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Hundetrainerin Jelia Jeremias: «Militär und Polizei wollen keine Bestien»

Bekannt wurde Hundetrainerin Jelia Jeremias aus Schlosswil mit ihren Filmhunden. Weniger bekannt ist, dass sie auch Hunde für den Einsatz bei Militär und neuerdings auch Polizei ausbildet. Sie erzählt, welche wichtigsten Fähigkeiten sie diesen Hunden für ihre speziellen Aufgaben beibringen muss. Und das klingt beim ersten Hinhören überraschend.

Hundetrainerin Jelia Jeremias weiss, was sie künftigen Diensthunden beibringen muss. (Fotos: zvg)
Die Hund lernen bei Jelia Jeremias, aus Freude gehorsam zu sein.
Die künftigen Diensthunde - hier mit Tochter Elanya - lernen auch den Umgang mit anderen Hunden und Pferden.
Das Training basiert auf Vertrauen
Sitzt ein Befehl, könnte Jelia Jeremias auch «Kartoffel» rufen.
Training muss auch im tiefen Winter sein - und Herzwärme auch.
Deutsche und belgische Schäferhunde eignen sich am besten für das Training als Diensthunde ...
... aber auch andere Hunde gehorchen aufs Wort, nachdem sie bei Jelia Jeremias in der Erziehung waren.

Jelia Jeremias, Sie sind weder Polizistin noch Militär-Angehörige: Wie kommen Sie dazu, Hunde für beide auszubilden?

Jelia Jeremias: Das Militär hat vor zehn Jahren fähige Hundeführer:innen gesucht, die Fachwissen und Erfahrung in der Hundeausbildung mitbringen, um das neue Konzept «Schweizer Hunde für die Schweizer Armee» zu starten. Die Kantonspolizei Bern startete letztes Jahr ein ähnliches Konzept wie die Armee und machte sich ebenfalls auf die Suche nach Pat:innen, um ihre Hunde aufzuziehen, zu erziehen und auszubilden. So ist man auf Umwegen an mich gelangt.

 

Fangen wir beim Start an: Wie kommt ein künftiger Diensthund zu Ihnen?

Das ist unterschiedlich. Das Militär bringt mir die ausgewählten Hunde vorbei. Für die Polizei kann ich die Zuchteltern nach Absprache selbst auswählen. Meist sind das Welpen im Alter von acht Wochen, manche sind allerdings auch schon älter und sind durch ihre besonderen Fähigkeiten aufgefallen: Die Hunde müssen selbstsicher und belastbar sein, damit sie im Dienst gut einsetzbar sind.

 

Kann jeder Hund ein Diensthund werden, oder gibt es Rassen, die sich besonders eignen?

Schäferhunde sind besonders geeignet, weil sie gezüchtet wurden, um mit Menschen zu kooperieren und ihnen zu gefallen. Je nach Aufgabe eignen sich deutsche Schäferhunde besonders gut: Sie sind zwar ein bisschen sturer und daher schwieriger zum Ausbilden, verzeihen aber Führungsfehler eher und sind insgesamt ruhiger und selbstständiger. Für manche Aufgaben passen belgische Schäferhunde, Malinois genannt, noch besser: Diese sind zwar oft etwas hyperaktiv und bei Fehlern schneller verunsichert, dafür sehr lernwillig und agil.

 

Wie wissen Sie denn, was Sie den Diensthunden beibringen müssen?

Die rudimentären Befehle für «Platz», «Sitz» oder «Steh» muss jeder Hund kennen. Dann gibt es bei Polizei und Militär Reglemente, die genau vorschreiben, was ein Hund in welchem Alter können muss. Regelmässig finden Prüfungen statt, um die charakterliche und gesundheitsmässige Eignung zu testen. Es ist wichtig, die Hunde für den jeweils passenden Einsatz auszuwählen, also als Drogen- oder Sprengstoffspürhund, als Schutzhund oder als Rettungshund. Ist ein Hund beispielsweise klein und schnell, eignet er sich besser in der Rettung als im Schutz.

 

Wie aber bringen Sie den Hunden alles bei, was sie für diese Prüfungen wissen müssen?

(lacht) Ganz einfach: Mit Futter und Spielzeug als Belohnung, wie bei allen anderen Hunden auch! Etwas häufiger mit Futter, weil das schnell funktioniert. Auch bei Diensthunden geht alles über die Motivation: Sie sollen freudig mitmachen. Zu diesem Zweck baue ich jeweils ihren Geltungstrieb, ihren Such- oder Apportiertrieb geschickt in die Ausbildung ein. Sie bringen schon sehr viele gute Anlagen mit, und ich versuche dann, bei ihnen Freude und Motivation zu wecken – über positive Erlebnisse lernen auch sie viel einfacher Neues.

 

Und das funktioniert immer?

Irgendwann schon, aber es ist immer wieder spannend zu sehen, wie ich einen bestimmten Hund dazu bringe, das Gewünschte mit Motivation und Überzeugung zu machen: Der Ausbildungsweg, der bei zehn anderen Hunden funktioniert hat, wirkt beim elften vielleicht nicht wie erwartet. Jeder Hund ist anders, das habe ich aus der Arbeit mit über zwanzig Hunden gelernt. Da heisst es flexibel bleiben und die Ausbildung immer wieder überdenken und anpassen.

 

Das heisst aber, Sie müssen den Hunden gar nicht so viele spezifische Aufgaben für Polizei und Militär beibringen?

Am Anfang in der Sozialisierungsphase ist die Erziehung primär. Trotzdem versuche ich, beispielsweise Suchtrieb und Unterordnung schon früh zu fördern. Damit ich sie dann nach anderthalb Jahren erfolgreich an der Abschlussprüfung vorführen kann, kommt schon einiges an Trainingsstunden zusammen. 

 

Sie sprechen von «Erziehung in der Sozialisierungsphase»: Was kann ich mir darunter genau vorstellen?

Grundlegend wichtig ist: Auch Diensthunde müssen unbedingt sozial verträglich sein! Sie müssen gut auf Kinder, Menschenmengen oder andere Hunde reagieren. Unsere Diensthunde wachsen mit unseren Töchtern, Katzen, anderen Hunden und Pferden auf, ich übe mit ihnen Zugfahren, sich in der Stadt unter vielen Leuten bewegen und selbstsicher auf Neues zugehen.

 

Man könnte sich aber auch vorstellen, dass Militär- und Polizeihunde mit hartem Drill trainiert werden?

Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil: Polizei und Militär wollen keine Bestien! Es geht also keineswegs darum, sie scharfzumachen und auf «bösartig» zu trainieren. Wenn man Hunde nicht positiv konditioniert und ihre guten Anlagen fördert und kanalisiert, werden sie gefährlich. Ein Diensthund muss genau wissen, was er in der Arbeit tut und was in der Freizeit. Deshalb soll er primär ein ausgeglichener, souveräner Alltagsbegleiter für die Rekruten oder Hundeführerinnen sein.

 

Müssen Sie mit ihnen bestimmte Militär- oder Polizei-Ausdrücke als Kommando einüben?

Nein. Die Hunde müssen lernen, bestimmte Aktionen auszuführen. Kommandos wie «voran» darf ich aber in der Regel selbst wählen – ich könnte das aber auch sehr schnell auf Französisch «avant» übersetzen: Hunde lernen in Bildern. Ist ein Sprung einmal abgespeichert, könnte ich sogar «Kartoffel» sagen – Hauptsache, die Ausführung ist klar.

 

Und wenn die Hunde genug gelernt haben, werden sie getestet.

Beim Militär müssen sie nach einem Jahr eine Prüfung ablegen, wo es primär um das Wesen des Hundes und dessen Sozialverhalten geht: Getestet werden unter anderem Zugfahren, Begegnen von Menschen und Hunden, Abrufen, Spielzeug-Suchen, optische und akustische Reize, Schussgleichgültigkeit und Milieuverhalten. Für die Abschlussprüfung mit anderthalb Jahren kommen dann noch diverse Übungen zu Unterordnung und Beissarbeit dazu. 

 

Und für die Polizei?

Polizeihunde müssen zur Unterordnung und dem Schutzdienst auch noch weiteres beherrschen wie das Verfolgen einer Fährte, die Wegrandsuche und das Durchsuchen nach Flüchtigen in Gebäuden. Auch sie machen den Abschluss mit anderthalb Jahren, je nach Reife und je nach Bedarf. Regelmässig finden bei Polizei und Armee Monitorings und Trainings statt, bei denen der Zwischenstand überprüft wird. 

 

Und was passiert nach der Prüfung mit den Hunden?

Dann gehen die Militärhunde in die Rekrutenschule, wo sie mit «ihrem» Rekruten zusammen weitergebildet werden, und die Polizeihunde zu ihren neuen Hundeführer:innen. Bei mir werden sie sozialisiert, erzogen und alltagsgewandt – auf diese Grundausbildung wird dann aufgebaut.

 

Für Sie heisst das aber «Abschied vom Hund»?

Ja, sie bleiben dann bei ihren Rekruten oder Polizei-Hundeführern, irgendwo verteilt in der Schweiz. Häufig kommen die neuen Besitzer mit ihnen zu Besuch oder schicken zum Geburtstag ein Foto des Hundes mit Dienstkrawatte und Cervelatkuchen.

 

Das ist wahrscheinlich nicht einfach für Sie ...

Ich weiss ja schon von Anfang an, dass ich die Hunde abgeben werde, und wenn ich sehe, dass sie ihre Arbeit gern machen und vom Hundeführer geliebt werden, fällt es mir leichter, sie gehen zu lassen. Und irgendwann kommt der nächste Welpe, den ich sozialisieren und mit dem ich eine Bindung aufbauen kann.

 

[i] Jelia Jeremias bildet seit 2016 Militärhunde aus, seit 2024 auch Polizeihunde. Insgesamt hat sie bisher 15 Hunde sozialisiert, seit sie mit den beiden Militärhunden Ivan und Broock angefangen hat. Manchmal hat sie keinen Diensthund in der Ausbildung, manchmal gleich vier zugleich – allerdings nie vier Welpen zugleich, «das wäre zu happig».

Sie wird jeweils für die Dauer einer Hundeausbildung von Militär und Polizei im Mandat angestellt. Um für diese Aufgabe fit zu sein, hat sie Diensthunde-Zusatzausbildungen gemacht und absolviert laufend Weiterbildungskurse.

Auch ihr Mann Urs Jeremias, Militärpolizist, hat seit 2006 einen Diensthund und ist erfahrener Ausbildner von Schutz- und Sprengstoff-Diensthunden. Die beiden Töchter Elanya (14) und Yanira (9) sind ebenfalls schon geübte Hundetrainerinnen: Elanya wurde bereits Schweizermeisterin, im Sommer 2025 nimmt sie an der Weltmeisterschaft in Portugal teil.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 08.03.2025
Geändert: 08.03.2025
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