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Delfin-Horsetraining: Die Pirouette gibt’s aus Spass dazu

Pferde trainieren, als wären sie Delfine: Den freien Willen der Tiere auch im Pferdetraining einzubeziehen, funktioniere bestens und sei entspannend für Tier und Mensch, sagt Romina Röthlisberger. Die Pferdetrainerin zeigt in Enggistein, warum man auch bei Pferden auf Motivation setzen sollte, und was es mit den drei Pfeilern Gelassenheit, Leadership und Kommunikation auf sich hat.

Romina Röthlisberger mit Texas: Sie arbeitet gern ohne Zaumzeug, dafür mit klarer Kommunikation. (Foto: cw)
Bevor Romina Röthlisberger etwas von Texas will, spricht sie ihn mit dem Namen an. (Foto: cw)
Das Vertrauen spielt so gut, dass Romina Röthlisberger mit Texas sogar Modell stehen kann. (Foto: zvg)
Gelassen steht Texas beim Profi-Shooting neben Romina Röthlisberger. (Foto: zvg)

Vom Trainingsplatz in Enggistein hat man einen wunderschönen Blick ins Tal, und die Sonne scheint warm. Romina Röthlisberger lässt den achtjährigen Paint-Wallach Texas entspannt neben sich im Kreis gehen. Dann bleibt sie stehen und spricht ihn mit «Texas!» an. Sofort richtet er seine Aufmerksamkeit auf sie. Dieses Ansprechen sei sehr wichtig, erklärt sie: «Das ist für Pferde viel angenehmer, als wenn man sie einfach wortlos am Zügel zerrt – wir hätten das auch nicht gern.»

 

Rückwärtsgang dank klaren Signalen

Als Texas sie aufmerksam anschaut und wartet, spricht sie ihn mit dem Signalwort «Zurück!» an und gibt das Zeichen zum Rückwärtsrichten. Folgsam geht er Schritt um Schritt rückwärts. Sie lobt ihn sofort, dann weist sie ihn an, einen Moment stehenzubleiben. Mit Signalworten wie «Schritt», «Trab» oder «en place» hilft Romina Röthlisberger dem Pferd zu verstehen, was sie von ihm möchte. Das Lob dient dann zur Bestätigung und hebt die Stimmung. Sie lacht und sagt: «Wir arbeiten doch auch motivierter mit einem Lob.»

 

Das verbindet Pferde mit Delfinen

Seit fünf Jahren arbeitet Romina Röthlisberger, 36, Pflegefachfrau und Mutter, mit der Methode des Delfin-Horsetraining, inzwischen ist sie zertifizierte Coach. Sie schmunzelt und sagt, der Bezug auf die Delfine möge vielleicht auf den ersten Blick seltsam wirken. Aber die Idee mache durchaus Sinn: «Delfine lassen sich nicht dressieren: Wenn sie etwas machen, dann einzig aus eigener Motivation.»

 

«Das magische Band»

Dasselbe möchte man bei den Pferden erreichen. Mit Freiarbeit, also ohne mechanische Hilfsmittel wie Zaumzeug oder Kandare, sei überprüfbar, ob «das magische Band» zum Pferd vorhanden ist oder eben nicht. Romina Röthlisberger ist das sehr wichtig: «Es ist doch enttäuschend, wenn das Pferd lieber anderswo ist als beim Menschen.»

 

Beziehung statt Beherrschen

Genauso funktioniere das Delfin-Horsetraining: «In unserer Arbeit steht die Beziehung im Zentrum, nicht die Kontrolle», erklärt sie. «Pferd und Mensch sollen ein echtes Verständnis füreinander entwickeln.» Was bei dieser Haltung herauskommt, demonstriert Paint-Wallach Texas sogleich ganz spontan: Am Ende seiner Rückwärtsschritte hängt er eine neckische Pirouette an, bevor er stehenbleibt und seine Besitzerin gespannt anschaut.

 

So macht es mehr Spass ...

Romina Röthlisberger lacht: «Ja, damit zeigt Texas deutlich, dass er Spass hat und eigene Ideen einbringen will, das ist doch schön.» Mit Aufmüpfigkeit habe das nichts zu tun, das Pferd wolle dennoch gefallen, betont sie.

 

 ... und funktioniert für alle

Das Schönste an dieser Arbeit sei übrigens, dass sie für Kinder genauso gut funktioniere wie für erfahrene Reiterinnen und Reiter, und dass sie das Selbstvertrauen beiderseits stärke. Um die Beziehung zwischen Mensch und Tier zu vertiefen, arbeitet das Delfin-Horsetraining mit den drei Pfeilern Kommunikation, Gelassenheit und Leadership.

 

Kommunikation statt Kontrolle

Bei der Arbeit mit Pferden beginne alles mit Kommunikation: «Ich lerne, auf feine Signale zu achten und dem Pferd mittels Kommunikation etwas beizubringen.» Man mache sich dabei zu Nutzen, dass wir Menschen kommunizieren. Es gehe allerdings nicht darum, dass das Pferd alles perfekt mache, erklärt sie: «Es geht darum, dass wir gemeinsam wachsen.» Und: «Klare Kommunikation schafft Vorhersehbarkeit und Vertrauen.»

 

Eine vertrauenswürdige Führung …

Der Begriff Leadership erinnert zwar an ein Managementseminar, aber die Erklärung macht durchaus Sinn. Eines der unnatürlichsten Dinge, die wir einem Pferd zumuten, sagt Romina Röthlisberger, sei die Trennung von seiner Herde: In freier Wildbahn gebe ihm die Herde Sicherheit, Orientierung und Struktur. «Wenn wir diese Herde wegnehmen, müssen wir sie ersetzen – wir Menschen müssen die Führung übernehmen und vertrauenswürdige Leader sein.»

 

… verleiht Sicherheit …

Wenn das Pferd draussen keinen sicheren Anker habe, keinen Menschen, dem es folgen kann, werde die Situation für beide Seiten stressig und unter Umständen sogar gefährlich. «Ich schaffe daher eine Beziehung, in dem das Pferd sich bei mir sicher fühlt.»

 

… und bringt Gelassenheit

Eine typische Übung zur Leadership ist, dass das Pferd hinter ihr gehen soll – mit Abstand, aber aufmerksam. «Das Pferd soll auf den Menschen Acht geben und den sicheren Raum wahren», erklärt Romina Röthlisberger. Eine andere Übung ist das Rückwärtsgehen, das sie zuvor mit Texas demonstriert hat.Es gehe vor allem darum, dass der Mensch dem Pferd die Sicherheit geben könne und schwierige Situationen im Griff habe: «Unsicherheit macht ängstlich.»

 

Gelassenheit ist der Schlüssel zu allem

Allein die Tatsache, dass das Pferd ruhig neben ihr stehen bleibt sei schon eine Herausforderung. «Entspannung im Pferdetraining ist ein wichtiger Lernprozess.» Diese Gelassenheit auf beiden Seiten ist für die Pferdetrainerin auch der Schlüssel für ein erfolgreiches Zusammenspiel. «Ich muss meinem Pferd Ruhe und Sicherheit vermitteln», sagt sie. Das funktioniere über ihre innere Klarheit und über Respekt. Nicht im Sinne von «Du tust, was ich sage», sondern: «Ich übernehme eine klare Führung.»

 

Grundbedürfnis nach Bewegung stillen …

Gelassenheit sei nicht einfach eine Technik, die man übt – sie sei ein Zustand. Und doch gebe es Übungen, mit denen man die Gelassenheit der Pferde fördern könne: Ein Pferd, das den ganzen Tag in der Box stand, sei voller Energie. «Bevor ich also irgendeine Trainingsaufgabe beginne, muss das Grundbedürfnis nach Bewegung gedeckt sein.»  

 

… und erst dann trainieren

Wann diese Grundenergie draussen ist, erkennt sie daran, dass Texas den Kopf senkt, regelmässig atmet und anfängt abzuschnauben. «Dann ist der Moment gekommen: Jetzt kann die eigentliche Arbeit beginnen.» Um Gelassenheit zu trainieren, arbeitet sie mit ungewöhnlichen Gegenständen wie Flaschen, Schirmen, Föhnen oder Planen und versucht herauszufinden, welches der Triggerpunkt zur Angst ist. Ist es das Geräusch, die Farbe, eine Bewegung oder ein Geruch? «Wenn ich das herausfinde und gezielt daran arbeite, wird das Pferd sicherer.»

 

Zirkuslektionen – für die Freude

Ein besonderer Teil dieser Trainingsarbeit – und eine Art Dessert für alle – sind die sogenannten Zirkuslektionen. Dabei geht es um Spiel, Abwechslung und Spass. «Viele Pferde lieben diese Übungen und wollen sie von sich aus ausführen», sagt Romina Röthlisberger. Diese Lektionen fördern Selbstvertrauen und Motivation, und gerade bei jungen und alten Pferden, die noch nicht oder nicht mehr geritten werden, sei das ideal. «Sie lernen spielerisch und entwickeln dabei eine stabile Beziehung zum Menschen.»

 

Miteinander statt gegeneinander …

Die Delfin-Horsetrainierin kommt richtig ins Feuer, wenn sie die vielen Vorteile und schönen Seiten dieser Trainingsform schildert, dieses «Miteinander statt Gegeneinander». Sie möchte das anderen Pferdebesitzer:innen mitgeben und bietet dafür Probelektionen an. Ab und an werden auch sogenannte Clinics veranstaltet, Probetrainings, an denen Interessierte mit ihrem eigenen Pferd das Delfin-Horsetraining kennenlernen können.

 

… und dann wieder Action

Der achtjährige Paint-Wallach Texas ist lange geduldig danebengestanden, jetzt findet er offensichtlich, dass es langsam genug ist. Er bewegt neugierig seine Ohren und lauscht, was in der Umgebung läuft. Dann beginnt er zu tänzeln: Zeit für eine Runde Bewegung. Romina Röthlisberger lacht und streift ihm das weiche Seil um den Hals. Gemeinsam spazieren sie über den Feldweg, von dem man einen schönen Blick über Enggistein geniesst, Richtung Koppel – sie haben noch eine lockere Übungsrunde vor sich.

 

[i] Delfin-Horsetraining Kurse: Im Einführungskurs geht es um die Grundlagen Kommunikation, freies Longieren und Gelassenheitsübungen. Danach kann man in den Leadership-Kurs einsteigen, wo man noch gezielter am Verhalten und an der Beziehung arbeitet. Es folgen weiterführende Kurse wie Verladen, Zirkuslektionen oder freies Training. Der erste, von Romina Röthlisberger organisierte Clinic in Enggistein anfangs Juni war rasch ausgebucht und stiess auf grosses Interesse. Weitere Informationen zu Onlinekursen und Veranstaltungen sind hier zu finden. Privatlektionen können über die Homepage www.delfin-horsetraining.ch oder direkt bei Romina Röthlisberger angefragt werden.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 22.07.2025
Geändert: 22.07.2025
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