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Bolligen - Kiener Nellen gerät wegen Steueraffäre partei- und gewerkschaftsintern in Kritik
Plötzlich schlechte Karten für eine erneute Nationalratskandidatur? Die kantonale SP zog es vor, Kiener Nellen nicht zum Streitgespräch über die Pauschalsteuer zu schicken.
Sie hat nichts Illegales getan. Und doch gerät Margret Kiener Nellen auch in ihrer eigenen Szene unter Druck. SP- und Gewerkschaftskreise haben offenkundig wenig Freude an den kürzlich durch die «Weltwoche» bekannt gewordenen Steueroptimierungsgeschäfte ihrer Nationalrätin. Unter anderem versteuerte sie 2011 kein steuerbares Einkommen, weil ihr Mann sich in die Pensionskasse eingekauft hatte (Der «Bund» berichtete).
Zwar hat Kiener Nellen rasch reagiert, ihre Steuerangelegenheiten transparent gemacht und Fehler eingestanden. Dass es aber ausgerechnet sie betraf, die sich vehement gegen sämtliche Steueroptimierungsfälle einsetzt, Bundesräte diesbezüglich frontal angreift und landauf, landab pauschalbesteuerte, reiche Ausländer an den Pranger stellt, machte die SP stutzig. Und zwar derart, dass die Partei letzte Woche ein bei der SP-Sektion Schüpfen lange eingefädeltes Streitgespräch zur Pauschalsteuer zwischen Kiener Nellen und SVP-Grossrat Lars Guggisberg kurzerhand umstellte. Statt Kiener Nellen schickte die SP Grossrat Roland Näf an den Anlass. Die Schweiz stimmt am 30. November über die Abschaffung der Pauschalsteuer ab.
Pardini pocht auf Glaubwürdigkeit
Ursula Marti, Präsidentin der SP Kanton Bern, bestätigt den Sachverhalt, den die «NZZ am Sonntag» vermeldet hat: «Wir haben das mit Frau Kiener Nellen besprochen. Wir wollten das Beste für die Abstimmung, dass über das Thema diskutiert wird und nicht über die Person Kiener Nellen.» Marti bezeichnet das als «normalen, professionellen» Entscheid. Zur Sache sagt sie: «Wir finden den grossen Steuerabzug nicht gut, aber Frau Kiener Nellen hat den Fehler eingeräumt und alle Angaben offengelegt.»
Unmut herrscht auch in Gewerkschaftskreisen. SP-Nationalrat Corrado Pardini, Präsident des Gewerkschaftsbundes Kanton Bern, sagt: «SP und die Gewerkschaften sind dann glaubwürdig, wenn ihre Forderungen mit dem Verhalten ihrer Exponentinnen und Exponenten übereinstimmen. Wir fordern Steuergerechtigkeit, die aber von den bürgerlichen Parteien seit Jahren ausgehöhlt wird. Mit Respekt nehme ich zur Kenntnis, dass Margret Kiener Nellen ihre Steuererklärung 2011 als politischen Fehler betrachtet.» SP-Grossrätin Béatrice Stucki, Präsidentin des Gewerkschaftsbundes Stadt Bern und Umgebung, sieht es ähnlich: «Das ist aus Sicht der Gewerkschaften sehr unangenehm, egal ob es rechtlich korrekt war oder nicht.» Gerade bei der arbeitenden Bevölkerung führe das zu Unverständnis. Sie, Stucki, bedaure die Sache sehr.
Blaise Kropf, Präsident der Grünen Kanton Bern und ebenso Gewerkschaftssekretär, findet: «Kampagnentechnisch ist es schwierig, wenn das Aushängeschild der SP mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist.» Zwar sei die Geschichte nicht ehrenrührig, aber es zeuge von mangelnder Sensibilität.
Neue Nomination ist «offen»
Was bedeutet die Kontroverse nun für Kiener Nellens politische Zukunft? Gerät ihre Nomination für eine erneute Nationalratskandidatur ins Abseits? Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass Kiener Nellen in die Schlagzeilen gerät. 2006 musste die Präsidentin des Berner Mietverbandes zurücktreten, weil sie Mietern gesetzeswidrig zu hohe Kosten verrechnet hatte. 2008 wurde sie als Gemeindepräsidentin von Bolligen nicht wiedergewählt. Wird die Politikerin einer Partei, die wie keine andere die Steuerpolitik der Schweiz geisselt, zur Hypothek? Die SP- und Gewerkschaftsexponenten geben sich zurückhaltend. Ob Kiener Nellen glaubwürdig wirkt, darüber will SP-Chefin Marti nicht spekulieren. Die SP habe noch «andere Politiker», die sich für das Thema einsetzten.
Die Frage zum Nationalratsmandat lässt Marti offen: «Kiener Nellen hat einen grossen Leistungsausweis. Ob sie wieder kandidieren will, muss sie selber entscheiden.» Auch Stucki vom Gewerkschaftsbund lässt die Frage offen. Bisher habe man keinen Grund gehabt, nicht mehr hinter Kiener Nellens erneuten Kandidatur zu stehen. Auch ein reicher Mensch könne sich ja für jene einsetzen, denen es nicht gut gehe im Leben. Wie es weitergehe, sei aber offen.
Kiener Nellen selbst möchte dazu nichts mehr sagen. Sie habe volle Transparenz geschaffen wie kaum jemand anders. Für sie sei daher alles gesagt. Die Frage, ob sie wieder kandidieren will, beantwortet die SP-Frau nicht.
Erstellt:
18.11.2014
Geändert: 18.11.2014
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