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Feller und Bernhard im Wortgefecht: «Was schätzen Sie an Münsingen?»

Am 18. Mai wählt die Bevölkerung von Münsingen eine neue Gemeindepräsidentin oder einen -präsidenten. BERN-OST hat mit Stefanie Feller und Henri Bernhard über Tempo 30, das Bijou vom Aaretal und teure Wohnungen gesprochen.

Im BERN-OST Interview mit Henri Bernhard und Stefanie Feller gings zur Sache, aber es konnte auch gelacht werden. (Foto: rb)
Henri Bernhard: «Was mir nicht gefällt, ist der 30-er auf der Entlastungsstrasse.» (Foto: rb)
Stefanie Feller: «Es hat zu wenig Wohnraum.» (Foto: rb)

Die beiden schenkten sich nichts im Interview, schweiften oft ab, erklärten und führten aus. Wir stellen gleich zu Beginn klar, was für jeden journalistischen Artikel gilt, hier aber besonders: Wir geben dieses Interview in stark gekürzter Form wieder. Stefanie Feller (GLP) und Henri Bernhard (SVP) diskutierten über Tempo 30, den Sinn gemischter Schulklassen und was das Gegenüber besser kann.

 

Die sachliche Brückenbauerin

Stefanie Feller (41) wurde vor vier Jahren direkt in den Gemeinderat gewählt. Die Rechtsanwältin arbeitet beim Kanton im Amt für Gemeinden und Raumordnung. Bereits ihr Vater Erich Feller war während zwölf Jahren Gemeindepräsident in Münsingen. Stefanie Feller leitet in Münsingen das Ressort für Umwelt und Liegenschaften. Sie wohnt in der Erlenau zusammen mit ihrem Partner.

 

Parlamentspräsident mit klarer Haltung

Henri Bernhard (39) wurde vor sieben Jahren ins Gemeindeparlament von Münsingen gewählt. Vor drei Jahren leitete Bernhard während einem Jahr die Sitzungen als Präsident des Gemeindeparlaments. Henri Bernhard ist Jurist und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem Generalsekretariat der SVP. Er wohnt in Tägertschi, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 

BERN-OST: Wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?

Stefanie Feller: Teamorientiert, verbindend, vermittelnd.

Henri Bernhard: Mittelständischer Familienvater und Steuerzahler.

 

Was schätzen Sie persönlich an Münsingen? 

Bernhard: Die gute Infrastruktur, sei es fürs Einkaufen, für den Sport oder für die Kultur. Auch unser Busnetz ist sehr gut, Tägertschi und Trimstein könnten aber besser angeschlossen sein. Münsingen ist ein Bijou im Aaretal.

 

Feller: Münsingen ist eine attraktive Gemeinde im Aaretal. Das ist eine gute Grundlage für eine hohe Lebensqualität, wir haben eine moderne Infrastruktur und umweltfreundliche Dienstleistungen.

 

Was gefällt Ihnen nicht an Münsingen?

Bernhard: Ich habe Angst, dass man verlumpt, weil uns immer mehr Auflagen aufgebürdet werden. Was mir auch nicht gefällt, ist der 30-er auf der Entlastungsstrasse, das versteht niemand.

 

Feller: Es hat zu wenig Wohnraum. Wir haben ältere Menschen, die ihre Einfamilienhäuser gerne abgeben und in eine Wohnung ziehen würden. Wir können ihnen aber keine Wohnung anbieten, damit sie in Münsingen bleiben können.

 

Und noch etwas finde ich sehr schade: Der Viertel-Stunden-Takt des Zuges nach Bern, den wir gerne hätten. Wir möchten einen regelmässigeren Anschluss an Bern. Es hat mal geheissen, der komme 2025, dann 2030 und mittlerweile heisst es schon 2038.

 

Was kostet der Wahlkampf ums Gemeindepräsidium? 

Feller: Das ist schwierig zu sagen, der Druck der Flyer, Plakate und Inserate ist das Teuerste, liegt aber klar unter 10'000 Franken.

 

Bernhard: Bei mir auch ganz klar unter 10'000 Franken. Wir hatten einen aufwändigen Flyer, der kostet, aber das Teuerste ist der Streuversand. 

      

Henri Bernhard, wo steht Münsingen in zehn Jahren wenn Sie gewählt werden? Was wird anders?

Bernhard: Ich würde nie Hand bieten, um eine Erhöhung der Stromabgabe, einen Klimarappen oder sonst eine Steuererhöhung einzuführen. Ich würde auch auf die Bremse treten bei all den Klimamassnahmen. Ich glaube es wurde jetzt genug getan. Aber jetzt müssen wir auch auf die Leute schauen: Wir können den Mittelstand nicht mehr belasten. Wir müssen uns immer vor Augen halten, was bringt am meisten Lebensqualität für die Einwohner? 

 

Stefanie Feller, auf welches Münsingen möchten Sie in zehn Jahren zurückblicken:

Feller: Darauf, dass wir hier weiterhin Frieden haben und zusammenarbeiten, wie es aktuell der Fall ist. Dass die Parteien miteinander diskutieren, dass man Lösungen findet mit den Behörden und der Bevölkerung. Auch dass wir weiterhin eine attraktive Gemeinde bleiben und das durchziehen mit der Infrastruktur, die vorhanden ist.

 

Wir brauchen ein medizinisches Gesundheitszentrum und eine lebendige Gemeinschaft mit Vereinen. Aber das ist auch alles mit Kosten verbunden. Das muss uns bewusst sein. Dieses Gleichgewicht zu finden, wird in den nächsten Legislaturen zu einer grossen Herausforderung. 

 

Kommen wir zurück auf den Punkt, den Stefanie Feller zu Beginn angesprochen hat. Jugendliche, die ausziehen finden hier keine zahlbaren Wohnungen. Was kann man dagegen konkret machen?

Feller: Das war auch Bestandteil der letzten Ortsplanungsrevision. Man hat den Artikel 50 ins Baureglement aufgenommen und gesagt, dass man Projekte unterstützen will, die solchen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Man hat jetzt mit dem Hinterdorf ein Projekt, das entsteht und man muss dem die Möglichkeit lassen, dass es entstehen kann. Es gibt auch private Investoren, welche Anliegen haben, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Es ist nicht so, dass alle nur Luxuswohnungen bauen.

 

Zum Verkehr, wenn wir auf Münsingen schauen, so hat die grüne Politik eine Entlastungsstrasse gebaut. Durch das Dorf führt neu eine Tempo-30-Zone, sind Sie damit zufrieden?

Feller: Aus meiner Sicht ist diese Entlastungsstrasse eine wesentliche Verbesserung. Ich war am Anfang eher skeptisch, das gebe ich zu. Aber jetzt stehe ich hinter dem Projekt, weil man sieht, was es für eine Entlastung gebracht hat. Tempo 30 finde ich eine gute Sache. Eine Temporeduktion führt zu mehr Sicherheit und zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Durch den Ortskern hindurch, wo wir sehr viel Verkehr haben, ist das eine gute Lösung. Wenn man Tempo 30 einführt, gibt der Kanton die Regeln vor. Der Kanton sagt, was möglich ist und was nicht.

 

Bernhard: Eine solche Tempo-Massnahme sollte verhältnismässig sein. An gewissen Orten macht es Sinn und an anderen Orten nicht. Für die Ortsdurchfahrt von Tägertschi - inklusive Flüsterbelag - macht Tempo 30 Sinn. Die Hauptstrasse nach und durch Tägertschi soll demnächst saniert werden; Tempo 30 auf längeren Strecken lehne ich grundsätzlich als Schikane ab. Bei der Entlastungsstrasse bis zum Kreisel macht es keinen Sinn, dass dort Tempo 30 gilt. Da muss ich ständig auf den Tacho achten, damit ich nicht zu schnell fahre.

 

Es gibt noch ein Anliegen, dass die Ampeln und Fussgängerstreifen auf der Tägertschistrasse beibehalten werden, da dort ein Schulweg durchführt.  Kann man dort eine Ausnahme machen?

Feller: Der Gemeinderat wollte eine Ausnahme machen, aber das geht nicht. Darum hat der Gemeinderat entschieden, dass am Stutz Tempo 50 bleibt, weil man sonst alles hätte entfernen müssen. Die Ampel und der Fussgängerstreifen bleiben.

 

Bernhard: Das ist sehr vernünftig. Der Fussgängerstreifen muss bleiben. 

 

Eine Frage zur Schule: In Münsingen gibt es gemischte Klassen Real und Sek. Die Klassen sind gemischt, es gibt keine Spezialklassen mehr. Dadurch sollen die Klassen «integrativer» werden. Man spricht vom sogenannten Modell 4, alle Niveaus in einer Klasse. Soll dies beibehalten werden?

Feller: Es hat sich noch nicht bewährt, man ist erst daran, das Modell einzuführen. Unsere Schulleitungen werden alles daran setzen, dass es für Schülerinnen und Schüler die beste Lösung sein wird. Wir haben zwei Schulzentren, wo das eingeführt wird, und wir denken, dass das in Münsingen umsetzbar ist und auch die richtige Lösung ist. Weil viele andere Schulen, dass schon so eingesetzt haben und das auch für Münsingen funktionieren wird. 

 

Besteht da nicht die Gefahr, dass die schlechteren Schüler eine ganze Klasse hemmen?

Bernhard: Absolut. Diese Gefahr besteht. Das Problem von diesem Modell ist, dass es sich nachweislich schweizweit nicht bewährt hat. Man hat erste Kantone, die komplett davon absehen, zum Beispiel in der Ostschweiz und im Raum Basel. Es gab viele Zeitungsberichte, dass es nicht funktioniert. Es ist ideologisch, diese Modellgeschichte die Gender- und Inklusionspolitik als Schwerpunkt hat, zu Lasten von Lesen, Schreiben und Rechnen geht. Vernünftig ist es, dass jedes Kind die Betreuung bekommt, die es braucht. Es kann durchaus Sinn machen, dass man eine Abstufung hat im Klassensystem. 

 

Feller: Dass man die guten Schüler damit benachteiligt, ist nicht erwiesen. Es gibt keine Beweise, die belegen, dass das System nicht funktioniert. Es ist richtig, dass es Schulen und Kantone gibt, die wieder zurück auf ein anderes Modell greifen. Das ist aber auch der Lauf der Zeit. 

 

Gibt es noch einen Weg zurück? Wie viel Spielraum hat die Gemeinde in dieser Frage?

Feller: Man ist dran an der Umsetzung und man hat schon oft ein Schulmodell verändert. 

 

Bernhard: Die Familie muss ganz klar im Vordergrund stehen und nicht eine ideologische Selbstverwirklichung. 

 

Feller: Immer diese Schlagwörter... Man gibt heute anders Schule als zu unserer Zeit. Das heisst aber nicht, dass es heute schlechter ist. Man fördert heute andere Kompetenzen, weil die Kinder auch andere Kompetenzen brauchen.

 

Bernhard: Softskills, Klimawahn und Bäume pflanzen. 

 

Feller: Auch das ist wichtig, dass man die Energiewende nicht schlecht- oder kleinredet. 

 

Die SVP will in der Budgetdebatte im Gemeindeparlament immer sparen. Ist das Budget zu aufgeblasen? Worauf könnte man verzichten?

Bernhard:  Wir haben 300’000 Franken Sparpotential. Man kann Prozesse optimieren, man kann Kosten sparen. Aber man muss sparen wollen. Es kann nicht sein, dass man 100'000 Franken pro Jahr nach Madagaskar schickt, um sich moralisch gut darzustellen. Das ist sicher keine Aufgabe der Gemeinde, sondern Aufgabe des Bundes.

 

Feller: Wir müssen gesunde Finanzen haben in der Gemeinde. Das Eigenkapital aufzubrauchen ist keine Lösung. Das wird aber auch nicht passieren. Man kann auch Erträge generieren durch eine geschickte Bodenpolitik. Durch unsere Immobilienstrategie, mit der wir auf lange Sicht Erträge generieren, wenn wir Baurecht abschliessen. Diese Strategie sind wir jetzt am Entwickeln.

 

Feller: Noch zu Madagaskar: In Münsingen ist das ein sehr traditionsreiches Engagement. Das war ein bewusster Volksentscheid und es ist richtig, dass man das fortsetzt. 

 

Bernhard: Ja, aber nicht im Umfang von 100’000 Franken pro Jahr.

 

Feller: Es sind aktuell nicht 100’000, sondern 70’000 Franken. Du weisst selbst, das ist populistische Politik und du machst Wahlkampf damit.

 

Bernhard: Das ist eine Unterstellung!

 

Feller: Für mich ist wichtig, dass das Gemeindepräsidium nicht von Parteipolitik geprägt wird. Es geht um eine verbindende, vermittelnde Funktion, die sich für alle gleich einsetzt. Das ist das, was ich möchte. 

 

Bernhard: Dem widerspreche ich gar nicht. Das kann ich auch machen, als Parlamentspräsident habe ich gezeigt, dass ich Kompromisse gesucht und auch gefunden habe. Es kommt immer auf die Rolle an, die man hat.

 

Feller: Der Unterschied zwischen uns ist, du sprichst immer von Mitte-Links, den Grünen, sagst: «Du bist GLP – ich SVP.» Für mich gilt: Wir sind in Münsingen und wir wollen zusammenarbeiten. 

 

Bernhard: Wir politisieren, das ist eine Ideenwettbewerb. Ich bin Parteipräsident der SVP und ein mittelständischer Familienvater.

 

Wir kommen zum Schluss: Stefanie Feller, was können Sie voneinander lernen?

Feller: (sarkastisch) Ich könnte sicher von Henri Bernhard noch lernen, wie man besser seine Schlagwörter durchbringt.

 

Henri Bernhard, was kann Stefanie Feller besser als Sie?

Bernhard: (sarkastisch) Sie kann Anliegen von Links und Grün durchaus bändigen und kanalisieren. Zudem hat sie eine beruhigende Wirkung auf die Ratsmehrheit. 

 

Wie erholen Sie sich von einem anstrengenden Arbeitstag?

Feller: Ich spiele Volleyball und trainiere mit den Frauen einmal pro Woche. Dort kann ich gut meine Batterien laden. Weiter bin ich viel mit der Familie unterwegs, mit meinem Partner aber auch mit Nichten und Neffen. Im Sommer sind wir am Wandern, im Winter am Ski- und Snowboardfahren.

 

Henri Bernhard, wie erholen Sie sich?

Bernhard: Ich schaue in strahlende Kinderaugen und weiss, dass ich bis jetzt alles richtig gemacht habe. Drei Mal pro Woche hebe ich Gewichte. Das ist wichtig für Körper und Geist. Das holt mich runter und beruhigt mich. 

 

An einem klassischen Wochenende bin ich im Zoo in Basel, am Samstag war ich an der BEA, auf dem Riesenrad und habe dort einen schönen Grill gesehen. 

 

Was können Sie gut, was niemand weiss?

Bernhard: Malen. Ich male Figuren.

Feller: Basteln.

 

Zum Schluss, stellen wir uns vor, eine Fee käme und Sie hätten einen Wunsch frei für Münsingen – ganz abgesehen von Kosten – was würden Sie sich wünschen?

Feller: Dann würde ich mir den Viertel-Stunden-Takt per sofort wünschen. 

Bernhard: Mein Wunsch wäre ein Spital für Münsingen. 

 

In der Beiz

Passend zum Gespräch zog während des Interviews ein kräftiges Gewitter durchs Aaretal. Nach dem Ende der Diskussion kehrten Stefanie Feller, Henri Bernhard und der Autor noch im Schlossgut ein – bei einem Bier legte sich auch der Sturm. Das Gespräch blieb angeregt, verlief jedoch deutlich ruhiger als zuvor.

 

Wer gewinnt?

Wer gewählt wird, entscheidet das Stimmvolk von Münsingen am 18. Mai.


Autor:in
Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 06.05.2025
Geändert: 06.05.2025
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