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40 Jahre Betradi: Deshalb sieht man die roten Autos jeden Tag

Wer in der Region unterwegs ist, kennt die roten Betradi-Autos. Die Firma feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. Angefangen hat Betradi als Ein-Mann-Taxi-Betrieb, heute beschäftigt die Firma über 200 Angestellte und fährt jeden Monat sieben Mal um die Erde.

Im April feierte das Unternehmen sein 40-jähriges Bestehen. (Foto: Rolf Blaser)
Gründer Peter Wüthrich, seine Frau Sandra und der neue Inhaber Lorin Aebi. (Foto: Rolf Blaser)
Blick ins Innere: Ein Rollstuhl wird am Boden an vier Stellen arretiert. Zwei schwarze Platten stützen den Rollstuhl zusätzlich von hinten. (Foto: Rolf Blaser)
Im Schulungsraum üben Fahrerinnen und Fahrer den Umgang mit dem Rollstuhl. (Foto: Rolf Blaser)
Neues Logo, gleicher Name. (Foto: Rolf Blaser)

Die Betradi AG ist in den letzten Jahren gewachsen. Im April hat der Gründer Peter Wüthrich sämtliche Aktien an den neuen Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsidenten Lorin Aebi übergeben. Wüthrich ist neu nur noch Verwaltungsrat, seine Frau Sandra ist voll angestellt und arbeitet nach wie vor im Betrieb.

 

Mit 60 in Pension

«20, 40, 60 war mein Motto, und das hat geklappt», sagt Peter Wüthrich lachend. «Mit 20 habe ich die Firma gegründet, 40 Jahre habe ich gearbeitet und mit 60 lasse ich los.» Ein Plan, der rückblickend faszinierend klingt. Es war aber kein einfacher Weg, den Wüthrich gewählt hat. Zu Beginn lief gar nichts.

 

Alle haben ihn ausgelacht

1983 hat Peter Wüthrich (60) in Konolfingen ein Taxi-Unternehmen gegründet. Mit einem grünen Ford Granada wartete er am Bahnhof auf Kunden. «Damals lachten mich alle aus und sagten, es brauche kein Taxi in Konolfingen», so Wüthrich. Er habe tagelang gewartet, aber nur wenige Leute hätten sein Taxi benutzt. Er versuchte zusätzlich noch Möbel zu transportieren, belieferte in der Nacht die Kioske mit Zeitungen und füllte Blick-Boxen. Von Gstaad über Münsingen bis ins Seeland sei er gefahren. Das Geschäft lief schleppend.

 

Dann fiel der Startschuss

Ein Jahr später sei er angefragt worden, ob er drei behinderte Kinder fahren könne. «Das war der Startschuss für den Behindertentransport.» Damals habe ein Wechsel stattgefunden. Früher seien behinderte Kinder oft eine Woche lang im Heim gewesen und nur am Wochenende bei den Eltern. Dies änderte sich, als das Bildungsangebot angepasst wurde und die Kinder täglich zur Schule gefahren wurden. Da die Kinder jeden Tag gefahren werden mussten, wurde den Schulen die Fahrerei zu viel. Peter Wüthrich war zur Stelle.

 

Banken machten nicht mit

«Vor 20 Jahren hörten wir auf, Kioske zu beliefern und konzentrierten uns auf den Transport der Kinder», sagt er. Auf einen Schlag musste er neue Personenbusse kaufen. Von den Banken erhielt er kein Geld. «Was wir verdienten, steckten wir in die Firma. Deshalb sind wir heute schuldenfrei.» Bei den Schulen und Institutionen, mit denen er zusammenarbeitete, sprach sich sein Service schnell herum. «Wir erhielten laufend neue Anfragen von Institutionen, ob wir für sie den Schultransport übernehmen könnten.»

 

Die Flotte wächst

Sandra Wüthrich (59) war immer an seiner Seite. Sie unterrichtete während 35 Jahren an der Schule in Grosshöchstetten, daneben half sie bei Betradi mit. Sie bildete sich abends an der Handelsschule weiter, holte den KV-Abschluss nach. «Dass der Betrieb mal so gross wird, hätten wir nie gedacht», sagt sie. «Wir glaubten daran, einmal davon leben zu können, aber dass wir mal über 200 Angestellte und 142 Fahrzeuge haben, das war nicht absehbar.»

 

600 Kinder werden täglich gefahren

Heute fährt Betradi für 18 verschiedene Institutionen im Kanton Bern. Das sind Wohn- und Schulheime für Kinder mit Beeinträchtigungen. Von Meiringen über Langenthal bis Biel holen die Chauffeure jeden Morgen 600 Kinder ab und fahren diese zur Schule. Sandra Wüthrich sagt: «Es gibt Institutionen, wo am Morgen 20 Autos von uns Kinder zur Schule bringen. Wenn ein Kind im äussersten Zipfel des Kantons wohnt und blind ist, fahren wir auch dieses.»

 

Sind die Kinder in der Schule, fährt Betradi für andere Leute. Sie fahren Menschen in Spitäler zu Kontrollen oder holen betagte Leute im Altersheim ab und bringen sie danach wieder nach Hause. Am späteren Nachmittag schwärmen die Fahrerinnen und Fahrer wieder aus, um die Kinder heimzufahren. Sandra Wüthrich betont: «Unser Kerngeschäft sind die Kinder. Wir sprechen uns mit den erwachsenen Kundinnen und Kunden ab, dass sie ihren Arztbesuch zwischen den Schulzeiten planen.»

 

85 Mal um die Erde

Im letzten Jahr sind Betradi’s Busse jeden Monat sieben Mal um den Erdball gefahren. 3.3 Millionen Kilometer legten die Autos in einem Jahr zurück. Für kleinere Reparaturen hat Betradi eine eigene Werkstatt. Dort werden Räder gewechselt, Öl kontrolliert und vieles mehr. Für grössere Arbeiten und den Service ist die Garage Galli in Zäziwil zuständig. Ein fix ausgerüsteter Lieferwagen kostet neu bis zu 100'000 Franken.

 

Sicherheit zuerst

«Wir suchen ständig Fahrerinnen und Fahrer», so Peter Wüthrich. «Wir sind in einer Grösse, wo wir immer Leute benötigen.» Für Betradi fahren viele Pensionierte, Hausfrauen oder Frühpensionierte. «Wer für uns fährt, braucht ein Flair für die Strasse und die Menschen», sagt der neue Geschäftsführer, Lorin Aebi. Fürs Rollstuhlhandling werden die Angestellten direkt bei Betradi geschult und ausgebildet.

 

In der Schweiz gebe es bis heute keinen Standard für die Sicherheit beim Transport eines Rollstuhls. Betradi hat zusammen mit einer Hamburger Firma das System verfeinert. Der Rollstuhl wird im Wageninnern an vier bis sechs Stellen fixiert. Zusätzlich wird die Person im Rollstuhl durch zwei Sicherheitsgurte geschützt.

 

Damit die Fahrer ein Gespür für ihre Fahrgäste erhalten, werden auch diese zu Trainingszwecken im Rollstuhl platziert. So erleben auch die Chauffeusen, wie es sich anfühlt, wenn in einem Kreisel zu schnell gefahren wird oder wie sich eine ruppige Bremsung auf die Insassen auswirkt.

 

Firma übergeben

Aus dem kleinen Ein-Mann-Taxi-Betrieb ist ein währschafter Betrieb geworden. Vor Jahren wollte eine Zürcher Transportfirma Betradi kaufen. Wüthrich verkaufte nicht und sagt: «Da Sandra und ich keine Kinder haben, entschieden wir uns, auf den richtigen Nachfolger zu warten.» Lorin Aebi (29) begann vor drei Jahren bei Betradi als Werkstattchef. Schnell merkten Wüthrichs, dass dieser zu mehr fähig ist.

 

Aebi hatte seine Lehre als Automechaniker abgeschlossen, danach hatte er den technischen Kaufmann gemacht und noch ein Studium zum Betriebswirtschafter angehängt. Ein Mann, der etwas von Autos versteht und weiss, wie man die Bücher führt. «Lorin ist wie ein Sohn, den wir nie hatten», sagt Sandra Wüthrich. Schnell war klar, dass er die Firma übernehmen soll.

 

Wüthrich lehnt sich zurück

Dieser Wechsel ging am 1. April über die Bühne, Lorin Aebi übernahm alle Aktien der Betradi AG und leitet seither als Geschäftsleiter den Laden. Sandra Wüthrichs Wissen bleibt der Firma erhalten. Seit drei Jahren arbeitet sie zu 100 Prozent mit, ist stellvertretende Geschäftsführerin und VR-Mitglied. Peter Wüthrich lehnt sich zurück auf seinem Stuhl und sagt: «Viele denken, ich kann nicht loslassen. Das stimmt nicht. Ich kann delegieren, und wenn es funktioniert, dann lasse ich los. So wie jetzt, wenn ich weiss, es kommt gut.»

 

[i] Betradi steht für Behinderten-Transport-Dienst. Ein Name, der von der Zeit eingeholt wurde. Da die Marke einen guten Ruf hat und bekannt ist, will man diesen beibehalten. Betradi bleibt, neu heisst es: Transport – Dienst – Mitmenschen. Bei Betradi arbeiten über 200 Personen, 20 allein im Backoffice. Garage und Büro befinden sich in Beitenwil, der Firmenhauptsitz ist in Grosshöchstetten.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 10.09.2023
Geändert: 10.09.2023
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