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Fritz Hebeisen hört auf: Wenn der Lehrer geht – und das Schulhaus mit ihm

Fritz Hebeisen war mehr als 20 Jahre Lehrer in Bowil – bald geht er in Pension. Mit ihm endet auch ein Stück Schulgeschichte: Das Schulhaus Hübeli schliesst. Zum Abschied blickt er zurück auf eine Landschulwoche, von der jedes Kind träumt.

Fritz Hebeisen: «Ich wusste, dass ich vor oder nach dem Herzinfarkt reagieren kann.» (Foto: Rolf Blaser)
Das Schulhaus Hübeli in Bowil. Ab Sommer gehen hier keine Kinder mehr zur Schule. (Foto: rb)

An einem sonnigen Nachmittag im Mai empfängt mich Fritz Hebeisen auf dem Pausenplatz in Bowil. Rund ums Schulhaus wird Rasen gemäht, die Truthähne auf der anderen Seite des Zaunes gackern, die Sonne brennt auf den Teer des Platzes. In Bowil scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Am Hang weiden Ziegen, ein Milan dreht weit oben seine Kreise. «Wollen wir du sagen?», sagt Fritz Hebeisen (65) zur Begrüssung.

 

Abschied mit Doppelbedeutung

Bowil, zwischen Zäziwil und Signau gelegen trennt sich von seinem Schulhaus Hübeli. Mit dem Schulhaus hört auch der Lehrer Fritz Hebeisen auf. Als wir den Termin für ein Gespräch vereinbarten ging es in erster Linie um das alte Schulhaus. Lehrer Hebeisen hatte jedoch Spannenderes zu erzählen. Beispielsweise wie er vor Jahren mit drei Schulklassen eine Woche in der Hohgant-Hütte auf 1800 Meter verbrachte. Nicht etwa im Sommer, sondern im tiefsten Winter.

 

Ein Lehrer, drei Klassen und eine Hütte auf 1800 Metern

Die Idee, mit den Schülerinnen und Schülern im Winter in eine SAC-Hütte zu ziehen, kam Hebeisen auf einer Schulreise. «Es war Sommer und es war heiss, alle keuchten, schwitzten und motzten über die Hitze. Da dachte ich, nächstes Mal planen wir die Schulreise im Winter.» Er habe dies mehr als Witz gedacht, aber aus der Schnapsidee entwickelte sich ein äusserst aufwendiges Projekt. Nachdem Fritz Hebeisen das Einverständnis der Eltern eingeholt hatte und ihnen versicherte, dass der Ausflug sicher sei, ging es an die Planung.

 

Zu Fuss den Hohgant hoch

Das Ziel war, eine Landschulwoche mit drei Klassen in der Hohgant-Hütte zu verbringen und Iglus zu bauen. Da die Hütte im Winter nur über einen langen Fussmarsch erreichbar ist, musste das Essen bereits im Oktober per Auto in die Hütte transportiert werden. Als erstes ging es darum, welche Lebensmittel sich über Monate in der Kälte lagern und später noch zubereiten lassen.

 

Ohne Strom, ohne Handy – aber mit Iglus

«Vom Chemeriboden sind wir zu Fuss vier Stunden durch den Schnee zur Hütte marschiert», erzählt Hebeisen. 20 Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klasse bauten danach Iglus. «Einige probierten im Iglu zu übernachten, aber die kamen dann nachts in die Hütte an die Wärme.» Eine Bedingung der Jugendlichen war, eine Woche ohne Handy zu verbringen, worauf sie dieses zu Hause liessen. «Klar, kam es auch zu Spannungen untereinander, schliesslich waren wir eng aufeinander. Als wir bei der Hütte ankamen, stampften wir einen Kreis mit einem Durchmesser von etwa 100 Meter um die Hütte. Diesen Kreis durfte niemand verlassen.»

 

Gemeinsam durch Kälte und Konflikte

Tagsüber wurden Iglus gebaut. Da es in der Hütte kein fliessendes Wasser gab, war jeden Tag eine Gruppe damit beschäftigt, Schnee zu schmelzen und die Hütte zu heizen. «Das Wasser musste reichen, um sich zu waschen und um zu kochen. Eine Bedingung der Mädchen war, dass sie sich einmal die Haare waschen konnten», lacht Hebeisen. Also wurde auch dafür Schnee geschmolzen.

 

«Die Jugendlichen lernten das einfache Leben ohne Luxus zu schätzen. Wir hatten keinen Strom und kein Wasser, die Latrine befand sich etwa 150 Meter unterhalb der Hütte», schmunzelt Lehrer Hebeisen. Wer nachts zur Toilette musste, wurde dabei begleitet.

 

Schulprojekte mit Herzblut

«Es war ein tolles Projekt, aber es war auch sehr anstrengend für uns als Leitungsteam.» Neben Fritz Hebeisen waren noch eine Lehrerin, eine Mutter und eine Vikarin dabei. «Aber genau solche Erlebnisse bleiben unvergessen», so Hebeisen. Er hat solche Projekte immer gern begleitet – ob es ums Papiersammeln ging, um ein Skilager oder die Organisation eines Schulfests.

 

Engagierte Eltern, starke Gemeinschaft

Fritz Hebeisens Augen leuchten, wenn er über die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen oder auch mit deren Eltern spricht. «Es ging immer darum auch die Eltern ins Boot zu holen. Bei Skilagern oder anderen Ausflügen hatten wir meistens zu viele Fahrer, die sich anboten. Das Engagement der Eltern hier in Bowil schätze ich sehr. Wenn wir sie brauchen, sind sie für die Schule da.»

 

Werkbank statt Herzinfarkt

Diese Zeit geht jetzt zu Ende. Als Klassenlehrer hat er schon vor vier Jahren aufgehört. «I ha eifach nümm möge», sagt er. «Ich kam zum Schluss, dass ich vor oder nach dem Herzinfarkt reagieren kann.» Es sei einfach zu viel gewesen. Worauf er sich entschied, nur noch Werkunterricht zu geben.»

 

Zwischen Abschied und Aufbruch

Hebeisen unterrichtet zurzeit noch 70 Schülerinnen und Schüler in Bowil und Schüpbach im Werken. «Die Beziehungen zu den jungen Leuten werden mir fehlen. Was passiert, wenn ich diese Kontakte nicht mehr habe?», sagt er und verwirft die Hände. Zu tun habe er genug, er ist Imker und arbeitet gerne mit den Händen. Ende Juli werde er mit seiner Frau durch Korsika wandern, danach will er einen VW Crafter zum Camper ausbauen und Schweden erkunden. «Dann habe ich meine Lebensziele erreicht», sagt er und muss wieder lachen.

 

Welche Folgen hat eine leeres Schulhaus?

Aktuell werden im Schulhaus Hübeli noch um die 40 Jugendliche der Oberstufe unterrichtet, zudem hat es noch einen Kindergarten. «Früher oder später hat es hier zu wenig Kinder.» Der Wechsel in die Schule nach Signau sei für die Jugendlichen eine Chance, sagt Fritz Hebeisen. «Was das mit Bowil macht? Das sieht man dann, wenn die Jugendlichen nicht mehr hier sind.»

 

[i] Das Schulhaus Hübeli wurde 1826 gebaut und 1959 durch das jetzige Schulhaus ersetzt. Ab Sommer besuchen alle Oberstufenschülerinnen und -schüler die Schule in Signau. Somit wird das Schulhaus Hübeli nicht mehr benötigt. Die Gemeinde will dieses künftig vermieten oder verkaufen. Im Schulhaus Dorf gibt es noch einen Kindergarten, zudem werden dort die Klassen der Unterstufe unterrichtet.


Autor:in
Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 20.05.2025
Geändert: 20.05.2025
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