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Alte Schmitte Konolfingen: Abschied vom "Schandfleck"
Nächste Woche wird die alte Schmitte am Kreuzplatz in Konolfingen abgerissen. Das Haus prägte das Dorfbild und polarisierte auch.
Es ist alt, halb verfallen. Mittlerweile ist es auch kahl und leer. Die alte Schmitte weist einige Parallelen zum Haus von Rocky Docky aus dem bekannten Lied auf. Der ehemalige Konolfinger Gemeindepräsident Peter Moser (SVP) bezeichnete den Ort einst als Schandfleck. Für andere war er ein Zuhause oder ein wichtiger kultureller Treffpunkt. 18 Jahre lang betrieben Barbara und Matthias Gfeller die Bar El Cannario in der alten Schmitte, bis sie im letzten Jahr das baufällige Haus räumen mussten.
Vieles schon erlebt
Dass der Moment des Abbruchs kommen würde, war immer klar. Jetzt, wo er da ist, kommen dennoch bei Gfellers die Emotionen hoch. "Meinem Mann ging es besonders nah letzte Woche. Es flossen sogar Tränen", sagt Barbara Gfeller. Viele Erinnerungen an gesellige Abende und Konzerte hängen an diesem Haus. Anfangs wurden im El Cannario noch Cannabisprodukte verkauft, was auch teilweise namensgebend war. Bekannt war die Bar auch für die grosse Bierauswahl und die leckeren Hamburger. Darauf legen die Betreiber noch heute am neuen Standort wert.
Es sind jedoch nicht nur die alten Zeiten, sondern auch das Gebäude an sich, das es Gfellers mit seinem nostalgischen Charm angetan hat. "Ich finde es schade um das Haus. Es ist einfach eine schöne Lokalität", meint Barbara Gfeller. "Man hätte es eigentlich renovieren müssen." Aber ihr ist klar, dass es dafür längst zu spät ist.
Nicht alle Erinnerungen sind angenehm. Im Winter wurde es manchmal bitter kalt im schlecht isolierten Haus. "Teilweise konnten wir knapp auf 14 Grad heizen und standen in Jacken hinter der Bar", erzählt Barbara Gfeller.
Kein Wunder, dass es bebt
Ein Mitarbeiter des El Cannarios wohnte 16 Jahre lang in einer WG im ersten Stock der alten Schmitte. "Es war meine erste Wohnung, und dafür war sie perfekt. Sie war günstig und wir hatten alle Freiheiten", sagt er. Die WGler*innen konnten unbeschwert die Wände streichen und bauten sogar ein Musikstudio ein. Die Bar im Erdgeschoss sei wie ein zweites Wohnzimmer gewesen: "Wir haben einige Feste gefeiert, unten sowie oben."
"Das Haus ist mehr als das ehemalige El Cannario. Es ist eines der ältesten Häuser von Konolfingen und prägt das Bild im Zentrum", meint der 36-Jährige. Deswegen sei der Abbruch auch ein Verlust für das Dorf. Und dennoch begrüsst der Barkeeper die Veränderung: "Einmal ist halt fertig und das Leben geht weiter. Die Hütte komplett verlottern lassen, ist auch keine Lösung."
Bruno Kindler, der nebenan seine Backstube hat, freut sich sogar, dass am Kreuzplatz etwas passiert. "Ich finde es super. Weil jetzt ist der Platz einfach nur tot und traurig", sagt er, auch wenn es schade für das Haus sei. Auch Kindler hat einen engen Bezug zum Ort. "Ich war natürlich häufig im El Cannario. Ich mag mich sogar noch daran erinnern, als in der alten Schmitte wirklich noch geschmiedet wurde. Das muss wohl in den 80ern gewesen sein", sagt der Bäcker.
Das Ende des Liedes
Die Bagger sind schon am Kreuzplatz aufgefahren. Nächste Woche folgt der definitive Abbruch der alten Schmitte. Im Gegensatz zum Haus von Rocky Docky wartet sie dann nicht mehr jeden Abend auf's neue Morgenrot.
Erstellt:
18.07.2020
Geändert: 18.07.2020
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