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Bowil - "Meine Leinwand steht da, wo ich nicht zu Hause bin"
Der Künstler Martin Koller lebt seit 20 Jahren in Bowil. Seine innere Zerrissenheit zu diesem Dorf ist ein Nährboden für seine Inspiration.
In der Wohnküche des alten Bauernstöcklis riecht es angenehm nach Feuer und Farbe. «Ich habe ein paar Bilder zum Trocknen mitgenommen», sagt Martin Koller fast entschuldigend. «Im eigentlichen Atelier im unteren Geschoss ist es einfach zu kalt dafür.» Der Künstler stammt aus einer Bauernfamilie, der Vater ein menschenscheuer Ostschweizer und die Mutter aus Bern. «Wir lebten wie Einsiedler, zurückgezogen im Emmental. Bis heute meide ich die Leute, ich lebe fast abgeschirmt.»
Innere Zerreissprobe
Innere Zerreissprobe
Koller hat nie irgendwo dazugehört, ein Fremdkörper. Aber gerade diese schwierigen Lebensumstände, das Unverstandensein und alleine sein mit der eigenen Gedankenwelt bilden das Vakuum, aus dem der Maler seine Ideen schöpft. Mit 13 Jahren verliess der Maler und Eisenplastiker das Elternhaus und war von da an auf sich gestellt. Nach einer Lehre als Flachmaler führte Koller drei Jahre lang einen eigenen Betreib. «Die Wände weiss zu lassen, das war eine Qual für mich.»
Der Bowiler Künstler besuchte viele Kurse an der Kunstgewerbeschule Bern. Dabei ging es ihm nicht um Diplome; die meisten Kurse führte er nicht zu Ende. «Sobald ich das gelernt hatte, was ich wollte, beendete ich den Lehrgang. Ich lasse im Leben immer etwas offen.» Eigentümlich ist auch die Beziehung, die Koller zu seinem Wohnort hat. Eigentlich wollte er nie in Bowil wohnen, und zu Beginn war das Misstrauen der Bewohner gross. «Die Leute waren sehr skeptisch und wussten nichts mit mir anzufangen. Gerade diese schwierige Situation, dieses Nichtpassen war der Auslöser, dass ich blieb.» Mittlerweile haben sich die Leute an ihn gewöhnt, und vor allem die jüngeren interessieren sich für sein Schaffen.
Nötige Widersprüche
Nötige Widersprüche
Die Schweiz ist ein hartes Pflaster, um von der Kunst leben zu können, darum wagen viele den Schritt ins Ausland. Martin Koller macht diesen Schritt bewusst nicht. «Mich interessiert dieser Widerspruch, dieser Raum zwischen Stuhl und Bank. Nur unter schwierigen Umständen kann ich kreativ sein», erklärt er. Der alte Holzstuhl knarrt leise, als der Maler aufsteht, um ein Holzscheit in den Ofen zu legen. Koller sieht sich eigentlich mehr als Bauer denn als Künstler. Wie ein Bauer sein Feld bestellt und güllt, bringt auch der Maler die Gülle aus, in Worten oder auf seinen Bildern.
Nicht nur das Schöne
«Ich kann nicht einfach nur Schönes sagen oder malen, mich fasziniert das, was dazwischen liegt.» Deshalb nimmt er keine Aufträge an. Die Bilder kommen zu ihm, nicht er zu den Bildern. Seine farbigen, detaillierten Bilder stehen im krassen Gegensatz zu den schweren Erfahrungen, die der 53-Jährige gemacht hat: «Ich kann nur so farbig malen, weil ich ein düsteres Schicksal habe.»
Die aktuelle Ausstellung von Martin Koller «Meine Gedankenwelt ist eine Zerreissprobe« kann bis Ende Februar im Gemeindehaus Konolfingen besucht werden.
Autor:in
Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
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Erstellt:
09.01.2014
Geändert: 09.01.2014
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