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Francine Jordi: "Ich muss nicht allen gefallen!"

Quelle
Sonntagszeitung

Sie ist eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Schweiz und geniesst auch im Ausland Star-Status. Francine Jordi über ihre Heimat Bern, die harte Kritik zur neuen «Stadlshow» und den Umgang mit Erfolg

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"Wir Berner sind nicht langsamer - wir geniessen einfach mehr." Schlagersängerin Francine Jordi. (Bild: Daniel Winkler/13 Photo)

Sie kamen in Worb zur Welt, sangen als Zehnjährige im «Spycher» in Interlaken und wurden ein Aushängeschild für Bern. Was verbindet Sie heute noch mit Ihrem Heimatkanton?

Bern ist und bleibt mein Daheim. Ich lege jährlich 80 000 Kilometer mit dem Auto zurück, und immer wenn ich übers Grauholz fahre und Bern ins Blickfeld rückt, fühlt sich das extrem gut an. Ich wohne immer noch in der Region, und Bern ist meine Insel. Hier kann ich mich erholen und auftanken.

Gibt es etwas, das Bern für Sie besonders auszeichnet?

Wir Bernerinnen und Berner sind wohl durch unseren Dialekt etwas gemütlicher als andere, und das schätze ich sehr. Ich sage aber immer: Wir sind nicht langsamer – wir geniessen einfach mehr!

In Interviews bezeichnen Sie die Schweiz gern als Paradies. Machen Sie hier auch Ferien?

Ja, sehr gern. Unsere Hausberge Niesen oder Stockhorn, aber auch die Jungfrauregion sind einfach wahnsinnig schön. Ich fahre hier Snowboard und Ski, etwa in Grindelwald, Lenk oder Adelboden.

Können Sie am Skilift anstehen, ohne belästigt zu werden?

Das kann ich, aber erkannt werde ich schon. Früher dachte ich, Skifahren wirst du weiterhin problemlos können – mit Helm und Skibrille erkennt dich sowieso keiner! Also montierte ich brav alles bereits im Auto, ging gut vermummt zur Kasse, bestellte zwei Tageskarten. Und da sagte mir die Frau hinter dem Schalter: «Frau Jordi, das ist aber schön, dass Sie bei uns sind!» Und in der Mittelstation wurde mir zugewinkt, weil alle bereits wussten, dass ich da bin.

Ist das nicht lästig?

Überhaupt nicht! Die Leute sind immer sehr nett. Dass sie sich freuen, wenn ich da bin, hat ja vor allem mit dem Interesse an meiner Musik zu tun. Und dafür muss man doch einfach dankbar sein.

Im Oktober moderierten Sie zum ersten Mal die neue «Stadl-Show». Und es gab viele böse Kritiken.

Man darf nicht vergessen, dass die Reaktionen im Internet oder in den Medien von einer kleinen Gruppe von Leuten stammen, die zum grossen Teil keine Fans der Volksmusik und des Schlagers sind. Die Sendung wurde von etwa dreieinhalb Millionen Menschen gesehen, die offenbar nicht alle negativ dachten. Auf der Strasse oder an Konzerten erhielt ich jedenfalls nur positive Reaktionen. Die Leute sagten zu mir: Lasst dich von den Medien nicht unterkriegen!

Schmerzt es nicht, wenn ein Projekt derart zerfetzt wird?

Der «Musikantenstadl» war stets eine beliebte Zielscheibe. Und so haben wir auch nicht erwartet, dass sich das bei der Nachfolgesendung ändern würde. Bei Kritiken versuche ich grundsätzlich aber immer zu unterscheiden zwischen konstruktiven und unfairen, bei denen man merkt, dass sich hier jemand einfach austoben will. Die konstruktiven Kritiken hingegen interessieren mich, weil ich wissen will, wie etwas von aussen aussieht. Unfaire Kritiken darf man aber nicht zu ernst nehmen. Zum Teil amüsieren sie mich sogar – manche Journalisten werden sehr kreativ, wenn sie etwas verreissen.

Sind Sie wirklich so cool, wie das jetzt klingt? Als Künstlerin wollen Sie doch gefallen.

Ich muss nicht allen gefallen! Was ich tue, werden immer einige gut finden und einige nicht. Dass die einen oft etwas lauter schreien als die anderen, das ist doch normal. Wichtig bleibt, dass man nicht jede Kritik an sich heranlässt. Nicht, weil man arrogant wäre, sondern, weil man sich auch schützen muss. Abgesehen davon habe ich ja auch eine gewisse Selbsteinschätzung. Ich arbeite seit 18 Jahren in diesem Business und weiss: Bei dieser Sendung war nicht alles schlecht. Überhaupt nicht.

Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen?

Nein, so etwas gibt es nie. Wenn ich etwas mache, dann zu hundert Prozent und mit ganzem Herzen.

Sie machen keine Kompromisse, etwa, weil ein Projekt gut für Ihre Karriere wäre?

So vorzugehen wäre ein Fehler. Bin ich von einem Projekt nicht überzeugt, wird es auch kein Erfolg.

Ihr Privatleben ist ebenfalls sehr exponiert. Gibt es nie Momente, in denen Sie sich wünschen, ein ganz gewöhnliches Berner Meitschi zu sein?

Das meiste, was über mich geschrieben wird, lese ich gar nicht. Vieles ist ja schlicht und einfach erfunden. Und auch hier muss ich sagen: Es gehört dazu, dass das Private zum öffentlichen Thema werden kann. Aber man hat schon die Möglichkeit, Bereiche seines Privatlebens zu schützen, indem man lernt, nicht mehr viel darüber öffentlich zu erzählen.

Sie sagen immer wieder: «Das gehört dazu.» Was ist denn eigentlich das Schöne am Bekanntsein, dass man auch Nachteile in Kauf nimmt?

Das Bekanntsein finde ich nicht schön, sondern das Singen auf der Bühne. Das könnte ich nicht in diesem Ausmass machen, wenn ich nicht bekannt wäre. Dann könnte ich nicht vom Singen leben.

Aber das Berühmtsein gibt Ihnen doch sicher auch einen Ego-Kitzel und macht per se Freude!

Für mich nicht. Ich finde es schön, wenn die Leute strahlend auf mich zukommen und sagen: Deine Musik ist toll, das Konzert hat mir gefallen. Aber ich mache meinen Beruf nicht deshalb, weil ich mein Foto in einer Zeitung sehen will. Ich mache ihn, weil ich gern singe, weil es mir Spass macht, Leute zu unterhalten. Wenn ich in irgendwo bin und mich niemand erkennt, stört mich das wirklich nicht.

Vor einem Monat ist Ihr neues Album «Wir» erschienen. Ihre letzte Veröffentlichung «Verliebt geliebt» liegt zweieinhalb Jahre zurück. Entspricht dieser Abstand Ihrem Rhythmus?

Ja, ich möchte nicht häufiger neue Alben veröffentlichen. Ich lasse mir lieber genug Zeit für ein Album, als etwas auf den Markt zu bringen, hinter dem ich nicht voll stehen kann.

Wie entstehen Ihre Alben? Fällt irgendwann der Entscheid: Jetzt starte ich nächste Projekt? Oder ist das ein rollender Prozess?

Die Arbeit hört eigentlich nie auf. Jetzt beginne ich bereits damit, Material für mein nächstes Album zusammenzutragen. Dann treffe ich mich mit dem Komponistenteam, und wir arbeiten zusammen an den Songs und tauschen Ideen aus. Acht Lieder auf «Wir» sind so entstanden. Und es ist schon sehr spannend, wenn man bei der Entstehung eines Liedes von Anfang an dabei sein kann. Wobei die Songs auf meinen Alben nicht unbedingt von mir selber sein müssen. Sie müssen mich aber berühren, ein Thema behandeln, das mich beschäftigt.

Die exklusive Schweizer Edition enthält fünf zusätzliche Songs auf Berndeutsch. Sie wirken dort sehr authentisch. Fühlen Sie sich in Mundart wohler?

Beim Berndeutschen ist der Stimmsitz viel weiter hinten als im Hochdeutschen, daher kann es schon sein, dass die Lieder anders wirken. Mir sind aber beide Sprachen ans Herz gewachsen. Vom Gefühl her gibt es hier keinen Unterschied.

Sie sind klassisch ausgebildet und gaben 2007 im Kultur­casino Bern Ihr Operndebüt als Papagena in Mozarts ­«Zauberflöte». Werden Sie wieder klassisch singen?

Ich machte nach der «Zauberflöte» noch verschiedenen Liederabende, aber ich habe einfach keine Zeit, alles zu tun, was ich gerne tun möchte. Ich kann neben dem Schlager, in dem ich mich voll und ganz daheim fühle, nicht noch eine zweite Karriere verfolgen.

Was hören Sie selber?

Querbeet. Volksmusik, Schlager, Pop, Rock, Klassik, je nach Stimmung. Ich würde für mich daheim wohl nicht Metal hören, aber wenn es um Live-Musik geht, sieht das schon wieder anders aus. Ich bin sehr offen und finde, es gibt keine gute oder schlechte Musik, sondern nur gut und schlecht gemachte Musik.

Ein Lied auf «Wir» heisst «Träumerin». Wovon träumen Sie noch als Künstlerin, wo Sie doch schon so vieles erreicht und erlebt haben?

Ich träume von nichts und nehme immer alles als Geschenk. Ich habe nie davon geträumt, beim Grand Prix der Volksmusik zu gewinnen. Ich wollte immer nur singen, und das öffnete mir alle Türen.

Haben Sie ein berndeutsches Lieblingswort?

Ich finde «Glungge» heiss, das berndeutsche Wort für Pfütze. Ich wusste gar nicht, dass man das nicht in der ganzen Schweiz kennt. Und «ärfele» gefällt mir auch sehr.

Was ist ärfele?

Wenn du jemand chli häbelisch. Dann ärfelet man ihn.

Schätzele?

Nein, nein! Das ist nicht dasselbe. Ärfele eben!

[i] Nicht nur Schlagerstar: 
Francine Jordi wurde 1977 in eine musikbegeisterte Familie hineingeboren. Als sie zehn Jahre alt war, bildete sie mit ihren Eltern und ihren Schwestern Nicole und Tanja eine Gesangsgruppe, die Touristen in Interlaken unterhielt. Später studierte sie Gesang und Klavier am Konservatorium Neuenburg. Der Start zu ihrer internationalen Karriere erfolgte 1998, als sie den deutschen Grand Prix der Volksmusik mit dem Lied "Das Feuer der Sehnsucht" gewann. Zu ihren grossen Erfolgen zählt auch das Lied "Träne", gesungen im Duett mit ihrem damaligen Freund Florian Ast. Francine Jordi hat neben vielen Schlager-CDs auch eine Swing-CD veröffentlicht und ist mit klassischer Musik aufgetreten.


Autor:in
Marius Leutenegger, SonntagsZeitung
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Erstellt: 08.11.2015
Geändert: 08.11.2015
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