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Adrian Walther nach der Sport-RS: «Wieder so ein Jahr, das ist fast nicht möglich»
Nach 18 Wochen RS ist Spitzenschwinger Adrian Walther wieder in Bolligen. Für BERN-OST blickt er zurück auf das Militär, voraus auf den Sommer im Sägemehl und verrät, was privat für Veränderungen anstehen.
BERN-OST: Seit wenigen Tagen bist du zurück aus der Spitzensport RS. Wie fühlt es sich an, wieder zuhause zu sein?
Adrian Walther: Es ist schade, ist die Zeit schon vorüber, aber es ist auch cool, wieder zuhause im Alltag anzukommen. Die letzten Wochen waren sehr intensiv.
Im Vergleich zu Kollegen, wie unterscheidet sich die Sport RS von einer normalen?
Bei uns war das militärische nach drei Wochen vorbei. Gelernt haben wir in dieser Zeit Dinge wie Zugschule oder die Dienstgrade richtig ansprechen. Schon damals haben wir jeweils den halben Tag trainiert. Nach diesen ersten vier Wochen gab es nur noch wenig militärische Struktur, und wir waren nur noch im Sporttenu.
Und das Militärhandwerk, das Schiessen und so weiter?
Der Dienst ist waffenlos. Man hat eine kleine Sanitätsausbildung, die Kameradenhilfe, und einmal hatten wir einen 13-Kilometer-Marsch mit Biwakieren. Für die Armee ist die Sport-RS eher etwas zum Repräsentieren.
Wie hat ein normaler Tag für dich ausgesehen?
Montag und Freitag mussten wir um sieben Uhr auf dem Platz stehen zum Antrittsverlesen. An den anderen Tagen standen wir um sieben auf. Dann gab es Zmorge. Das Essen ist auch etwas, das anders ist als in der normalen RS. Wir hatten gutes und ausgewogenes Essen und immer von allem genug. Um 8.15 Uhr ging es in den Kraftraum für eine, eineinhalb Stunden: Aktivieren, den Körper «ufefahre», eher schnellere Sachen. Von 10 bis 12 Uhr war Schwingtraining. Nach dem Mittagessen hatten wir Pause bis um 15.30 Uhr. Um diese Pause war ich sehr froh. Die Trainings waren intensiv und der Körper brauchte diese Erholung. Ich habe mich meistens kurz hingelegt.
Danach ging es nochmal in den Kraftraum, diesmal eher für schwerere Übungen. Um sechs gab es Znacht, dann konnten wir noch zusammensitzen und vielleicht ein Kafi trinken. Ich war meist früh müde und bin zwischen 9 und 10 ins Bett. Am Wochenende konnten wir immer heim.
Was sagst du zur Kritik in Schwingerkreisen, dass Spitzensportförderung bei einer nationalen Sportart unfair ist? Es geht hier ja nicht darum, der Schweiz einen Vorteil zu verschaffen gegen aussen, sondern einzelnen Sportlern innerhalb der Schweiz.
Man kann das auch umdrehen. Die Armee hilft dem Schwingen viel, zum Beispiel am Eidgenössischen Schwingfest, wo sie die Tribünen stellt. Das sind unzählige Helferstunden. Es geht also auch darum, als Schwinger etwas zurückzugeben. Das Schwingen hat ein gutes Image, von dem kann die Armee profitieren.
Aber klar, ich verstehe die Kritik schon. Beim Schwingen wird ja die Fahne des Amateursports sehr hochgehalten und ich war jetzt 18 Wochen lang ein Profi. Ich kann verstehen, dass das nicht allen gefällt. Was man aber auch nicht vergessen darf: Es gibt ja auch Schwinger, die richtig gut sind, ohne diese Förderung, zum Beispiel Pirmin Reichmuth oder Samuel Giger.
Die WK kann man im Übrigen auch hier machen, wenn man eine normale RS gemacht hat.
Der zweite Schwinger in der Sport-RS war Werner Schlegel, dein Schlussganggegner vom Brünig letztes Jahr. Seid ihr nach diesen 18 Wochen mehr Freunde oder mehr Konkurrenz?
Wir haben 18 Wochen im Zweierzimmer gelebt, übrigens auch noch ein Unterschied zur normalen RS mit den Massenlagern. Das war eine lange Zeit, aber wir hatten es sehr gut. Er ist ein feiner, cooler Typ. Da ging es weniger um Konkurrenz, sondern wir waren einfach beide da, um besser zu werden, haben beide Vollgas gegeben. Es entstand schon eine freundschaftliche Verbundenheit.
Ihr seid ähnlich jung, ähnlich erfolgreich. In den direkten Begegnungen hast du ihn alle drei Mal besiegt. Wer ist jetzt besser?
Er hat nochmal einen rechten Schritt vorwärts gemacht. Ich aber auch. Ich würde sagen, keiner hat den anderen abgehängt in der Zeit. Wir schwingen auf Augenhöhe.
Wahrscheinlich kennst du nun kaum einen Schwinger genauer. Gibt es da noch Überraschungen?
Es ist nicht so, dass es langweilig ist. Der letztjährige ESAF-Schlussgang zwischen Joel Wicki und Matthias Aeschbacher, das waren ja auch zwei Sportsoldaten und das tat der Spannung überhaupt keinen Abbruch.* Wir sind beide stärker geworden und haben im Training alles gegeben. Aber man hat vielleicht auch nicht ganz alles gezeigt, was man kann.
Denkst du, die Einteilungsgerichte werden euch zusammen schwingen lassen, oder werden sie die Paarung eher vermeiden?
Weder noch. Ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielt. Wenn wir beide so weiterschaffen und gesund bleiben, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es diesen Gang noch ein paar Mal geben wird.
Euer Trainer in der RS war Schwingerkönig Matthias Glarner. Was hast du von ihm gelernt?
Sehr viel. Er ist ein intelligenter Schwinger, der genau überlegt, akribisch arbeitet und ein gutes Auge hat für Bewegungen. Er hat Sport studiert und ist sicher einer der besten, die es für diese Stelle gibt. Ich habe gelernt, die Trainings zielgerichteter aufzubauen, zum Beispiel, dass man sich mit dem Thema Pausen auseinandersetzt. Im Schwingtraining macht man die Sachen ja oft einfach so, wie man sie schon immer gemacht hat.
Ihr habt in Magglingen regelmässig auch mit Spitzenschwingern trainiert, die dort in den WK kamen. Wer war das, was hast du da mitgenommen und wer hat dich am meisten beeindruckt?
In dem Gefäss sind ungefähr 30 Schwinger und die kamen in meiner Zeit fast alle mal hoch. Man kann sich die WKs auch aufteilen, also jeweils nur für eine Woche kommen zum Beispiel und dafür öfter. Es kamen zum Beipiel Joel Wicki, die beiden Kirchberg-Sieger Fabian Staudenmann und Damian Ott und Armon Orlik, alles sehr starke Eidgenossen oder Teilverbandskranzer. Ich bin da nicht abgefallen, aber ich kann sagen, die, die gekommen sind, waren alle top in Form und immer noch zwäg.
Kam es zu Revanchen für Kämpfe im letzten Jahr?
Wettkampf und Training ist etwas ganz anderes, man geht nicht gleich ans Limit. Nicht alle sind da gleich, aber ich gehöre zu denen, die den Wettkampf brauchen. Die Revanchen wird es dann an den Schwingfesten geben. Aber es war natürlich schon gut, gegen solche Leute zu schwingen.
Letztes Jahr stand in deinem Porträt auf esv.ch ein Gewicht von 100 Kilo, auf deiner eigenen Webseite stehen jetzt 115. 15 Kilo mehr: Ist das gut oder schlecht?
Die 100 sind schon sehr veraltet. Ich war letzten Sommer so um die 110-112 Kilo, jetzt konnte ich noch etwas zulegen und bin 118. Es dürfte sogar noch etwas mehr sein. Aber zu viel aufs Mal zulegen ist auch nicht gut. Man muss auch die Kondition haben, um die Masse zu bewegen und beweglich bleiben.
Du hast heuer bisher zwei Feste geschwungen [Anmerkung: Mittlerweile kam ein drittes dazu, BERN-OST berichtete] und bist beide Male im Schlussgang gestanden. Entspricht das deiner Form? Bist du zwäg für den Schwingsommer?
Regionalfeste gehören zu den besten Trainings, weil das Wettkampfgefühl dazu kommt. Es ist gut, mich wieder an die sechs Gänge zu gewöhnen, so ein Festtag ist ein langer Tag. Was ich aber auch merke ist, dass das Profisein, dass ich diesen Winter erleben durfte, auch seine Kehrseiten hat. Von dieser Dauerbelastung muss ich mich auch etwas erholen. Blessuren oder Einschränkungen habe ich zurzeit aber keine.
An den zwei Festen mussten insgesamt drei Gegner verletzt aufgeben, nachdem sie mit dir geschwungen haben. Was ist da passiert? Bist du mit zu viel Kraft drangegangen?
Nein, das ist Zufall. Zwei davon waren ja in Büren. Dort ist der Platz knapp und man kann das Sägemehl nur schlecht wässern und walzen. Man sinkt mehr ein und bleibt eher mal hängen. Schön ist es natürlich nicht. Es sind Junge, die viel investiert haben und ich hoffe, dass sie bald wieder zwäg sind.
Hast du Ziele in diesem Jahr in Sachen Kränze, Siege oder Jahreswertung?
Aus der Jahreswertung machen sich die wenigsten viel. Mein Ziel ist, an jedem Fest einen Kranz zu machen. Letztes Jahr war natürlich sehr, sehr toll und über den Erwartungen mit den zwei wichtigen Festsiegen [Anmerkung: Brünig und Bernisch-Kantonales]. Natürlich wäre es schön, daran anzuknüpfen, aber wieder so ein Jahr, das ist fast nicht möglich.
Gibt es ein Fest, auf das du dich besonders freust oder eine Begegnung, die du dir wünschen würdest?
Sicher auf das Mittelländische, mein Heimfest, und auf den Brünig, als Titelverteidiger. Mitte August kann ich zudem als Gast ans Nordwestschweizerische, das kann man nicht alle Jahre, das ist einmalig. Und dann sicher auch das Unspunnen, das ja nur alle sechs Jahre stattfindet. Da kann es gut sein, dass man nur einmal im Leben die Gelegenheit hat dazu.
Nächsten Samstag ist Hallenschwinget in Bolligen, ein Heimspiel. Was bedeutet dir dieses Fest?
Man kennt die meisten Leute, da sie aus der Region sind, oder vom Klub her. Von daher ist es ein sehr schöner Anlass. Anders ist auch, dass ich schon beim Aufbau und dann beim Abbau mithelfe, der Tag ist also länger als normal.
Gewonnen hast du es noch nie, oder?
Nein. Das wäre schon mal noch ein Ziel.
Du hast letztes Jahr deine Ausbildung abgeschlossen als Hochbauzeichner. Wie geht es beruflich weiter?
Die Lehre habe ich schon 2021 abgeschlossen und letzten Sommer dann die Berufsmatura gemacht. Ab April arbeite ich wieder in meinem Lehrbetrieb, Burkhalter Architekten in Ittigen 60 Prozent als Hochbauzeichner. So bleibt etwas mehr Platz fürs Training. Mein Ziel wäre, etwa 2024 mit einem Studium anzufangen, vielleicht Architektur.
Und privat? Wirst du mit deiner Freundin zusammenziehen?
Ja, Anfang April ziehen wir zusammen nach Fraubrunnen. Das wird auch eine Umstellung. Bis jetzt wohnte ich noch zuhause. Das war natürlich gemütlich, weil für vieles geschaut war, fürs Essen etwa. Aber ich glaube, es ist ein guter Zeitpunkt dafür, und ich freue mich darauf.
Kommt sie jeweils an die Schwingfeste mit oder findet sie eher, du könntest auch mal ein Wochenende frei machen?
Beides. Sie war schon früher an Schwingfesten, also bevor wir uns kennenlernten. Das heisst, sie wusste, worauf sie sich einlässt und sie ist oft dabei. Sie hätte aber sicher nichts dagegen, wenn ich etwas mehr zuhause wäre. Im Herbst und abseits der Saison haben wir mehr Zeit zusammen und das ist dann auch sehr schön
Den Schwingklub wechselst du aber nicht, wenn du zügelst?
Nein, dem Klub bleibt man treu.
*Joel Wicki hat wie Walther die Sport-RS gemacht, Matthias Aeschbacher absolviert seit mehreren Jahren seine WKs als Spitzensportler.
[i] Mehr Bilder und ein Video mit Impressionen aus dem Training der beiden Schwinger-Rekruten gibt es auf der Facebookseite von Matthias Glarner.
Erstellt:
31.03.2023
Geändert: 31.03.2023
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