• Wirtschaft

Daniel und Eva Wenger: "Unser Geschäft soll der Dorfbevölkerung etwas bieten"

Kürzlich ging im ehemaligen "Wullelädeli" an der Thunstrasse 1 in Oberdiessbach ein neues Geschäft auf: Eva (57) und Daniel (59) Wenger aus Wichtrach verkaufen hier unter dem Namen Atelier 1818 unter anderem eigene Buchbindeartikel, es soll aber auch ein Treffpunkt sein. Der Laden ist für die beiden nicht nur ein beruflicher Neuanfang, sondern auch ein Rückgriff auf alte Leidenschaften.

Handarbeit auf alten Maschinen: Eva und Daniel Wenger machen viele ihrer Produkte selbst. (Bilder: Isabelle Berger)
Bekanntes Lokal im Zentrum: Das Atelier 1818 befindet sich vis-à-vis des Buumehus, das sich im Schaufenster spiegelt.
Hier sollen sich die Leute aus dem Dorf treffen: Im Atelier 1818 gibt es auch was zu trinken.

Betritt man den neuen Laden im Dorfzentrum, fallen zwei Dinge auf: Die bunten Designs der Bücher, Hefte, Ordner und Karten, die es hier unter anderem zu kaufen gibt und die alten mechanischen Maschinen, deren Funktion sich einem nicht sofort erschliesst. Und dann gibt es noch die Tische und Stühle an der Fensterfront auf der anderen Seite des Raumes, die zum Hinsetzen einladen. Die ruhige Atmosphäre, die hier herrscht, kontrastiert mit dem Betrieb auf der Hauptstrasse draussen. Und Ruhe strahlen auch Daniel und Eva Wenger aus, welche das Geschäft Anfang Mai eröffnet haben.

 

«Die Idee zum Laden hatten wir vor einem Jahr im Kunstmuseum Lausanne», sagt Daniel Wenger. «Im Museumsshop gab es schöne Bücher, die mich daran erinnerten, dass ich ursprünglich Handbuchbinder gelernt hatte.» Nachdem er jahrelang im Verkauf von Maschinen für die graphische Branche tätig war und dafür viel umherreiste, kam die Zeit für etwas Neues. «Es ist wichtig, etwas zu tun, was man wirklich gerne macht», sagt er.

 

Arbeitsplätze für weniger Privilegierte

Daniel Wenger erlebte in seiner Laufbahn den massiven Abbau in der grafischen Industrie. «Es mussten viele Leute entlassen werden. Manche wurden zu Sozialfällen.» Mit dem Atelier wollen Wengers unter anderen solchen Personen helfen. «Wir wollen hier einmal Leute beschäftigen, die weniger privilegiert sind», so Daniel Wenger. Diese sollen sowohl im Café und beim Unterhalt des Ladens wie auch im Buchbindeatelier mitarbeiten.

 

Auch Eva Wenger kann ihrer kreativen Neigung im neuen Laden nun noch mehr nachgehen. Sie arbeitet – neben dem Laden – wieder als Kindergärtnerin. Berufsbegleitend hatte sie sich zur Ausbilderin in Gestaltung weitergebildet und lässt nun Farbe und Form im Unterricht wie im Geschäft einfliessen.

 

Maschinen aus Oberdiessbach

Das Atelier ist das Herzstück des Ladens. «Wir machen hier alles von Hand auf zum Teil über 100-jährigen Maschinen», sagt Wenger. Einige davon stammen aus der Druckerei Gerber aus Oberdiessbach. Die Buchbindereiprodukte sind alles Eigenkreationen. Nicht alles aber wird in Oberdiessbach hergestellt. «Wir arbeiten auch mit Sozialinstitutionen zusammen, die für uns bestimmte Aufträge produzieren.» Die Waren verkaufen Wengers nicht nur im Laden in Oberdiessbach, sondern auch im eigenen Webshop und via Wiederverkäufer:innen.

 

Soziale sowie ökologische Überlegungen und Regionalität spielen im restlichen Sortiment ebenfalls eine Rolle. Wengers verkaufen auch umweltfreundliche und ethisch verantwortungsvoll produzierte Malfarben. Im Schaufenster steht Platz für den Verkauf von Kunsthandwerk aus der Umgebung zur Verfügung. Und auch im Café setzen sie auf Tee, Kaffee und kühle Getränke aus nachhaltiger Produktion.

 

Ein Café als Begegnungsort

Dass es im Atelier 1818 ein Café hat, hat ein bestimmtes Ziel: Da schöne Bücher und Karten nicht zum täglichen Bedarf gehören, soll das Café ein Ort der Begegnung sein. «Es ist uns wichtig, dass unser Geschäft der Dorfbevölkerung etwas bietet», sagen Wengers. Und so freut es sie, dass im Dorf auch die Nachfrage nach den Kursen da ist, die Wengers zu verschiedenen Themen anbieten.

 

Ein Kurs wird auch der Zubereitung von Filterkaffee gewidmet sein. Im Café kann man diesen auch geniessen. «Nach der Begegnung mit einem einstigen Schweizermeister im Filterkaffeemachen, liessen wir uns in dieser Kunst ausbilden», sagt Daniel Wenger. Es ist eine halbe Wissenschaft, alles muss stimmen: Die Menge gemahlener Bohnen und des Wassers, die Wassertemperatur, die Geschwindigkeit, in der man das Wasser in kreisenden Bewegungen durch den Filter laufen lässt und so weiter. Wie beim Wein kann man dafür nun verschiedene Geschmacksnoten herausschmecken. «Es ist etwas zwischen einem normalen Kaffee und Schwarztee», sagt Daniel Wenger. Nach Wengers Erfahrung schafft solcher Filterkaffee – entgegen den Erwartungen Vieler – mitunter auch Leute zu überzeugen, die sonst nicht auf Milch und Zucker verzichten mögen. «Er ist nicht bitter, wie man ihn von der Grossmutter kennt, und verträglicher.»

 

Ein Hauch Grossmutter-Flair

Aber ein Hauch Grossmutter-Flair weht doch durchs Atelier 1818. So rührt dessen Name vom Jahrgang des Hauses, in dem zuletzt ein rund herum bekanntes und beliebtes «Wullelädeli» war. Neben den erwähnten alten Maschinen ist auch das Mobiliar des Cafés teilweise antik. Und Wengers schätzen die Nachbarschaft zum Buumehus, dessen einstiger Dorfladen heute ein Museum ist. «Schon einige Besucher fanden, dass das Atelier nebst Gemütlichkeit, Geschichte ausstrahle», sagt Eva Wenger. Ein Ort, den man spüren kann, passt den beiden. Und er passt auch zu ihren Buchbindeartikeln, für die sie strukturierte Materialien verwenden. Wengers wollen Emotionen wecken. «Dieses Ziel haben wir erreicht», so die beiden.

 

[i] Öffnungszeiten: Mo, Di, Mi und Fr 8-11:45 und 13:30-17 Uhr, Sa 8-11:45 Uhr, Do geschlossen. Ausnahmsweise ist das Geschäft vom 21.-24. Juni geschlossen.

Eine kleine Auswahl an Produkten und Getränken sind ausserhalb der Öffnungszeiten in den Selbstbedienungsfenstern beim Eingang zu finden.

 

[i] Zur Webseite und zum Instagram-Profil des Atelier 1818


Autor:in
Isabelle Berger, info@ber-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 22.06.2022
Geändert: 22.06.2022
Klicks heute:
Klicks total: