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Para Snowboard: Zu Besuch bei Aron Fahrni

Der Oberthaler Aron Fahrni, Para-Snowboard-Weltmeister, trainierte in der Lenk für den Weltcup in Finnland. Trotz seines lockeren Auftretens widmet er sich intensiv dem Training. Die Unterstützung seines Teams ist für ihn entscheidend, auch in persönlichen Herausforderungen. Trotz des vollen Terminkalenders findet er Ausgleich auf dem elterlichen Bauernhof.

Aron Fahrni in einem Element, dem Snowboarden. (Bild:zvg)
Aron Fahrni gibt seine Erfahrungen aus dem Leben mit einer körperlichen Einschränkung gerne weiter. (Bild;: zvg)
Auf der Piste spürt er keine Kälte, da überwiegt die Freude. (Bild: Simo Vilhunen)
Beim Snowboard Cross treten bis zu vier Fahrer gegeneinander an. (Bild: Simo Vilhunen)
Ein Teil der Strecke in Finnland, welche Aron Fahrni gefahren ist. (Bild: Simo Vilhunen)

Auf dem Weg in die Lenk liegt nicht viel Schnee. Die Berge sind zwar mehrheitlich weiss, dennoch kommt kein Wintergefühl auf. Einzig die wenigen Personen, die mit ihren Skiern und Snowboards von der Piste zurückkommen, weisen darauf hin, dass es sich eigentlich um ein Skigebiet handelt. Auch als Aron Fahrni in der Hotel-Lobby eintrifft, wirkt er im T-Shirt nicht gerade wie ein Schneesportler. Ob der Weltmeister im Para-Snowboard auch im T-Shirt trainiert? Oder doch eher ein «Gfrörli» ist? Er verrät es im Gespräch mit BERN-OST.

 

Ich treffe Aron Fahrni, der an der Para-WM im März 2023 in Spanien Gold und Silber im Snowboard gewann, in der Lenk im Trainingscamp. Dort trainiert der 25-Jährige für den Weltcup in Finnland, der aktuell stattfindet. Und ich wundere mich kurz: Im Café des Hotels bestellt sich der Sportler nicht etwa ein Wasser, sondern einen Apfelpunsch, passend zur Jahreszeit.

 

Vom Gletscher zum Betelberg

Sein Training hat Fahrni allerdings schon vor Monaten begonnen: «Nach der letzten Saison ging es direkt in die Sport-RS bis im August. Dort haben wir täglich trainiert.» Bereits im September ging dann das Training auf dem Schnee los. «Ich konnte mit dem B-Kader von SwissSnowboard mittrainieren, das war sehr cool », erinnert sich Fahrni. Anschliessend hätten sie auf verschiedenen Gletschern trainiert, bis es genügend Schnee hatte, um in der Lenk weiterzufahren. Dort ist die Trainingsbasis des Swiss Para-Snowboard-Team. «Wir können auf dem Betelberg Snowboard Cross trainieren und sind gut vernetzt.»

 

Zurück zur Leidenschaft

Man merkt Fahrni kaum an, dass er Para-Sportler ist. Er kommt locker daher – ein cooler junger Snowboarder eben. Nur seinen linken Arm kann er eingeschränkt bewegen. Der Vorfall ereignete sich binnen Minuten, als er sechs Jahre alt war und im Skilift steckenblieb. Obwohl er ohne offene Wunde auf der gegenüberliegenden Seite der Umkehrrolle befreit wurde, waren sämtliche Nerven im linken Arm zerrissen, drei davon bis zum Rückenmark. Zwei wurden erfolgreich mit Nerven aus dem Bein ersetzt, während ein Adduktoren-Muskel als Bizeps eingepflanzt wurde. Das alles vergisst man allerdings völlig, wenn man ihm zuhört, wie begeistert er von seinem Training erzählt.

 

Klarer Favorit unter den verschiedenen Abfahrten

Beim «Snowboard Cross», erklärt er beispielsweise, fahren vier Sportler gleichzeitig über einen Hindernisparcours. Und beim «Dual Banked Slalom» werde ein Parallelslalom gefahren, bei dem alle Kurven als Steilwandkurven angelegt sind. «Ich fahre lieber Cross», erklärt Fahrni vergnügt. Die Strecke sei vielfältiger und man könne vieles nicht beeinflussen: «Wenn ein anderer Teilnehmer einen Fehler macht oder genau dorthin fährt, wo ich möchte, muss ich mich anpassen. Das heisst, ich habe die Leistung nicht komplett nur in meinen Händen.»

 

Trainiert wird immer

Dank den drei neuen holländischen Teamkolleg:innen kann er dies besser trainieren, denn mit ihnen befinden sich nun sieben Athlet:innen im Camp. Leider spielte in der Camp-Woche das Wetter nicht mit, so dass das Team oft nicht auf den Schnee konnte und im Fitnessraum trainieren musste. «Normalerweise stehen wir auf, machen ein Aktivierungstraining und gehen dann Frühstücken», schildert Fahrni einen Trainingstag. Danach gehe es ab auf die Piste. «Ausser einem kurzen Mittagessen trainieren wir bis am Abend verschiedene Abläufe.» Dies könne ein Starttraining sein, bei welchem er nur die ersten paar Meter fährt und dann gleich wieder hinaufläuft. Immer wieder. Oder am ersten Tag hätten sie ein Sprungtraining absolviert. «Allerdings nur, bis es so stark windete, dass ich kaum mehr über den Sprung hinauskam!».

 

Abends kehrt das Team jeweils ins Hotel zurück: «Wir müssen das Material versorgen und gehen teilweise noch ins Fitness-Studio für ein regeneratives Training.» Bei einem gemeinsamen Abendessen ist etwas Entspannung angesagt, bevor eine Sitzung für den nächsten Tag wieder ihre Konzentration fordert. Manchmal trifft sich der Trainier noch mit dem einen oder der anderen zu einer separaten Besprechung mit Video-Analysen. Am Abend sind sie dann oft unter sich und unterhalten sich - aber selten lange, weil sie genügend Schlaf benötigen, um für den nächsten Tag fit zu sein.

 

Das Team besteht auch neben der Piste

Sei es im Training oder neben der Piste, im Team versteht man sich untereinander sehr gut. Das merken auch Aussenstehende sofort: Die Stimmung ist locker und entspannt. Wäre dem nicht so, hätte Aron Fahrni selbst gar nicht mit diesem Sport angefangen. Alle hätten ihren eigenen Charakter, alle könnten so sein, wie sie sind, sagt er. «Allerdings haben wir alle die ähnlichen Werte im Umgang miteinander. Dies ist mir sehr wichtig.»

 

Im Team, sagt Fahrni, trage man einander auch durch gute und schlechte Zeiten hindurch. Tatsächlich: Kurz darauf treffen die anderen ein, und ein Teamkollege erhält einen Anruf von einem Familienmitglied im Spital. Sofort ist die Anspannung des restlichen Teams spürbar, alle fühlen mit. «Wir freuen uns aber auch miteinander», sagt Fahrni. Beispielsweise gerade an diesem Morgen: «Wir erfuhren, dass ein Mitglied ein Kind erwartet - und das fühlte sich sofort so an, als würde das Team Nachwuchs erhalten.»

 

All dies helfe den Athlet:innen auch im Training und bei Rennen: «Diese Gelassenheit im Team hilft uns, dass wir optimal trainieren und unsere Leistung bei den Rennen abrufen können.» Das Team sei eigentlich ihre grösste Stärke. «Nur dadurch konnten wir in so kurzer Zeit so weit kommen.» Der plötzliche Erfolg änderte jedoch auch seine privaten Pläne, und deshalb muss auch sein Berufswunsch zuerst einmal warten.

 

Das Klassenzimmer muss warten

Eigentlich wollte Fahrni Sportlehrer an einem Gymnasium werden. Letztes Jahr schloss er mit dem Bachelor in Sportwissenschaft ab, doch weiter geht es vorerst noch nicht. «Ich möchte das, was ich mache, richtig machen, somit bin ich momentan 100 Prozent Sportler. Ich würde momentan nur weiterstudieren, wenn es sich problemlos mit der Karriere vereinen liesse», sagt er klar. Inzwischen wäre das wieder machbar, aber er ist sich noch nicht sicher, ob er dies überhaupt noch möchte. «Deshalb ist das Studium weiterhin auf Eis gelegt.»

 

Noch vor fast einem Jahr bezeichnete er sich selbst in einem Interview mit BERN-OST nicht als Profisportler. Jetzt sieht es anders aus. «Da alle Aufgaben rund ums Snowboarden so viel Zeit beanspruchen, habe ich kaum mehr Zeit für etwas anderes», sagt Fahrni und lacht. «Somit bin ich nun wohl doch Profisportler.»

 

«Das Reisen mit so viel Gepäck mag ich nicht»

Im letzten Jahr hat er in verschiedenen Bereichen viel dazugelernt: «Wenn ich nicht am Trainieren bin, habe ich viele weitere Aufgaben, die auf mich warten: Medienarbeit, Planung und Organisation, Finanzierung, Fotoshooting und vieles mehr.» Als er mit dem Snowboarden begonnen habe, sei ihm gar nicht bewusst gewesen, wie vielfältig eine Karriere als Profisportler sein würde. «Oft muss ich mich selbst an der Nase nehmen, wenn ich etwas planen muss. Da es ständig Änderungen gibt, ist dies sehr schwierig und dadurch für mich eher ein mühsamer Teil des Jobs.»

 

Weil jede Woche etwas anders aussehe, sei das definitiv kein Job von 9 bis 5 Uhr, erklärt Fahrni. Und, wenn er ehrlich ist, gefällt dem Sportler auch nicht alles daran: «Wenn ich eine meiner Aufgaben löschen könnte, wäre es das Reisen mit so viel Gepäck», sagt er freimütig. Mehrere Snowboards, Bindungen, Schuhe und noch vieles mehr – das zu packen und zu schleppen, sei sehr anstrengend. Fahrni lacht. «Ich habe immer zu viel Gewicht dabei.»

 

Zuhause bei der Familie

Während er sich unterwegs erholt, indem er ins Fitness-Studio geht, liest oder Musik hört, sieht dies in seinem Zuhause in Oberthal ganz anders aus. Oft verbringt Fahrni nur einzelne Tage zu Hause auf dem elterlichen Bauernhof. Aber diese Tage geniesst er umso mehr: «Ich finde jede Herausforderung spannend, und auf dem Hof gibt es immer etwas zu tun.» Im Winter jedoch -  und das klingt überraschend von einem Profisnowboarder - macht er lieber etwas an der Wärme: «Ich mag es nicht, draussen in der Kälte zu arbeiten.» Im Sommer hingegen ist er oft draussen anzutreffen: «Dann mache ich gerne etwas Handwerkliches zum Beispiel mit Holz.»

 

«Beim Snowboarden vergesse ich vor lauter Freude die Kälte»

Was also macht ein Snowboarder, der nicht gern kalt hat? Zieht er besonders warme Kleider an? Fahrni lacht. «Beim Snowboarden vergesse ich vor lauter Freude die Kälte.» Nur am linken Arm sei die Durchblutung nicht gut, weshalb er dort oft kalt habe.

 

Wichtig sei vor allem, dass nirgendwo ein Stück Haut hervorschaue. «Für nach Finnland habe ich mir soeben noch Heizsocken gekauft.» Als Fahrni das letzte Mal in Finnland war und abends ein Restaurant suchen musste, habe er nämlich geglaubt, ihm würden die Füsse abfrieren. «Ja, ich habe mir eindeutig den falschen Job ausgesucht», scherzt er. «Aber ich mache ihn halt trotzdem sehr gerne.»

 

Der perfekte Hausmann?

In seiner Freizeit findet man Fahrni hingegen eher in der warmen Küche: Er kocht und bäckt gerne. «Ausserdem mache ich gerne den Haushalt.» Er lacht über verblüffte Reaktionen und erklärt: «Ja, beim Staubsaugen oder Putzen kann ich den Kopf ausschalten, mache aber trotzdem etwas Sinnvolles.»

 

Ob beim Haushalten oder Lesen, Aron Fahrni schätzt sein Zuhause: «Wenn ich viel unterwegs war und nach Hause komme, ist es schön, dass immer jemand da ist», sagt er. «Ich finde es megaschön und herzberührend, dass drei Generationen auf dem Hof so zusammenleben und arbeiten und miteinander auskommen.»

 

[i] Beim ersten Rennen in Pyhä, Finnland wurde Aron Fahrni durch einen Sturz Vierter. Das zweite Rennen konnte er durch einen Sturz der Mitstreiter für sich entscheiden. Dies trotz Minus 20 Grad und Frostbeule an der Nase. Herzlichen Glückwunsch!


Autor:in
Pascale Groschel, pascale.groschel@bern-ost.ch
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Erstellt: 10.02.2024
Geändert: 10.02.2024
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