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Münsingen - Der Bio-Konflikt

Quelle
Berner Zeitung BZ

Auf dem Schwand lebt Heinz Iseli für seinen Traum eines blühenden Biodorfs. Jürg Hädrich betreibt eine Samengärtnerei. Nun trafen sie sich im Gerichtssaal.

Das Areal von Artha Samen auf dem Schwand: Im letzten Moment kams zur Einigung. (Bild: Adrian Moser)
Jürg Hädrich. (Foto: Adrian Moser)
Heinz Iseli. (Foto: Urs Baumann)

Jürg Hädrich hat es sich ganz gut eingerichtet auf dem Schwand bei Münsingen. Seit 2006 betreibt er dort die Gärtnerei Artha Samen. Zusammen mit seinem Team produziert er alte, besondere und rare Pflanzensorten: Blumen, Kräuter, Gemüse und Wildpflanzen, Hunderte verschiedene ­Sorten, alles streng nach Bio- und Demeterrichtlinien. Und mit Unterstützung des Bundes führt er verschiedene Artenschutz­projekte durch.

 

Artha Samen sei zwar nicht zwingend an den Schwand gebunden, sagt Hädrich. Und doch musste er in den letzten Jahren darum kämpfen, den ­Betrieb an diesem Standort ­weiterführen zu können. Denn lange sah es so aus, also ob ihn die Eigentümerin des Grundstücks, die Bio Schwand AG, nicht mehr länger dulden wolle. Als ob er das Feld, seine Werkstätten, Lager und ­Gewächshäuser räumen müsste.

 

«Aber einen solchen Betrieb kann man nicht einfach so zügeln», sagt er. Er wehrte sich. Bis diese Woche, bis vor Gericht.

 

Duell der grünen Daumen

Der Konflikt begann vor ein paar Jahren. 2012 kaufte Bio Schwand dem Kanton Bern die ehemalige Landwirtschaftsschule auf der Anhöhe zwischen Rubigen und Münsingen ab. Gut 9 Millionen Franken kosteten Land und ­Gebäude.

 

Daraufhin wollte Bio Schwand die Gebühren für die Nutzung der Gärtnerei erhöhen, von jährlich knapp 30'000 Franken auf 75'000 Franken. Die Begründung von Heinz Iseli, Verwaltungsratspräsident von Bio Schwand: «Dieses Geschäft rentiert für uns nicht.»

 

Das aber wollte Hädrich nicht hinnehmen. Der Widerstand brachte ihm schon 2014 die Kündigung ein, welche Bio Schwand dann aber zurückzog. Doch der Rechtsstreit zog sich weiter, es ging um Verträge, Fristen und Erstreckungen, um Mietrecht und Pachtrecht.

 

Über allem aber stand immer die Frage, wie viel Gebühren Hädrich bezahlen muss für seine Gärtnerei.

 

Büro Schwand

Bio Schwand gegen Artha ­Samen. Es ist ein Konflikt zwischen zwei Bio-Koryphäen, ein Duell der grünen Daumen. Auf der einen Seite Hädrich, einst Heilpädagoge im Rubiger Humanushaus, heute Biosamenvater und Gärtner mit Dutzenden Sorten ­Stangenbohnen im Angebot, aber auch Sumpfdotterblumen und Schafgarben.

 

Auf der anderen Seite Iseli, einst Food-Fotograf und dann Selbstversorger im Emmental, heute Demeter-Guru und Präsident von Bio Schwand, gestartet vor Jahren mit dem Ziel, in ­Münsingen ein blühendes Bio-Bullerbü zu errichten.

 

Bis heute aber arbeiten auf dem Schwand mehr Büroangestellte als Bioproduzenten. Die wichtigste Einnahmequelle für die AG sind die Mietzinse – was ja auch von Anfang an so geplant war. Das gebe Sicherheit, sagte Iseli beim Start.

 

Der beste Kunde ist immer noch der Kanton Bern, der einen schönen Teil der Räumlichkeiten mietet und dafür Jahr für Jahr 365'000 Franken überweist. Und wenn – wie 2015 – mal bauliche Anpassungen in den Büros nötig sind, übernimmt der Kanton die Kosten gleich selbst – es waren 930'000 Franken.

 

Schon der Kauf des Areals kam nur mit Ach und Krach zustande. Danach wechselten immer wieder die Geschäftsführer. Vor drei Jahren machte auf dem Schwand der Bioladen Agora natura dicht. «Bio Schwand lebt mehr oder ­weniger von der ­Vermietung der Liegenschaften und nicht vom Biogedanken», klagte der Ladenbetreiber.

 

Aktuell verhandelt Bio Schwand auch noch mit den Mietern wegen diskutabler Heizkostenabrechnungen. Vorletzte Woche mussten sich die Chefs an einem Anlass erklären – man sei auf gutem Weg, heisst es jetzt. Und dann ist da noch die Geschichte mit Gärtner Hädrich.

 

Einigung im Gericht

Da zuletzt auch noch ein Schlichtungsversuch gescheitert war, trafen sich die beiden Kontrahenten am Donnerstag in Bern am Regionalgericht Bern-Mittelland. Schauplatz war Raum 23 im Gebäude an der Effingerstrasse. Nachdem die beiden Anwälte ihre Sicht der Dinge dargelegt hatten, nahm Gerichtspräsidentin Katrin Sanwald Vergleichsverhandlungen auf. Die Erwartungen: eher gering.

 

Abwechselnd sprach die Richterin mit den Parteien, und währenddessen pendelten die Beteiligten zwischen Gerichtssaal und Kaffeemaschine. Hädrich und Iseli gingen sich auf dem Gang aus dem Weg. Und doch: Kurz nach dem Mittag kam die Einigung zustande.

 

Über den Inhalt der Vereinbarung ist wenig bekannt. «Die Parteien haben sich gefunden», verkündete Artha-Samen-Anwalt Krishna Müller, flankiert von Bio-Schwand-Vertreter Andreas Wasserfallen. «Die Parteien ­werden im Sinn einer Übergangslösung für die nächsten Jahre weiter kooperieren.» ­Beide würden an ihren «Konzepten weiterarbeiten».

 

Das wars, Nachfragen ­unerwünscht. Friede, Freude, Bioeierkuchen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

 

Visionen, Ziele, Zahlen

Klar ist: Jürg Hädrich kann mit seiner Gärtnerei noch einige ­Jahre auf dem Schwand bleiben. Er erhält Zeit, eine neue Bleibe für seine Gärtnerei zu finden. Und Zeit, seine Nachfolge zu ­regeln. Offen bleibt, ob und wie viel mehr er nun bezahlen muss.

 

Offen bleibt auch, welche Konsequenzen Hädrichs Verbleib für Bio Schwand hat. Denn noch vor den Vergleichsverhandlungen machte Anwalt Wasserfallen klar, dass es Bio Schwand auch noch um etwas anderes ging: nämlich darum, das Areal der Gärtnerei für eigene Zwecke zu ­nutzen.

 

Zusammen mit den Berner Biobauern plane Bio Schwand ein «Verarbeitungs-, Kompetenz-, Informations- und Weiterbildungszentrum für die Verarbeitung lokaler Bioerzeugnisse». Diese Idee nennt sich «gläserne Manufaktur», es gibt sie seit den Anfängen von Bio Schwand, nur wurde sie bisher nicht umgesetzt.

 

Aber das kann sich ändern. Immerhin hat Bio Schwand im letzten Herbst eine Offensive angekündigt – wenn auch gut versteckt auf einer Internetplattform für Schwarmkredite. Dort steht in einem Eintrag mit dem Titel «Is(s)t nicht jeder ein bisschen Bio?», dass das Unternehmen ein Darlehen von 300'000 Franken benötige.

 

Zum einen müsse es damit die Investition für die neue Heizung auffangen, habe es doch 200'000 Franken aus eigenen Mitteln bezahlen müssen. Zum anderen wolle es jetzt die «Basis für eine weitere Entwicklungsstufe legen».

 

Und dann ist noch die Rede von Visionen, Ideen, Zielen und schwarzen Zahlen, vom innovativen Begegnungsort und vom gesunden Lebensstil. Und von den Mietern und Organisationen in Münsingen, zu denen Bio Schwand «eine aktive Nach­barschaftsbeziehung» pflegt.

 

Wenn nötig vor Gericht.


Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 16.03.2019
Geändert: 16.03.2019
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