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Bike-Spirit Inhaber Jürgen Jurasch - "Einisch geit d'Ära z'Änd"

Begonnen hat er vor 45 Jahren im Geschäft des Schwiegervaters. Seit rund drei Jahrzehnten führt er dieses selbst, jedoch nur noch für kurze Zeit. Mit der Pensionierung von Jürgen Jurasch (66) schliesst auch der Bike-Spirit Münsingen – und die eine oder andere Tradition endet.

"Anfangen ist einfacher als Aufhören": Jürgen Jurasch in seiner Velowerkstatt. Bis Ende Februar will er diese geräumt haben. (Bilder: Eva Tschannen)
Fein säuberlich sortiert: In den Schubladen der Werkstatt finden sich Schrauben und Ersatzteile für fast jedes Velo-Modell.
Die Tanksäule für Mofas steht normalerweise vor dem Geschäft.
Die Profile stehen bereits, Baustart ist voraussichtlich im Frühling.

Die Profile stehen bereits. Wo aktuell noch in einem kleineren Gebäude hinter einem Schaufenster Velos stehen und sich wenige Meter weiter hinten der Eingang zur Werkstatt befindet, wird in wenigen Monaten erst abgerissen und dann gebaut. Geplant sind zwei miteinander verbundene Mehrfamilienhäuser, eines an der Stelle des jetzigen Velogeschäfts, ein zweites auf dem Nachbargrundstück. «Nächsten Frühling soll es losgehen», sagt Jürgen Jurasch.

 

Noch bis Ende Oktober nimmt Jurasch Reparaturaufträge entgegen. Anschliessend nimmt er sich vier Monate Zeit, um Werkzeuge, Ersatzteile und Inneneinrichtung zu verkaufen. Viele Kunden möchten ihr Fahrrad jedoch noch vor der Schliessung vorbeibringen. «Jeden Tag klingelt das Telefon mehrfach», verrät der Geschäftsinhaber und ergänzt mit einem Schmunzeln. «Eigentlich wollte ich doch weniger und nicht mehr arbeiten.»

 

Ruhige Winter, arbeitsintensive Sommer

Während es im Winter oftmals ruhiger war und Zeit für einen Kaffee mit Kunden blieb, stand Jurasch im Frühling und Sommer meist 13 bis 14 Stunden in der Werkstatt. «Wenn meine Kollegen von einer Velotour zurückkamen, war ich meist erst fertig mit der Arbeit», sagt er. Dennoch habe ihm die Arbeit stets Freude gemacht und auch die Rückmeldungen seien immer gut gewesen. «Die Kunden waren immer zufrieden», freut er sich und fügt lachend an: «Das war auch mein Ziel, schliesslich will ich sie im Dorf noch grüssen können.»

 

Die immer kleiner werdende Marge habe jedoch auch er gespürt. Und während zu Spitzenzeiten im Bike-Spirit rund 150 Velos pro Saison verkauft wurden, ging der Verkauf laufend zurück. «Für kleine Geschäfte ist der Neuverkauf schwierig geworden», sagt Jurasch. Im Vergleich zu früher seien vor allem Fahrräder von Importeuren auf dem Markt und bereits im August würden die Modelle für die kommende Saison publik. «Was früher zu langsam ging, geht heute zu schnell. Zudem fahren die Kunden für ein Fahrrad im halben Kanton herum.»

 

Leidenschaft fürs Handwerk

Trotz zunehmend schwieriger Bedingungen wirkt Jürgen Jurasch alles andere als verbittert. Im Gegenteil, spricht er von seinem Handwerk, ist die Leidenschaft dafür deutlich spürbar. Etwa, wenn er die Arbeitsschritte aufzählt, die er vornimmt, wenn ein neues Modell hereinkommt, das maschinell zusammengebaut wurde. «Bei mir verlässt kein Velo die Werkstatt, ohne dass ich noch mindestens eine halbe Stunde daran gearbeitet habe», hebt er den Vorteil der kleineren Betriebe hervor.

 

Ein weiterer Vorteil sind der grosse Fundus an Schrauben und Ersatzteilen, auf die er für die Reparatur von 3-Gängern und antiken Mofas zurückgreifen kann. «Es wird immer schwieriger, alte Sachen flicken zu lassen», sagt Jurasch. Umso mehr würde er sich freuen, wenn ein junger Mechaniker das Inventar und all die Spezialwerkzeuge übernehmen würde. Ein entsprechendes Inserat ist in einer Fachzeitschrift und auf BERN-OST publiziert.

 

«Mit öiem Benzin rouchnets nid»

Mit der Schliessung von Bike-Spirit verschwindet mit der letzten manuellen Mofa-Tanksäule in der näheren Umgebung von Münsingen eine weitere Tradition. Regelmässig lief Jurasch dafür zur nächstgelegenen Tankstelle um einige Liter Benzin zu holen und diese anschliessend zu mischen. «Mit öiem Benzin rouchnets nid», habe jeweils einer der Bauern gesagt, der seine Motorwerkzeuge damit tankte, erinnert sich Jurasch.

 

Fällt es ihm denn nicht schwer, dies alles hinter sich zu lassen? «Den Kundenkontakt werde ich vermissen - aber: Einisch geit d’Ärä z’Änd», sagt er. Langweilig werde es ihm jedoch nicht. Gemeinsam mit seiner Ehefrau will sich Jurasch vermehrt bei der Organisation 50plus engagieren und sich Zeit für Velotouren nehmen.  

 

Und ob die Ära dann effektiv ganz zu Ende ist, wird sich zeigen. Bereits haben Branchen-Kollegen angefragt, ob Jurasch bei Bedarf in ihrer Werkstatt aushelfen wird.


Autor:in
Eva Tschannen, eva.tschannen@bern-ost.ch
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Erstellt: 06.10.2018
Geändert: 06.10.2018
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