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Biglen - Die Globalisierung trifft das Dorf

Quelle
Berner Zeitung BZ

Die Bigla stellt ihre Möbelproduktion im Dorf ein. Ein langes Kapitel der Ortsgeschichte wird geschlossen. Was macht das mit Biglen?

Biglen verliert mit der Schliessung der Möbelfabrik ein Stück seiner Identität. (Bild: Raphael Moser, BZ)

Gut einen Monat ist es her, dass das Traditionsunternehmen das Ende einer Ära verkündete: Die Bigla stellt die Möbelproduktion in Biglen ein. Nüchtern betrachtet ist es die logische Folge eines Überlebenskampfes. Aber da ist auch dieses Gefühl. Biglen verliert etwas. Ein Stück Identität.

 

Die Möbelherstellerin war Branchenleaderin und eine der ganz grossen Arbeitgeberinnen in der Region. Beides ist sie heute nicht mehr. Einst beschäftigte das Unternehmen über 400 Mitarbeitende, künftig werden es noch 50 sein. Der Abstieg, er begann vor Jahren. Von da an ging es stetig in eine Richtung. Abwärts. Darum produziert man künftig nicht mehr in Biglen, sondern lässt in Huttwil anfertigen. Darum geht die Bürosparte der Bigla an die Novex über, wird sie Teil eines anderen Unternehmens. Geschluckt.

 

Familien gegen Konzerne

Was macht das mit Biglen? Es gibt darauf harte Antworten: Im Ort verschwinden Arbeitsplätze; rund 50 Mitarbeitende der Bigla sind betroffen. Weil der Markt brutaler geworden ist, internationaler, und die Marge kleiner. Die Menschen kaufen ihre Tische, Betten, Sofalandschaften bei skandinavischen Grosskonzernen. Und im Netz. Der Verkauf und der Umzug nach Huttwil sind so gesehen eigentlich aussergewöhnlich. Die Bigla tritt ihre Möbelsparte nicht an einen gesichtslosen Riesen ab, sondern an ein Familienunternehmen. Gemeinsam, so die Hoffnung, sei man besser aufgestellt, um gegen die scheinbar übermächtige Konkurrenz zu bestehen.

 

Und dann gibt es weichere Faktoren. Nostalgie, etwas Melancholie – ein Eindruck davon, wie es sich anfühlt, wenn globale Entwicklungen plötzlich das Leben vor der eigenen Haustür verändern.

 

"Nicht toll"

Eduard Bähler ist CEO der Bigla Office AG – und der Care AG, der anderen Bigla-Schwester, die nicht verkauft wurde. Das Ende der Möbelfabrik, es trifft auch ihn. Auch er weiss, wie einige seiner Mitarbeitenden, nicht genau, wo und für wen er in einem Jahr arbeiten wird. Für 30 Angestellte sollen Arbeitsplätze in Huttwil entstehen. Der Rest wird sich anderweitig umschauen müssen.

 

«Natürlich ist die Situation nicht toll», sagt Bähler. Aber er beteuert, dass die Besitzerfamilie Bösch nicht einfach den Profit vor Augen hatte. «Es gab keine andere Lösung als den Verkauf.» Man arbeite täglich daran, allen Betroffenen eine möglichst faire Lösung anzubieten. Den Büromarkt, wie er ihn nennt, könne er nicht drehen. Und: «Natürlich ist das belastend.»

 

Bedauern äussert auch der Gemeindepräsident. Peter Habegger (FDP) ist selbst als Unternehmer tätig und sagt: «Es gehört zur unternehmerischen Verantwortung, stets zu fragen: Wie weiter?» Nun gehe es bei der Bigla eben nicht mehr wie bis anhin. Es sei wichtig, die Sache so sozialverträglich wie möglich abzuwickeln. «Aber ich bin sicher, dass hier die Bigla ihre Verantwortung wahrnimmt.»

 

Und dann ist da noch etwas anderes: «Auf einmal erschrecken alle, wenn es mal nicht nur das kleine Lädeli im Dorf trifft», so Habegger. Seiner Stimme entnimmt man Kritik. Und die richtet sich nicht an das Unternehmen. Ihm müsse niemand kommen, wenn das Kind längst mit dem Bade ausgeschüttet sei. «Viele, vermutlich auch Grossunternehmen, kaufen ihre Möbel beim Billiganbieter oder im Ausland ein.» Wenn ein lokales KMU darob unter Druck gerate, habe er Verständnis dafür, wenn es sich der neuen Situation anpassen müsse.

 

Habegger wird sein Amt per Ende Jahr abgeben und nicht mehr Präsident der Gemeinde sein. Er hat miterlebt, wie die Poststelle in eine Agentur umgewandelt wurde und der Bahnschalter geschlossen – wenn die Bigla nun nicht mehr vor Ort produziert, ist das nur ein weiteres Symptom von etwas Grösserem.

 

Man kann es Globalisierung nennen – oder den Lauf der Dinge. Beide machen sie keinen Halt vor dem Ort.

 

Die neue Kulturfabrik

Die neue Besitzerin hat sehr klare Vorstellungen davon, wo der Brand Bigla künftig draufsteht – und wo nicht. Die Kulturfabrik Bigla ist seit zehn Jahren in den alten Fabrikhallen eingemietet. Im Zuge des Verkaufs wird der Markenname nun vom Kulturbetrieb getrennt.

 

Die Institution blickt ihrerseits auf bewegte Jahre zurück. Das Konzept entstand einst während einer Zugfahrt von Bern nach Lyss. So erzählt es Peter Leu, der die Idee auf der Fahrt entwickelt hatte und bis heute der Mann hinter der Kulturfabrik ist. Leu stellt das Programm zusammen, sitzt an der Abendkasse, macht die Technik. Angefangen hat es mit Bildern von Dürrenmatt, die Leu in den alten Hallen ausstellen liess. In dieser «abgefuckten» Fabrik, wie er selbst sagt, sei er schon als Bub oft gewesen.

 

Kultur in der Bigla, das liess sich gut an. So gut, dass Leu von Fritz Bösch, dem Patron und Bigla-Eigentümer, eingeladen wurde, nach Lyss. Leu stellte seine Pläne vor und reiste mit einer Zusage ab. Den roten Teppich habe man ihm ausgerollt, sagt Leu heute. So simpel die Kulturfabrik entstand, so kompliziert gestaltete sich die Sache danach. Leu: «Den Teppich zu pflegen, das git z tüe!» Mehrfach stand das Kulturhausvor dem Aus. Mal ging es um Zuständigkeiten, mal um die Strukturen. Und immer auch ums Geld.

 

«Ich habe den Betrieb immer auch als Marketinginstrument der Bigla betrachtet», sagt Peter Leu. Das Unternehmen habe es schlicht zu wenig genutzt. Die letzten Monate seien für alle «eklig» gewesen und «diffus».

 

Weil niemand genau zu wissen schien, ob die Bigla nebst der Möbelherstellung auch Teile der Liegenschaften abstösst. Anders gesagt: ob die Kulturfabrik plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf hat. So weit kam es nicht. Die Mietverträge laufen weiter.

 

Was bleibt?

Auf die aktuelle, elfte Saison hin wurde die Kulturfabrik neu aufgestellt. Ein Trägerverein zeichnet sich nun für den Betrieb zuständig. Leu glaubt an die Idee. Ab Juni 2020 wird der Betrieb Kulturfabrik Biglen heissen.

 

Die Bigla verschwindet nicht ganz aus Biglen. Sie verkauft hier weiterhin Möbel, auch die Administration bleibt im Dorf. Die markanten Gebäude am Bahnhof bleiben erhalten. Sowie die Marke – dieneuen Besitzerwollen den Brand sogar stärken.

 

Der Name also bleibt. Und mit ihm die Erinnerung an eine andere Zeit. Immerhin.


Autor:in
Cedric Fröhlich, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 16.10.2019
Geändert: 16.10.2019
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