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Abenteurer Jan Haueter: "Die grösste Herausforderung war das Mentale"
Mit dem Motorrad quer durch Süd-, Zentral- und Nordamerika. Während rund zehn Monaten verwirklichte sich der Münsinger Jan Haueter seinen Traum des Reisens - und erlebte dabei auch weniger angenehme Situationen. Diese seien im Nachhinein jedoch die Schönsten, sagt er nach seiner Rückkehr in die Schweiz.
„Am Anfang hatte ich Angst vor mir selber. Davor, dass ich lediglich Kilometer abspule, wenn ich mir zu früh die Überquerung des Polarkreises als Ziel setze“, sagt Jan Haueter (35). Rund vier Wochen ist es her, seit der Münsinger von seinem grossen Abenteuer zurückgekehrt ist. Insgesamt zehn Monate war er mit dem Motorrad unterwegs. Von Buenos Aires bis Ushuaia und dann immer Richtung Norden: via Chile, Bolivien, Peru und Ecuador durch Südamerika und anschliessend durch Nordamerika und Kanada bis hin zur Arktis.
Bewusst das Extreme gesucht
„Es kamen drei Sachen zusammen“, erinnert sich Haueter an den Moment, als er sich für die Reise entschied. Nach vierzehn Jahren in derselben Firma das Bedürfnis nach Veränderung, eine Beziehung, die zu Ende gegangen war und der Tod von Jans Mutter, der noch nicht allzu lange zurücklag. „Ich hatte das Gefühl, wenn ich es jetzt nicht mache, wird es schwierig.“
Bereits einmal war er zuvor mit dem Motorrad gereist. Während drei Wochen durch Island. „Ich wollte wieder auf meine Art reisen: mit wenig Gepäck, ständig unterwegs und jeden Tag neue Leute kennenlernen“, sagt der passionierte Motorradfahrer und Fotograf. Dass er dies – abgesehen von gemeinsamen Etappen mit anderen Fahrern – alleine anging, war ein bewusster Entscheid. „Um mich weiterzuentwickeln und möglichst schnell zu lernen, mit Extremen umzugehen.“
Vom sicheren Job ins Abenteuer
Innerhalb von drei Monaten kündigte der gebürtige Münsinger seinen Job, kaufte ein neues Motorrad – eine Honda CRF 1000 D Africa Twin, da diese als besonders zuverlässig gelten – sowie die ganze Ausrüstung. Er bereitete das Werkzeug vor und schrieb Packlisten. Zudem betrieb er viel Recherchearbeit. „Irgendwann besteht jedoch die Gefahr, dass man vor lauter Vorbereitung paranoid wird“, verrät er mit einem schelmischen Lachen. Personen, die etwas Ähnliches planen, würde er deshalb im Nachhinein raten, Grenzübergänge zu prüfen, für etwas extra Geld zu sorgen und wenn dies geklärt sei zu starten.
„Vieles entsteht so oder so unterwegs“, berichtet Haueter von seinen Erfahrungen. Um sich mit der lokalen Bevölkerung unterhalten zu können, besuchte er in Buenos Aires angekommen zuerst einmal einen Intensiv-Sprachkurs. „Vorher konnte ich null Spanisch“, erklärt er, der jedoch gut Englisch spricht, schmunzelnd. Der Kurs half und so konnte der 35-Jährige bei der Routenplanung brenzlige Situationen wie vom Absturz bedrohte Strassen oder kriminelle Gegenden vermeiden. „Ich habe ständig kommuniziert und die Leute vor Ort, etwa bei Tankstellen oder Cafeterias, gefragt.“
An Erfahrung gewachsen
Wirklich brenzlig wurde es denn nie. „Die einzig wirklich schwierigen Situationen waren, wenn ich nicht fahren konnte: Etwa als ich während zehn Tagen mit Fieber in Ecuador im Bett lag, oder als mein Töff in Honduras im Zoll hängen blieb“, erinnert er sich. Und lässt eine Gelassenheit erahnen, die im Lauf der Reise entstanden ist. „Mit der Zeit hast du so viele Tage, die schlecht begonnen haben und dann gut enden, dass du dir sicher bist, irgendwie kommt es schon gut.“
Dennoch habe er manchmal bewusst Situationen gesucht, die währenddessen oft unangenehm gewesen seien. „Die grösste Herausforderung war das Mentale, nicht die Maschine“, sagt er diesbezüglich. Etwa wenn die Strasse matschig war, es dunkel und kalt geworden sei, es angefangen habe zu schneien und er gewusst habe, dass er noch zwei Stunden zu fahren habe. „Dann weisst du, jetzt musst du dich zusammenreissen.“ Im Nachhinein zählten diese Momente jedoch zu den Besten.
So kann Haueter im Nachhinein auch aussergewöhnlichen Situationen wie etwa einer Reifenpanne nur Gutes abgewinnen. „Meist habe ich dadurch etwas besonders Schönes erlebt oder tolle Bekanntschaften gemacht.“
Von Schwarzbären und fehlender Luft
Übernachtet hat Jan Haueter je nach Reiseland meist im Zelt und manchmal in einem Hotel. „Wenn es sehr kalt oder sehr heiss ist und das Zimmer lediglich 10 oder 15 Dollar kostet, überlegst du nicht“, sagt er und fügt sogleich eine Anekdote an, die an die gewonnene Gelassenheit anknüpft. „In Nordamerika schlief ich draussen anfangs jeweils schlecht, wenn ich wusste, dass es Bären in der Nähe hat. Nach ein paar Wochen hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich mich erkundigte, ob die Bären lediglich Schwarzbären und keine Grizzlies seien.“ Da er diese Bärenart bereits kannte, habe er dann gut geschlafen.
Zurück in der Schweiz fehlt dem Abenteurer vor allem die freie Natur. „Wir haben es hier wirklich gut. Als ich ankam hatte ich dennoch zuerst das Gefühl, keine Luft zu bekommen“, sagt er. Und fügt – bevor er sich auf sein Motorrad schwingt und davondüst – zufrieden an: „Aktuell bin ich noch in der Resozialisierungsphase.“
[i] Weitere Bilder und Einblicke auf Instagram (janhaueter) oder auf Jan Haueters Website ridinround.com…
Erstellt:
01.11.2018
Geändert: 18.11.2018
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