• Kultur

Freilichttheater in Lütiwil - Aus der Zeit, als der Lehrer noch ein «Schulmeister» war

Quelle
Wochen-Zeitung

Lütiwil bei Arni: Ein Stück Leben, wie es sich vor diesem Schulhaus abgespielt haben könnte, dargestellt als Freilichtaufführung vom Theater Lützelflüh und Einheimischen.

345178ee766d5d7d980942201ffdd30b.jpg
345178ee766d5d7d980942201ffdd30b.jpg
Der Titel «Schulmeister» tönt ehrerbietig, doch das Leben war hart für die Lehrer, die sich vor 200 Jahren damit abmühten, der Landjugend Lesen und Schreiben und noch etwas mehr beizubringen. Die sollen gescheiter «lehre wärche», fanden die Bauern.

Überwältigend ist schon die Kulisse, wenn man im bisher wenig bekannten, etwas abgelegenen Bauernweiler Lütiwil, oberhalb der Hämlismatt ankommt. Die Stockhornkette im Abendlicht, Herdengeläute, duftende Heuwiesen, Katzen auf Mäusejagd. Vorbei am Bauernhof, wo Knecht und Rösslein geduldig beim Käsereiwägeli warten (beide spielen Theater), zum schindelumrandeten Schulhaus. Hier setzt man sich auf die Tribüne und vergisst, dass man aus der Neuzeit stammt. Es ist die Welt Gotthelfs, man leidet und freut sich mit dem jungen Schulmeister Peter Käser, der sein Bestes tut, den 80 Kindern in der Schulstube etwas Bildung zu vermitteln.

Aus dem Leben gegriffen

Ganz selbstverständlich betreten die Akteure die Szene: Die Mägde tratschen beim Wasser holen am Brunnen, der frisch verheiratete Lehrer albert mit seinem Mädeli herum, noch spielt das fehlende Geld keine Rolle. Der «gsüchti»-krumme Grossvater humpelt am Stecken ums Haus und sieht gar manches, was anderen entgeht. Man lernt den hinterlistigen «Bisli-Dokter» und seine Tricks kennen, oder den weitgereisten Vaganten aus dem Wald. Man erlebt das grosse Glück bei der ersten «Chindbetti», und die grenzenlose Trauer beim Tod des zweiten Kindleins, das nicht getauft ist und drum keinen Platz auf dem Friedhof und im Himmel finden soll.

Herr Pfarrer Gotthelf höchst persönlich trabt am Examen auf stolzem Ross heran, lobt den wackeren Schulmeister und bedauert, dass die «Gittiwiler» sich kein besseres Schulhaus leisten könnten. Feste werden gefeiert, Begräbnisse abgehalten, Schulmeisters Kinderschar wächst und der Lohn bleibt gering.

Einzig das überdimensionale Buch, dessen umgeschlagene Seiten von einer Szene zur andern führen, und die Erzählstimme eines Schulmädchens, erinnern daran, dass man ja im Theater sitzt.

Mit Herzblut dabei

«Die Suche nach einem geeigneten Schulhaus hat mich hierher geführt», erklärt Regisseur Ueli Remund, der den zweiten Teil des Gotthelf-Romans «Leiden und Freuden eines Schulmeisters» zu einem lebensnahen Schauspiel verarbeitet hat. Er und das Theater Lützelflüh bildeten schon 2004 in «Jeremias» und 2007 in «Wehrlos» ein erfolgreiches Team. Er ist – zu Recht – des Lobes voll über seine Laiendarsteller, die nicht nur aus der Theatergruppe stammen. Ganze Familien aus der Umgebung samt Requisiten und Tieren spielen mit. Eine «ganz enorme Disziplin und Willensleistung», so Remund, bewiesen sie im fast drei Stunden dauernden Schauspiel, das gerade durch seine Einfachheit absolut zu Herzen geht.

[i] Aufführungen: Bis 19. August, Di/Mi/Fr/Sa 20.15 Uhr beim alten Schulhaus Lütiwil bei Arni (nicht bei Regen). Reservation: Telefon 034 432 37 99, ab 19 Uhr 078 774 65 56 Wettertelefon (1600) ab 18 Uhr. Wolldecken empfohlen.

Autor:in
Gertrud Lehmann / Wochen-Zeitung
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 21.07.2011
Geändert: 21.07.2011
Klicks heute:
Klicks total: