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Gabriela Thommen: «Wir sind eine grosse Hornusserfamilie»

Gabriela Thommen lebt seit 20 Jahren fürs Hornussen. Diesen Monat wurde sie von der Hornusser-Gesellschaft Biglen-Arni für ihr Schaffen geehrt. BERN-OST sprach mit ihr über die Philosophie des Hornussens und erklärt, warum es beim fairen Sport trotzdem eine Schiedsrichterin braucht.

Gabriela Thommen: «Die Philosophie des Hornussens ist weit und schön zu schlagen.» (Foto: zvg/Rolf Blaser)
Gabriela Thommen: «’Dräckele’ oder ähnliches, das machen wir nicht.» (Foto: Rolf Blaser)

Gabriela Thommen, 56, ist in Biglen aufgewachsen, heute wohnt sie in Grosshöchstetten. Nach der Schule hat sie bei der SBB Betriebssekretärin gelernt, bildete sich weiter und wechselte vor 25 Jahren in die Kundenbetreuung bei der Pensionskasse SBB. Ähnlich treu wie den SBB blieb sie dem Hornussen. Dazu kam sie per Zufall.

 

So wurde sie Schiedsrichterin

Bevor Thommen vom Virus des Hornussens infiziert wurde, ging sie ab und zu Fussball schauen. «Als wir einen Match des FC Biglen besuchten, fragte mich ein Freund, ob ich mal Hornussen schauen käme.» Sie ging mit, schaute zu und verstand erst nicht viel. «Als einer einen 20er notierte und diesen unterstrich, sagte ich, dass der wohl sehr gut geschlagen habe.» Daraufhin erklärte mir ein alteingesessener Hornusser die Spielregeln und fragte mich, ob ich Schiedsrichterin werden möchte. Thommen besuchte den Schiedsrichterkurs und ist seither Mitglied der HG Biglen-Arni.

 

«Ich mache, was ich immer gemacht habe»

Neben dem Schiedsrichtern ist Gabriela Thommen auch als Ries-Chefin oder Obfrau im Einsatz. Als Obfrau wird sie als oberste Richterin das Hornusserfest zum 25-Jahr-Jubiläum der HG Biglen-Arni im September überwachen. Für ihre Tätigkeiten für die HG Biglen-Arni wurde sie Anfang Jahr geehrt. Auf die Frage, was dies bei ihr auslöse, sagt sie lachend: «Das hat mich zu Tränen gerührt und kam für mich unerwartet. Viel ändern wird sich aber nicht, ich mache das, was ich immer gemacht habe.»

 

Vom Schwingen und Hornussen

Während die Schwinger in den letzten 20 Jahren den Sprung von der Bauernzeitung aufs Titelbild der Schweizer Illustrierten geschafft haben, ist sich das Hornussen treu geblieben. «Es hat sich eigentlich nichts verändert», so Thommen, «man trifft sich am Samstag auf dem Bitz, es wird gespielt, danach sitzt man zusammen und trinkt etwas.» Einige Hornussergesellschaften hätten angefangen die Spiele zu streamen, damit man diese von zu Hause schauen kann. Viel mehr sei beim Hornussen nicht passiert, was nichts zu machen scheint.

 

Nur für Insider

Dass Hornussen nicht die grossen Massen anzieht, liegt wohl auch an der Länge eines Spiels. Für viele ist ein 90-minütiger Fussballmatch lang, beim Hornussen dauert ein Spiel zwischen drei und vier Stunden. Wer Mühe hat beim Eishockey den Puck zu sehen, der Nouss fliegt mit über 300 Stundenkilometern übers Ries. Zudem können ums Ries weder Zuschauerinnen noch Zuschauer stehen, da zu gefährlich.

 

Ein Spiel wird vom Hornusserhüttli oder aus dem Bereich hinter dem Bockstand verfolgt. «Für jemand, der das nicht kennt, ist es langweilig», sagt Thommen und fügt an: «Bei einem Eidgenössischen haben wir viele Zuschauer, aber das sind vor allem Hornusser. Wir sind halt eine grosse Hornusserfamilie.»

 

Deshalb braucht es ein Schiri

Warum es beim Hornussen eine Schiedsrichterin brauche, will ich von Gabriela Thommen wissen. Sie kontert: «Gegenfrage: Warum braucht es beim Fussball einen Schiri?» - «Weil sich im Fussball die Spieler fallen lassen und weil sonst beschissen würde», antwortet der Fragende.

 

«Genau so wäre es auch beim Hornussen. Deshalb stellen beide Mannschaften eine Schiedsrichterin, und auf dem Feld hat es zusätzlich vier Spieler-Schiedsrichter.» Sie schauen, wie weit der Nouss fliegt, ob er im Feld landet oder eben knapp nicht, notieren die Punkte und intervenieren wenn nötig. Aber grundsätzlich sei es ein fairer Sport, es werde nie beschissen.

 

Wie ein Ass im Tennis

Beim Hornussen wird vom Bock abgeschlagen, während die gegnerische Mannschaft im Feld den Nouss abtut. Die Spieler im Ries (Spielfeld) haben eine Schindel in der Hand und schlagen diese nach dem Nouss. Fällt der Nouss im Ries direkt zu Boden, wird der Mannschaft ein Numero geschrieben. Das ist wie ein Ass beim Tennis, nur zählt es mehr als die übrigen Punkte. Beim Tennis gehören Stoppbälle zur Taktik und werden beklatscht. Beim Hornussen gibt es so etwas nicht. «’Dräckele’ oder ähnliches, das machen wir nicht.» Dass einer beim Abschlagen extra tief oder kurz oder sonst wie schlägt, um ein Numero zu kriegen, sei kein Thema.

 

Zur Philosophie des Hornussens

«Die Philosophie des Hornussens ist weit und schön zu schlagen. Je weiter man schlägt, umso mehr Punkte gibt es.» Neben weiten Schlägen, gehöre zum Hornussen auch das Drum und Dran neben dem Ries. «Es geht darum, dass man sich ein Spiel anschauen geht, Freunde und Bekannte trifft und es lustig hat zusammen.» Klar wollen die Mannschaften, die gegeneinander spielen gewinnen, «aber nach dem Spiel ist das vergessen, es gibt keine Pöbeleien, weder von Spielern noch von Zuschauern», so Thommen. Deshalb sei sie dem Hornussen über all die Jahre treu geblieben.

 

Wenn Thommen ausholt, dann…

Während der Saison ist Gabriela Thommen samstags und sonntags auf dem Ries am Schreiben. Selbst zum Stecken greifen, um damit den Nouss ins Ries zu schlagen, sieht man sie selten. «Nur beim Plauschhornussen oder im Training versuche ich es. Ab und zu treffe ich sogar einen.» Und klar, ans Aufhören denkt die Schiedsrichterin, Obfrau und Ries-Chefin noch nicht. «Für mich ‘fägt’ es, so wie es ist.»

 

[i] Im Kanton Bern gibt es 107 Hornussergesellschaften, in den restlichen Kantonen noch etwa 25, womit Bern als Epizentrum des Hornussens bezeichnet werden kann. Der aktuelle Nati-A-Schweizermeister kommt mit Wäseli (Vechigen) aus der Region Bern-Ost. Das Team von Gabriela Thommen, die HG Biglen-Arni spielt in der Nationalliga B und belegte in der letzten Saison den 4. Platz.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 02.02.2024
Geändert: 02.02.2024
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