- Wirtschaft
Fleischkühe zu Haustieren: Familie Blaser in Bowil bauert vegan
Kühe, Schweine, Hühner - wer in der Schweiz einen Bauernhof bewirtschaftet, hält meist mindestens eine Sorte Nutztiere. Familie Blaser aus Bowil geht andere Wege. Weil es der veganen Bäuerin jedes Mal das Herz brach, wenn Tiere getötet wurden, überzeugte sie ihren Mann davon, die Tiere leben zu lassen. Um diese neuen "Haustiere" zu unterhalten, braucht es aber viel Geld.
Vor einiger Zeit lud die Familie Blaser auf ihrem Bauernhof in Bowil zum "Tag der offenen Tür". Sie präsentierte Tierfreund:innen von nah und fern, aber auch Nachbar:innen und Journalist:innen vom Schweizer Fernsehen SRF ihr neues Hofkonzept: Die Nutztiere werden zu "Haustieren", für welche Tierfreund:innen Gotte oder Götti werden können.
Seit der Schulzeit zusammen
Als Adrian Blaser und seine Frau Selina Blaser 2020 den Hof von Adrians Blasers Eltern übernahmen, war es ein normaler Emmentaler Bauernbetrieb mit Mutterkuhhaltung. Damit hatte Ehefrau Selina Blaser, ebenfalls eine gebürtige Bowilerin und mit dem der Landwirt seit der Schulzeit zusammen, grosse Mühe.
"Da sieht man, wie ein Kalb aufwächst, wie es auf die Welt kommt und nach einem Jahr, eineinhalb muss es zum Metzger. Das habe ich nicht ertragen", sagt sie in der Sendung Schweiz Aktuell. "Bauern ohne Tiere, das geht nicht", war dagegen die Haltung von Adrian Blaser. "Da haben wir eine Lösung gesucht, die für beide stimmt", sagt er.
Kuh Aura: Nach 13 Kälbern zum Metzg?
Den "grössten Stein ins Rollen" brachte Kuh Aura. Das schreibt die Familie Blaser auf ihrer Website. Aura, damals noch namenslos, war 15-jährig und nach zwei Totgeburten ein Fall für den Metzger. "Sie gebar um die 13 Kälber, und der Metzger wäre der Dank dafür." Als der Zürcher "Hof Narr" anbot, für die Kuh die Patenschaft zu übernehmen, also ihr den Lebensabend zu finanzieren, sei für sie "Ostern, Weihnachen und alles zusammen" gewesen, schreibt Selina Blaser.
Ein Besuch auf dem Hof Narr überzeugte dann auch Bauer Adrian Blaser, die Umstellung vom Mutterkuh- zum Lebenshof zu wagen. Im vergangenen Sommer machten Blasers ernst. Sie tauften ihren Hof neu "KuhErde" und hörten auf, die Jungtiere zum Metzger zu bringen.
Die Tiere "müssen" jetzt nichts mehr. Das bedeutet aber auch, dass Blasers aus ihnen kein Einkommen mehr generieren. Da sie die Tiere behalten wollten, diese also weiterhin Futter und Pflege brauchen, musste eine neue Geldquelle her. Rund 36'000 Franken pro Jahr sind dafür nötig.
Ein Huhn für 30 Franken pro Monat
Für die Tiere auf dem "Lebenshof" kann man eine Patenschaft übernehmen. Ab 10 Franken pro Monat ist man dabei, dafür gibt es eine "Teilpatenschaft" für ein Huhn oder einen Hahn, für 30 Franken eine Vollpatenschaft. Am meisten kosten die Kühe, eine Vollpatenschaft kostet 250 Franken pro Monat, also 3000 Franken pro Jahr. Preislich dazwischen liegen Patenschaften für Meerschweinchen, Katzen oder Zwergziegen.
Wieviel genau schon zusammengekommen ist, weiss Selina Blaser nicht. Die Aktion sei aber sehr gut angelaufen, sagt sie zu BERN-OST. "Wir schauen da immer von Monat zu Monat." Einen Plan B gibt es nicht. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass es gut funktioniert", so Blaser. Ausserdem werden auf dem Hof nicht ausschliesslich Tiere betreut. Zwar ging der Versuch, Kichererbsen anzubauen, letzten Sommer wegen des nassen Wetters schief. Dieses Jahr will die Familie mit den Kichererbsen weiterfahren und zusätzlich Urdinkel ernten.
Kühe können alt werden
Zurzeit leben 23 Kühe auf dem Hof KuhErde. Fortpflanzen dürfen oder müssen sie sich nicht mehr. Es sei aber möglich, dass man weitere Tiere aufnehme, wenn es wieder Platz gibt, sagt Selina Blaser. Wobei, so schnell wird das wohl nicht der Fall sein. Wenn eine Kuh nicht zum Metzger geht, wird sie gerne mal 30 Jahre alt.
Im Beitrag von Schweiz Aktuell kommen auch Nachbar:innen zu Wort. Sie sind eher skeptisch. "Eine Wohlstandserscheinung", sagt einer im Interview. Ein anderer stellt sich die Frage, ob die Göttis und Gotten wohl auch die kommenden Jahre treu bleiben.
Einen direkten, kritischen Austausch mit den Nachbar:innen gebe es weniger, sagt Selina Blaser. "Das läuft eher indirekt. Aber Gwunder gibt es schon." Nach dem Tag der offenen Tür im Herbst habe es zudem viele freundliche Mails gegeben. "Es gibt viel erfreulichen Austausch, aber eher mit Leuten aus der Stadt."
[i] Alles zur Geschichte der Umstellung und die Möglichkeit, Gotte oder Götti zu werden auf der Website des Hofs.
Erstellt:
16.01.2022
Geändert: 18.01.2022
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