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Boxen: Wie im Film

Quelle
Berner Zeitung BZ

Andri Beiner widerlegt Klischees. Der 16-jährige Münsinger ist ein sehr talentierter Boxer, daneben besucht er in Bern das Gymnasium. Am 26. Dezember ist er am Boxing Day zu sehen.

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Zwischen Schule und Sport: Andri Beiner hat als Boxer grosse Ambitionen und besucht die Sportklasse am Gymnasium Neufeld. (Bild: Andreas Blatter)

Andri Beiner hat alle «Rocky»-Filme gesehen. Mehrmals sogar, und irgendwann reifte in ihm der Entschluss, ein Boxtraining zu besuchen. «Ich wollte diese Emotionen erleben. Im Ring wirst du ein anderer Mensch», sagt der 16-Jährige. Die Realität hatte mit den Filmen nicht viel gemein, aber Beiner war sofort begeistert von der Sportart. «Ich realisierte rasch, dass die Klischees übers Boxen nicht stimmen. Boxen ist nicht sinnloses Dreinschlagen.»

Bis sich ein Boxer im Ring beweisen darf, muss er technisch und taktisch geschult werden. «Es ist harte Arbeit», erklärt der Münsinger. «Mein erster richtiger Kampf war Belohnung für alle Strapazen.» Beiner spielte bis zu den C-Junioren beim FC Münsingen Fussball, war aber sehr polysportiv und brachte fürs Boxen viel Talent mit. Christina Nigg, die ehemalige Weltmeisterin und Trainerin des Boxteams Berner Oberland, war auf Anhieb begeistert von Andri Beiner: «Es kommt zwar ab und zu vor, dass ein talentierter Kämpfer auftaucht. Bei Andri aber stimmt einfach alles.» Er bringe die körperlichen Voraussetzungen mit, sei zielorientiert – und auch das familiäre Umfeld stimme. Kurz: Es lohnt sich, beim jungen Athleten langfristig zu planen.

Erster Boxer am Sportgymer

Nebst der Sportkarriere wurde im Hause Beiner auch die berufliche Laufbahn vorgespurt. Seit dem Sommer besucht Andri Beiner das Sportgymnasium Neufeld in Bern. «Er ist der erste Boxer in unseren Sportklassen», sagt der Talentförderungsleiter Heinz Gmür. «Natürlich gab es gegenüber der Kampfsportart Vorbehalte, aber nach den Aufnahmegesprächen war ich überzeugt, dass es passt.»

Beiner geht halbtags zur Schule, die «Freizeit» wird zum individuellen Training genutzt. In der Sportklasse hat es Eishockeyspieler, Fussballer, Volleyballer, Schwimmer – Beiner ist der Exot. Er schmunzelt und erzählt, dass die Klassenkolleginnen und -kollegen etwas gestaunt hätten. «Sie haben wohl einen Brocken mit Kurzhaarfrisur erwartet.» Im Schulzimmer erschien jedoch ein filigraner junger Mann mit Brille. Beiner ist 180 Zentimeter gross und 64 Kilogramm schwer. Eigentlich sieht er aus, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun.

Im Ring aber wird Beiner zu einem anderen Menschen. «Das Gefühl ist unglaublich», verrät er. Vor dem Kampf sei man angespannt, nervös. Er versuche jeweils, den bevorstehenden Kampf zu visualisieren. «Sobald du aber im Ring stehst, bist du wie in einem Film.» Einen Kampf zu gewinnen, sei ein einmaliges, kaum beschreibbares Gefühl. Beiner hat oft gewonnen. In der Schweiz gehen ihm die Gegner aus. Aber auch international kann er sich behaupten. Den österreichischen Staatsmeister hat er bezwungen, starke französische und deutsche Kämpfer ebenso. Ende September wurde er in Chemnitz an einem grossen Juniorenturnier Zweiter.

Ziel Olympia 2020

Die Karriereplanung im Boxen ist schwierig. Vom Verband gibt es kaum Unterstützung. Man wird zum Einzelkämpfer, muss sich auf eigene Faust an internationalen Meetings in Europa durchboxen. Christina Nigg legt dennoch Wert auf langfristige Planung. Das Fernziel soll die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 sein. «Olympia ist auch für Boxer der grosse Traum», sagt Beiner und meint damit mehr den Gewinn der Goldmedaille als die blosse Teilnahme. Denn: «Jeder Sportler muss Träume haben und diese verfolgen.»

Für das nächste Jahr sind Wettkämpfe in Paris und London geplant. Das letzte Mal, als Schweizer Boxer an Olympischen Spielen dabei waren, war 1972. Sollte Beiner der nächste sein, wäre es guter Stoff für einen Film.


BOXING-DAY

Am 26. Dezember boxt Andri Beiner im Berner Kursaal am Boxing Day. Das Meeting beginnt um 15 Uhr mit sieben Kämpfen der Amateure im olympischen Boxen. Ambitionierte lokale Kämpfer duellieren sich dabei mit einer Staffel aus Slowenien.

Anschliessend finden die Hauptkämpfe der Profis statt. Dort stehen die Berner Alain Chervet und Gábor Vetö sowie der Burgdorfer Agron Dzila und Davide Faraci im Einsatz.


Autor:in
Stephan Dietrich, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 24.12.2016
Geändert: 24.12.2016
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