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Braumeister David Santschi: «Wer das billigste Bier will, nimmt nicht uns»

Die Bierbranche wird von internationalen Riesen dominiert. Dennoch gewinnt die Brauerei Egger in Worb mit ihren Bieren regelmässig Preise. Braumeister David Santschi erzählt vom umkämpften Biermarkt, und wie sich die Brauerei seit 160 Jahren erfolgreich behauptet.

David Santschi: «Für den Bierkonsum war der Sommer 24 nur mässig gut.» (Foto: Rolf Blaser)
Um 15'000 Liter Bier zu brauen werden um die 2.3 Tonnen Malz und nur 20 Kilo Hopfen benötigt (je nach Sorte). (Foto: Rolf Blaser)

David Santschi treffe ich im vierten Stock in der Brauerei Egger in Worb. An den Wänden im Büro hängen Preise, welche Egger Biere geholt haben. Im Sitzungszimmer hängt ein Bild mit allen erhältlichen Bieren aus der Brauerei. David Santschi ist ein Bierbrauer durch und durch. Seit seinem Schulabgang hat er nichts anderes gemacht. Seit drei Jahren führt er die Brauerei als Geschäftsleiter und Braumeister ins nächste Zeitalter.

 

Vom Detailhandel zum Braumeister

Heute ist David Santschi (33) Braumeister, doch sein Berufsweg hätte auch anders verlaufen können. Fast hätte er eine Lehre im Detailhandel gemacht. Als er in der 9. Klasse war, mussten die Schüler schnuppern gehen. Seine Mutter stellte ihm eine entscheidende Frage: Ob er wisse, wie man Bier braut. Er wusste es nicht. Doch ein Bekannter, der damals in der Brauerei Felsenau als Braumeister arbeitete, organisierte ihm eine Schnupperwoche. David war danach begeistert, sagte die Lehrstelle als Verkäufer ab und begann als 15-Jähriger eine Lehre zum Brauer.

 

Die Faszination des Brauens

Was ihm am Brauen gefiel? «Ich musste handwerklich und körperlich arbeiten. Zudem ging es um Biologie, Chemie und Menschen. Mir gefiel das Vielseitige am Brauen», erzählt Santschi. Auch wenn ihm der Beruf sofort gefiel, hielt sich seine Begeisterung für den eigentlichen Biergeschmack anfangs in Grenzen. «Das grosse Bittere war nicht so meins, aber der Brauprozess faszinierte mich. Ich kam dann schnell auf den Geschmack», lacht er.

 

Herausforderung der Brauerausbildung

Als er Mitte der Nullerjahre die Lehre absolvierte, stellte er fest, dass schweizweit nur acht Lehrlinge den Brauberuf erlernten - «viel zu wenige», merkt er an. Die Situation habe sich bis heute kaum verbessert, pro Jahr schliessen lediglich sieben bis elf Braulehrlinge ihre Ausbildung ab. Santschi selbst nimmt als Experte die Prüfungen ab. Für ihn ist klar: Sobald Egger Bier ihre neue Abfüllanlage in Betrieb nimmt, will die Brauerei ebenfalls wieder Lehrlinge ausbilden. Nach seiner Lehre setzte Santschi seine Ausbildung fort und bildete sich in München zum Braumeister weiter.

 

Er arbeitete von Aarberg bis Guadelupe bei verschiedenen Brauereien und landete danach wieder bei Egger Bier. Heute steht er weniger am «Kessel» und braut, meistens nur noch, wenn jemand ausfällt. Der Beruf gefalle ihm nach wie vor: «Es ist faszinierend, was man aus Rohstoffen machen kann. Wie man mit verschiedenen Zutaten, den Geschmack variieren kann. Das geht bis zur Gestaltung der Etiketten.»

 

Egger Bier und der Markt

Rugenbräu, Felsenau und Egger Bier, sind in dieser Reihenfolge die grössten Brauereien des Kantons Bern. «Der Biermarkt bleibt schwierig», sagt Santschi auf die Frage, wie hart die Konkurrenz sei. «Wer das billigste Bier will, nimmt nicht uns.» Und wer ein spezielles Craft-Bier suche, lande auch nicht bei Egger. Der Markt wird von zwei grossen Brauerei-Konzernen fast unter sich aufgeteilt: Carlsberg und Heineken. Zu Carlsberg gehört Feldschlösschen mit den Marken Gurten und Cardinal. Unter Heineken wird Eichhof und Calanda gebraut und vertrieben. Dennoch behauptet sich die Brauerei Egger seit 1863 in einer Nische: «Wer auf Qualität und Regionalität schaut, kommt zu uns», so Santschi.

 

Vom Stammtisch zum Supermarkt

Der Kampf um die Zapfsäulen in den Wirtshäusern sei hart, aber nicht hauptverantwortlich für den Verkauf. «Vor 20 Jahren wurde noch über 70 Prozent des Umsatzes über die Gastronomie erzielt. Dies habe sich verändert, heute laufe 70 Prozent über den Detailhandel.» Hört ein Beizer auf, werden oft Wohnungen gebaut, statt das Restaurant weitergeführt. «Die Stammtischkultur stirbt aus», sagt David Santschi.

 

Die Gewohnheiten haben sich verändert, früher gingen die Leute nach Feierabend ein Bier am Stammtisch trinken, was heute nur noch selten vorkomme. Neben der gesenkten Promillegrenze und dem Rauchverbot spiele auch der Trend zu einem gesünderen Lebensstil eine Rolle. Diese verschiedenen Faktoren haben zu einem Rückgang des Bierkonsums in der Gastronomie geführt.

 

Biertrends im Wandel

Der Rückgang lässt sich auch in Zahlen belegen. 1990 wurden in der Schweiz pro Kopf noch 71 Liter* Bier pro Jahr getrunken, heute liegt der Schnitt bei 51 Litern. Dennoch hat man das Gefühl, dass noch nie so viele verschiedene Biersorten auf dem Markt waren. Neben der Stange gibt es IPA, Amber, naturtrübes Bier, dunkle und alkoholfreie Biere. In den 90er Jahren galt das Zwickel von Egger als eines der ersten Trendbiere, danach kam Draft (von Cardinal), in den Nullerjahren kamen Craft- oder IPA-Biere auf. Frage an den Braumeister, welches Bier ist derzeit angesagt? «IPA ist ein wenig ‘düre’. Die hypen Craft Brauereien brauen jetzt auch Helles und Lager. Die Leute merken, dass das Helle eben auch schmeckt. Zudem kommen die alkoholfreien Biere immer mehr.»

 

Der Boom mit den Craft-Brauereien habe der Branche gutgetan, so Santschi. Dies habe vielen Biertrinkerinnen und -trinkern gezeigt, dass es neben dem klassischen Lager auch noch andere Biere gibt. Wenn man früher jemanden nach seinem Lieblingsbier gefragt habe, hätten die Leute mit einer Marke geantwortet. «Gurten», «Cardinal» oder «Egger». Dies habe sich verändert: «Heute antworteten die Leute mit der Art des Bieres, sei es trüb, Amber oder Pale Ale», erzählt Santschi.

 

Bier für jeden Moment

Womit wir beim Geschmack angekommen sind. Nach seinem Lieblingsbier gefragt, gibt Braumeister Santschi eine Auswahlsendung zum Besten: «Es kommt immer auf die Situation an. Die hohe Kunst des Brauens ist ein gutes Lager, das geht immer.» Das klassische ‘Chübeli’. Für Santschi hänge dies jedoch sehr vom Moment ab. «Wenn es heiss ist, trinke ich lieber ein leichtes Bier, wie ein ‘Toujou’, wenn es kühl ist, eher ein Rammbock und im Pub ein Stout.» Das ‘Toujou’ ist die eggersche Version eines Coronas, Rammbock ein Doppelbock und Stout sind dunkle Biere in der Tradition eines Guinness.

 

Ein Erlebnis für alle Sinne

Und wenn wir schon beim Trinken sind. Gemäss Santschi sollte Bier immer aus dem Glas getrunken werden. «Es geht auch um die Farbe, der Brauer hat sich schliesslich etwas überlegt. Zudem sieht man im Glas, wie konsistent der Schaum ist. Die Aromen kommen durch die Nase, das Trinkerlebnis ist ein anderes.» Die Qualität hingegen bleibt dieselbe, ob Bier aus dem Glas, der Büchse oder Flasche getrunken wird.

 

[i] Die Brauerei Egger braut seit 1863 in der Braui Worb ihr Bier. Die Platz- und Zufahrtverhältnisse sind eng und nicht mehr zeitgemäss. In nächster Zeit plant die Brauerei im Bereich Worb SBB eine neue Brau- und Abfüllanlage zu bauen. Das Planungsverfahren läuft derzeit. Bis diese in Betrieb ist, wird das Bier in Worb gebraut und durch die Brauerei Locher in Appenzell abgefüllt.

 

[i] Mit Craft Brauereien sind kleinere Brauereien gemeint. Ursprünglich stand Craft für handgemachtes Bier, was heute aber nur noch selten der Fall ist. Craft-Brauereien produzieren in der Regel weniger als 30'000 Hektoliter pro Jahr und sind unabhängig von Grosskonzernen.

 

[i] Der Kanton Bern hat mit 200 die meisten Brauereien schweizweit. 69 Prozent des Biers in der Schweiz ist Lager/hell, 8.5 Prozent Zwickel/naturtrüb, 7.7 Prozent Spezial/hell, 6,3 Prozent sind alkoholfrei. Den Rest teilen sich die übrigen Sorten wie Amber, dunkel, Weizenbier- oder Starkbiere. In der Schweiz werden 41 Prozent des Biers in Dosen verkauft, 25,3 Prozent in Einwegflaschen, 21,5 Prozent ab Fass und 12,2 Prozent in Mehrwegflaschen. Quelle: Bier.ch


Autor:in
Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 04.10.2024
Geändert: 04.10.2024
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