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Andreas Steiner: «Wir kämpfen gegen Bevölkerungsschwund»
Nach zwölf Jahren tritt Andreas Steiner als Gemeindepräsident von Oberthal zurück. Im BERN-OST-Interview erzählt er, ob er glücklich ist, was Oberthal von Langenthal unterscheidet, und warum er sich manchmal über den Kanton ärgert.
Andreas Steiner (65) wurde 2011 direkt als Gemeindepräsident gewählt. Damals führte er noch seinen Bauernhof. Den Sommer verbrachte er mit seiner Familie auf der Bundalp im Kiental. Sie produzierten Käse, leiteten ein Gasthaus mit 80 Betten und ein Wirtshaus. Seinen Hof hat er vor drei Jahren seiner Tochter und deren Mann übergeben. Diese übernahmen auch den Sömmerungs-Betrieb im Kiental.
BERN-OST: Andreas Steiner, warum treten Sie zurück?
Andreas Steiner: Auf der einen Seite ist es die Amtszeitbeschränkung, wenn dies nicht der Fall wäre, wäre es gleichwohl an der Zeit, dass jüngere Leute kommen mit frischen Ideen.
Dällenbach Kari kam scheinbar aus Oberthal?
Das ist so. Er war hier heimatberechtigt und hat eine zeitlang im Gfell gewohnt. Im Gruenholz haben sie vor Jahren einen Film über ihn gedreht und dies als Kulisse gebraucht.
Sie wurden vor zwölf Jahren direkt als Gemeindepräsident gewählt, wie war das damals?
(Lacht) Ich erinnere mich noch gut. Ich musste zu Beginn viele Leute fragen, wie das funktioniert. Ich wurde angefragt, erst sagte ich nein, am Ende machte ich es dann. Ich dachte, mir fehle die politische Erfahrung. Zudem war ich beruflich eingespannt mit meinem Bauernhof und im Sommer auf der Bundalp im Kiental.
Haben Sie es nie bereut?
Wir hatten immer ein gutes Verhältnis im Rat. Ich bin parteilos, im Gemeinderat geht es nicht um Parteipolitik. Wir müssen Probleme lösen und hatten immer eine gute Verwaltung. Bereut habe ich es nicht, aber es kam schon vor, dass ich, mit der täglichen Arbeit auf dem Hof, genug hatte. Auf der anderen Seite sah ich das Präsidium immer als einen Ausgleich.
Bis vor drei Jahren verbrachten Sie den Sommer auf der Alp, vermissen Sie dies?
Ja und nein, wir haben viel erlebt und haben das 24 Jahre gemacht. Wir haben dort viele Leute kennengelernt, hatten diverse Angestellte, die mithalfen.
Viele träumen von einem Sommer auf einer Alp, abseits der Hektik.
(Lacht) Das ist die Vorstellung, aber es hat wenig mit Romantik zu tun. Die Gäste kommen nur bei schönem Wetter, wir sind immer dort. Da muss gewaschen werden, zu den Tieren geschaut, der Betrieb muss geführt werden. Ich musste auch noch zum Futterbau hier schauen, dazu kam das Gemeindepräsidium, es war schon viel.
Warum zog es Sie im Sommer ins Kiental?
Es war Zufall, dass wir die Alp 1996 kaufen konnten. Wir bemühten uns darum, weil wir von der Landwirtschaft leben wollten. Bei der Betriebsgrösse hier kamen wir an Grenzen, deshalb machten wir diesen Schritt. Dazu kam dann noch die Gastronomie auf der Alp.
Sind Sie ein glücklicher Mensch?
(Lacht) Ja, ich sage das so. Ich suche immer bewusst das Positive und frage mich jeden Abend, was war heute gut. Auch am schlimmsten Tag findet man etwas. Es gibt vieles, was einen belastet, aber man findet immer etwas Gutes. Ich habe eine schwierige Zeit hinter mir, meine Frau ist im Frühling gestorben. Dennoch gibt es immer etwas Positives.
Sind Sie ein echter Oberthaler?
Ja, mein Grossvater zog ins Oberthal. 1935 wechselte er auf den Bauernbetrieb, auf dem ich aufgewachsen bin.
Im Dialekt sagt man «in Langenthal», aber «im Oberthal». Warum ist das so?
Ich weiss es nicht. Was mich aber stört ist, wenn geschrieben wird: «das Oberthal». Es ist wie bei Zäziwil. Es heisst, Zäziwil hat abgestimmt, genau gleich: Oberthal hat abgestimmt. Von Zäziwil aus gesehen sind wir das obere Tal. Deshalb wohl der Name.
Wie würden Sie Oberthal jemandem Fremdes erklären?
Es ist eine Streusiedlung, ein Zentrum fehlt, wir sind sehr ländlich geprägt.
Wie geht es der Gemeinde Oberthal?
Wir haben eine gesunde Finanzlage, uns geht es gut. Vieles lösen wir mit den Nachbargemeinden. Die Feuerwehr haben wir mit Grosshöchstetten fusioniert. Beim Sozialdienst und Zivilschutz arbeiten wir mit Konolfingen.
Ist eine Fusion kein Thema?
Nein. In meinen Anfängen war es ein Thema, es ging darum eine Gemeinde Kiesental aus der Taufe zu heben. Das scheiterte, weil es zu gross war.
Warum muss jede Gemeinde eine eigene Verwaltung, einen eigenen Gemeinderat haben?
Hier lösen wir die gemeindespezifischen Anliegen. Wenn wir mit einer grösseren Gemeinde fusionierten, dann hiesse dies beispielsweise, dass die Strassen hier oben nicht geteert werden müssen. Wir würden dann zum Hinterland, das wollen wir nicht. Solange wir noch Leute finden, machen wir weiter.
Oberthal ist nicht an den ÖV angeschlossen, ist das ein Problem?
Man muss ein Auto haben hier oben, das ist so. Wir hatten während 20 Jahren einen Bus Zäziwil-Grosshöchstetten-Oberthal. Der fuhr bis zur Käserei Häuslenbach und wurde wegen zu wenig Fahrgästen eingestellt. Die Oberthaler wussten sich schon vorher zu helfen. Als der Bus kam, war die Nutzung zu gering. Dennoch bleibt es ein Thema, auch wenn das Interesse gering ist.
Was haben Sie in den zwölf Jahren erreicht?
Ich bin nicht der, der befiehlt und der Gemeinderat muss ausführen. Ich sehe mich als Moderator. Nicht ich als Gemeindepräsident habe dies erreicht, sondern wir als Gemeinderat.
Was mich freut, ist, dass wir die Schule hierbehalten konnten. Früher war die Sekundarschule in Grosshöchstetten oder in Signau. Seit 2021 ist wieder alles hier. 80 Kinder besuchen hier den Kindergarten und die Schule. Das Schulhaus ist alt, aber wir sind immer am Sanieren. Letztes Jahr haben wir eine neue Schulküche eingebaut. An Spitzentagen wird für 60 Kinder gekocht.
Es gab mal eine Bürger-Initiative, die eine Solaranlage auf dem Turnhallendach wollte. Das haben wir gemacht, aber das haben heute fast alle.
Was wir nicht erreicht haben, wir kämpfen immer noch um den Möschberg West. Das ist eine Bauzone, für die immer noch keine rechtskräftige Überbauungsordnung vorliegt. Dort kommen wir nicht vorwärts, der Kanton blockiert, die Ämter widersprechen sich.
Wir kämpfen gegen Bevölkerungsschwund, die Leute hier zu halten ist schwierig. Es wäre manchmal einfacher, wenn man bestehende Gebäude einfacher ausbauen könnte. Aber auch hier stellt sich der Kanton oft quer.
Welches ist Ihr Lieblingsort in Oberthal?
Ein Ort, den ich bewusst gerne besuche, ist bei der Gemeindeverwaltung mit dem Ausblick Richtung Möschberg. Oder die Bergegg mit Sicht auf die Alpen.
[i] Oberthal oder wie man in der Region sagt, «Obertu» grenzt an Grosshöchstetten, Arni, Lauperswil, Signau, Bowil und Zäziwil. Die Gemeinde liegt auf einer Höhe um die 900 Meter über Meer. Der höchste Punkt ist die Blasenfluh mit 1118 Meter. Im Oberthal leben 750 Menschen.
Erstellt:
31.07.2023
Geändert: 31.07.2023
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