auch die Kästli- und die Alluvia-Gruppen beteiligt. Beide wurden letzte Woche wegen Preisabsprachen im Kies- und Betongeschäft gebüsst. Daniel Kästli von der Kästli-Gruppe ist auch Verwaltungsratsdelegierter der Berag AG. Baukonzerne, die das Belagsmaterial beziehen und an Strassenbaustellen verwenden, gehören zu den Aktionären der Berag.

 

Das zweite grosse Belagswerk in der Region Bern-Mittelland, jenes der Firma Weibel in Oberwangen, ist von der Weko-Untersuchung nicht betroffen. Dies teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. Die Jura Materials, zu denen das BLH Belagswerk in Hasle bei Burgdorf gehört, wollte auf Anfrage zur Weko-Untersuchung keine Stellung nehmen. Pikant: Im Verwaltungsrat des BLH Belagswerks sitzt ebenso Daniel Kästli.

 

Grosse Schäden befürchtet

Der kantonale Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) befürchtet erneut grossen finanziellen Schaden für die öffentliche Hand: «In den letzten fünf Jahren wurde im Auftrag des Kantons ausserordentlich viel Strassenbelag verbaut.» Die Mengen an Belag, die seit 2014 im Auftrag des Kantons verwendet wurden, belaufen sich im Schnitt auf rund 163000 Tonnen pro Jahr. Diese hohen Werte sind nicht zuletzt auf Grossprojekte wie die Transjurane-Autobahn oder den Ostast in Biel zurückzuführen, die in den letzten Jahren fertiggestellt wurden. Sollten in der Belagsbranche tatsächlich Absprachen geschehen sein, könnte der finanzielle Schaden für den Kanton also gross sein.Vorerst gilt jedoch die Unschuldsvermutung.

 

«Wir warten ein rechtskräftiges Urteil ab. In der Zwischenzeit eruieren wir, wie gross der finanzielle Schaden für den Kanton sein könnte», sagt Neuhaus. Weil der Kanton auf dem Rechtsweg bei einer Klage auf Schadenersatz kaum Chancen hat, behält sich Neuhaus andere Massnahmen vor: «Nachweislich schuldige Firmen würden von der Baudirektion vorgeladen.» Allfällige Schadenersatzforderungen sollen so beglichen werden.

 

Stadt Bernist «aufgeschreckt»

Auch die Gemeinden wären von Absprachen zwischen Belagsfirmen betroffen. Laut Gemeindeverbandspräsident Daniel Bichsel muss das Ergebnis der Weko-Ermittlungen abgewartet werden. Liege ein rechtskräftiges Urteil vor, müsse jede Gemeinde prüfen, ob Schaden entstanden sei und ob sie Schadenersatz einklagen wolle.

 

Beim Stadtberner Tiefbauamt ist diese Prüfung im Gang. Die Weko-Bussen gegen die Kiesfirmen Kästli und Alluvia «haben uns aufgeschreckt», sagt Stadtingenieur Reto Zurbuchen. Zurzeit werde geprüft, welche Kiesmenge inden letzten Jahrenvon welchen Firmen verbaut worden sei. Erst nach der Bestandesaufnahme, einer ungefähren Quantifizierung des möglichen Schadens und einem rechtskräftigen Urteil würden rechtliche Schritte geprüft. Dasselbe gelte auch für die Belagsfirmen. Die Menge des verbauten Materials variiere hier aber stark. So seien 2018 für den üblichen Unterhalt stadtweit rund 4500 Tonnen Belagverbaut worden. Ein Jahr zuvor seien alleine für das Grossprojekt Sanierung Eigerplatz 10 000 Tonnen verbaut worden. Zurbuchen bestätigt, dass es sich bei einer der Firmen, von denen das Tiefbauamt Belag bezieht, um die Berag AG handelt, gegen welche die Weko nun ermittelt.

 

Zögerliches Zollikofen

Köniz und Zollikofen machen mögliche rechtliche Forderungen gegen Kies- oder Belagsfirmen auch vom Vorgehen des Kantons abhängig. Der Könizer Bauvorsteher Christian Burren (SVP) warnt aber vor einer Vorverurteilung. In einem Schreiben an die Gemeinde hätten die Firmen Kästli und Alluvia die Weko-Vorwürfe umgehend dementiert, sagt Burren. (bob)

 

Von der Grube bis zur Strasse und zurück

Gleich drei laufende Verfahren der Wettbewerbskommission (Weko) nehmen die erweiterte Kiesbranche des Kantons Bern ins Visier. Dabei fokussieren die Weko-Verfahren auf unterschiedliche Akteure und Produkte. Doch wie funktioniert eigentlich der Produktionsprozess?

 

Es beginnt in der Kiesgrube. Dort wird nicht nur Kies abgebaut, sondern meist auch sortiert und manchmal zerkleinert und gesäubert. Ein Teil des Kieses – rund die Hälfte – wird dann in dieser Form weiterverkauft. Der andere Teil fliesst in die Produktion von Beton und Strassenbelägen.

 

Da der Kies-Transport ziemlich teuer ist, findet die Weiterverarbeitung stets in geografischer Nähe zur Kiesgrube statt. Insbesondere die Betonproduktion wird häufig von den Firmen verantwortet, welche auch die Gruben betreiben. Auch die Produktion von Strassenbelägen wird teils von den Grubenbetreibern, teils aber auch von unabhängigen Unternehmen durchgeführt. Im Kanton Bern gibt es nur eine Handvoll Produzenten von Strassenbelägen.

 

Ein weiterer Zweig ist der Transport von Beton und Stras senbelägen auf die Baustelle. Dieser wird teils von Baufirmen, teils von den Beton-/Belagsproduzenten, teils aber auch von eigenen Transportfirmen verantwortet.

 

Schliesslich werden die verschiedenen Produkte von Baufir men verbaut. Aushubmaterial und Abfallprodukte, die bei Baustellen anfallen, werden wiederum verwendet, um die Kiesgruben aufzufüllen. Im Kanton Bern ist der Deponieraum knapp.

 

Die personellen und finanziellen Verflechtungen zwischen den involvierten Unternehmen sind bisweilen hoch. Die beiden erstinstanzlich schuldig-gesprochenen Firmen Kästli und Alluvia etwa sind auch an der nun in den Fokus geratenen Berag beteiligt. Unter den Aktionären von Berag sind wiederum Baukonzerne, die zu den Abnehmern von Strassenbelägen und Beton gehören. (chl)


Autor:in
Noah Fend, Der Bund
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Erstellt: 08.03.2019
Geändert: 08.03.2019
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