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Druckerei Aeschbacher: Der Milchbüechli-Verlag verlässt seine Heimat

Die Druckerei Aeschbacher AG, seit über 140 Jahren in Worb verankert und früher Herausgeberin des bekannten Milchbüechli, ist zur Druckerei Ast & Fischer gezogen. Das Firmengebäude an der Güterstrasse ist zur Vermietung ausgeschrieben, das Team sitzt bereits in Wabern. Thomas Aeschbacher erzählt, warum sich die Familie zu diesem Schritt entschieden hat.

Thomas Aeschbacher zeigt, wie die alten Kartonbillette in die Druckmaschine gefüllt wurden. (Fotos: cw)
Thomas Aeschbacher vor dem grossen Bild beim Eingang: Aeschbacher druckte die Kartonbilletts für die Worblentalbahn.
Die alten Kartonbillette werden heute noch als Gutscheine verwendet, beispielsweise von der Gelateria di Berna.

Das Haus an der Güterstrasse 10 in Worb ist mit «Aeschbacher» angeschrieben, im Innern stehen noch alte Druckmaschinen und Schubladenstöcke voller Bleisatzbuchstaben. Die zehn Angestellten jedoch sind bereits umgezogen, in ihr neues Büro in Wabern: Die altehrwürdige Druckerei Aeschbacher hat ihre Geschäftsfelder Druck, Ticketing und Verlag an die Druckerei Ast & Fischer verkauft und Worb nach 144 Jahren verlassen.

 

Schöne Cafeteria – für neue Firmen

Geschäftsführer Thomas Aeschbacher, der in Worb noch die letzten Aufräum- und Umzugsarbeiten betreut, führt durch das Haus: ein verwinkeltes Gebäude, im Lauf der Jahrzehnte nach den Bedürfnissen der rasch wachsenden Druckerei ausgebaut. Die letzte Neuerung ist die Cafeteria, ein ansprechender Raum in smaragdgrün, in dem sich die Mitarbeitenden zur gemütlichen Pause oder zum Mittagessen treffen konnten. Der Raum bleibt so bestehen, das Haus ist zur Vermietung ausgeschrieben.

 

Das Ende der Milchbüechli-Ära

Damit geht in Worb eine Ära zu Ende. Die Druckerei Aeschbacher verlegte das Milchbüechli für die Bauern der Region, druckte Kartonbillette für die Worblentalbahn, später den Amtsanzeiger Worb und die «Worber Post» – sie war eine wichtige Firma für die Region. Thomas Aeschbacher sagt: «Zeitweise arbeiteten 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier.» Zuletzt waren es noch zehn.

 

Kartonbillette für die Gelateria

Die Druckmaschinen im oberen Stock funktionieren noch. Thomas Aeschbacher zeigt, wie die Kartonkärtchen in die massive Billettdruckmaschine eingefüllt wurden. Aus der Druckmaschine kamen die fertig bedruckten Kartonbillette, die früher von den Zugkondukteuren mit der silbernen Zange geknipst wurden. Diese werden heute noch verwendet – als Gutscheine von der Gelateria di Berna beispielsweise. Aeschbacher ist zufrieden, einige alte Produkte haben sich bis heute gehalten.

 

Kursbuch und Telefonbuch – weg

Andere haben die Jahre nicht überstanden. «Der Druckmarkt hat sich in den letzten 30, 40 Jahren enorm verändert», erzählt Aeschbacher: Die Umstellung von Bleisatz auf Filmsatz und Digitalsatz seit der Einführung der Computer anfangs der 90er sei ein gewaltiger Technologiesprung gewesen – «er hat alle Druck-Prozesse verändert». Ab 2000 hätten dann die Druckprodukte schrittweise abgenommen. «Kataloge, Preislisten, Broschüren, Kursbuch und Telefonbuch – vieles inzwischen teilweise verschwunden.»

 

Moderne Tickets

Dafür ist Neues entstanden. Aeschbacher Senior sei ein Drucker mit Herzblut gewesen, sagt sein Sohn: «Mein Vater hatte ein riesiges Fachwissen, fand immer gute Lösungen und blieb innovativ. Er hat die Firma voller Begeisterung laufend an den Markt angepasst.» Er war beim Test der Mehrfahrtenkarten dabei und half mit, den orange-blauen Sicherheitshintergrund von Billetten zu entwickeln. Seit 2012 erhalten Bus- und Bahnbetreiber aus ganz Europa für ihre Fahrkarten die Druckdaten von der Aeschbacher AG.

 

Nachfolge planen …

Als die Frage der Nachfolge auftauchte, kamen die Söhne ins Spiel. Thomas Aeschbacher ist von Berufs wegen Finanzer, ein Zahlenmensch, und arbeitete zehn Jahre lang in Zug bei einer Vermögensverwaltung. «Das ist hilfreich für die Betriebsführung», sagt er. Und es sei spannend, eine Tradition weiterzuführen. Die Fusstapfen seines Vaters sind aber gross, Erfahrung im Druckgewerbe hatten anfangs weder er noch sein Bruder Stefan Aeschbacher, der mit seinem Fachwissen als Informatiker das Geschäft mitgeführt hat.

 

… und Weichen für die Zukunft stellen

Beide Brüdern wussten: «Auf uns kommen grosse Veränderungen zu.» Die Anzahl Druckereien verringere sich, und dieser Trend gehe rasant weiter. Bei einer Familiendruckerei, sagt Thomas Aeschbacher, sei nicht ein Quartalsdenken gefragt, sondern eines auf Jahrzehnte: «Wir mussten die Weichen für die Zukunft stellen.» Vater Hans-Jürg Aeschbacher hatte sich schrittweise aus dem Geschäft zurückgezogen, vor einem Jahr übergab er das Familiengeschäft offiziell an seine Söhne. «Es war ein emotionaler Prozess, aber doch schön, als Familie diesen Weg zusammen zu gehen.»

 

Der Umzug ist vollbracht

Die Familie Aeschbacher habe nun mit der Firma Ast & Fischer eine gute Käuferin gefunden, finden alle. Inzwischen ist der Umzug auch schon wieder Geschichte. «Alles ist gut gelaufen», sagt Thomas Aeschbacher. Die zehn Mitarbeitenden betreuen weiterhin ihre Fachgebiete, allerdings jetzt im Grossraumbüro in Wabern – ihre Arbeitsplätze verteilt zwischen denen von Ast & Fischer.

 

Maschinen weiterverwenden …

Thomas Aeschbacher begleitet den Wechsel sorgfältig und wird weiterhin die Qualitätsprozesse und die Kundenbetreuung im Ticketing und im Verlag unterstützen. Danach sucht er eine Herausforderung in einer anderen Branche. «Loszulassen war schwierig, aber es ist einfacher, wenn man eine gute Lösung gefunden hat.» Das familiäre Team werde ihm allerdings fehlen. Und auch für die historischen Maschinen sucht er möglichst eine Weiterverwendung, er möchte sie «nicht einfach entsorgen».

 

… und neue Mieter finden

Für das Gebäude in Worb kann sich Aeschbacher alles Mögliche vorstellen: Büros, Produktion, Lager – oder etwas überraschend Neues, «etwas, das gut hineinpasst.»  Einen Teil der Fläche hat die Firma Toprope gemietet, alles andere ist noch offen – 1800 Quadratmeter Fläche, vier Eingänge, die Möglichkeit, vier bis sechs verschiedene Firmen einzumieten: «Ich bin gespannt, was kommt!»

 

[i] Geschichte der Druckerei Aeschbacher

Im Jahr 1881 startete Firmengründer Christian Aeschbacher vis a vis vom Gloorhaus an der Enggisteinstrasse seinen Handel mit Buchbindereimaschinen und die Druckerei Aeschbacher. Sein bekanntestes Produkt, das wohl viele Bauern aus der Region kannten, war das Milchbüechli. Als 1913 die Worblentalbahn ihren Betrieb aufnahm, begann die Firma mit dem Druck von Kartonbillette für die Bahn.

Bald wurde der Raum auch am zweiten Standort – dem Haus der heutigen Buchhandlung Schmökerei – zu klein, weshalb die Aeschbacher AG das heutige Gebäude an der Güterstrasse 10 kaufte. Im Januar 1924 wurde dort erstmals der Anzeiger Konolfingen verlegt, letztes Jahr feierte man das 100-Jahr-Jubiläum der Zusammenarbeit.

Auch die Worber Post wurde von Anfang an bei der Aeschbacher AG verlegt, ausserdem druckte die Firma klassische Produkte wie Trauerdrucksachen, Broschüren, Visitenkärtli, Briefpapier oder Blöcke und kopierte unter anderem Architektenpläne. Wegweisend war Aeschbacher beim Ticketdruck: Beispielsweise für die SCB-Billette stammt der Vordruck von Aeschbacher. 2021 erhielt die Aeschbacher AG den Worber Wirtschaftspreis für ihre Innovationskraft.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 20.09.2025
Geändert: 20.09.2025
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