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Konolfingen - Ein zerplatzter Ballon und 9000 Fotos aus der Stratosphäre
Der Konolfinger Joel König hat gestern einen mit Helium gefüllten Wetterballon in 33 Kilometer Höhe fliegen lassen – und fand ihn nach drei Stunden wieder. Eine eingebaute Kamera lieferte tolle Bilder.
Joel König ist konzentriert und scheint seine Umgebung kaum wahrzunehmen. Der 14-jährige Schüler trifft die letzten Vorbereitungen. Endlich ist es soweit: An diesem Montagmorgen will er seinen Wetterballon fliegen lassen. Für sein Abschlussprojekt hat sich Joel keine leichte Aufgabe ausgewählt.
Er hat selber einen Wetterballon zusammengebaut und will ihn, wie dies etwa auch Meteo Schweiz tut, in die Stratosphäre schicken (siehe Kasten). Die Stratosphäre ist jene Schicht in der Erdatmosphäre, die in einer Höhe von rund 17 bis 50 Kilometern liegt. Für sein Projekt hat sich Joel König monatelang ins Zeug gelegt: Für das teure Material hat er Sponsoren aufgetrieben, hat verschiedene Tests durchgeführt und die Homepage Spacemmental erstellt.
Auf dem Boden kniend hantiert er mit Kabelbindern und Klebeband und befestigt damit eine Go-Pro-Kamera und verschiedene Messgeräte in einer Styroporbox. Dazu packt er Wärmebeutel und Küchenschwämme für die Isolation mit rein. Neben ihm liegen zwei schwere Heliumflaschen und über ihm schwebt bereits der mit Helium gefüllte Ballon. Auf dem Startplatz in Konolfingen sind auch Joels Mitschüler versammelt. Joels Familie ist ebenfalls dort und verfolgt die Szene gebannt mit. Der Vater und der Grossvater helfen mit.
Fünf Meter pro Sekunde
Mehrmals musste er bereits den Start verschieben, weil das Wetter nicht mitgespielt hat. Gestern boten sich dann doch noch die idealen Wetterverhältnisse: trocken, wenig Wind und eine gute Sicht für die Luftaufnahmen. Kurz vor 11 Uhr ist dann der Ballon gut zugeknotet und die Styroporbox inklusive eines kleinen Fallschirms mit dem Ballon verbunden. Schliesslich – nach einem «drü zwöi eis» – lässt Joel seinen Wetterballon fliegen. In kürzester Zeit gewinnt er an Höhe und steigt mit fünf Metern pro Sekunde fast senkrecht in die Höhe.
Nach dem Start macht die Kamera jede Sekunde ein Bild. In der Styroporbox befinden sich ausser der Kamera und des GPS-Geräts auch Messgeräte, welche Höhe, Druck und Temperatur konstant messen. «Der Ballon wird knapp drei Stunden in der Luft sein», sagt Joel. «Je höher der Ballon steigt, desto mehr dehnt er sich wegen des tieferen Umgebungsdrucks aus – bis er schliesslich platzt.» Nach der Landung sollte Joel ein Signal vom GPS-Tracker mit den Koordinaten des Wetterballons erhalten. Und tatsächlich: Um 13 Uhr 30 erhält Joel ein Signal, dass die Styroporbox beim Sempachersee im Kanton Luzern gelandet sei. Somit war der Wetterballon nur gut zweieinhalb Stunden in der Luft.
Mit Wanderschuhen auf die Suche
Die Schüler mussten in der Zwischenzeit zurück ins Klassenzimmer, aber Joel machte sich mit seiner Familie auf die Suche nach der hoffentlich unversehrt gelandeten Styroporbox. Im Vorfeld hat Joel mit seinem Vater die Flugbahn des Ballons berechnet. Wo dieser ganz genau landen wird, konnten sie dennoch nicht wissen und haben darum Vorkehrungen getroffen. «Wir haben Wanderschuhe im Kofferraum», sagt Joels Mutter Andrea König. Nötig waren die Wanderschuhe dann doch nicht, denn die Box landete auf einer Wiese.
Joel zeigt sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis: «Besser hätte es nicht laufen können», sagt er. Der Wetterballon sei in eine Höhe von 33 Kilometern gestiegen. Die ganze Box samt Inhalt sei unbeschädigt gelandet und die Kamera habe 9000 Fotos gemacht. Joels Werk ist nun getan, trotzdem legt er sich noch nicht auf die faule Haut. Zuerst schickt er seinen Sponsoren als Dank einige der Bilder. Jetzt habe er auch wieder mehr Zeit für die Schule und seinen Unihockeyclub.
Wetterballone Meteo Schweiz
Auch Meteo Schweiz schickt vom Regionalzentrum in Payerne jeden Tag vier Wetterballone in die Atmosphäre. Damit führt Meteo Schweiz Radiosondierungen durch und misst wichtige meteorologische Werte für die Wettervorhersage. Die Sonden werden im 6-Stunden-Rhythmus in die Luft geschickt und liefern genaue Daten über Wind, Druck, Temperatur, Feuchtigkeit und Ozongehalt. Wegen des Unterdrucks dehnen sich die Ballone aus, bis sie platzen. Laut Urs Keller, Kundenberater bei Meteo Schweiz und ehemaliger Meteorologe, kann sich ein Ballon bis zur Grösse eines Einfamilienhauses ausdehnen.
Die Sonden würden je nach Wetter an verschiedenen Orten und manchmal auch im Ausland landen. Die Suche nach ihnen sei aber zu aufwendig und zu teuer. Mit über 50 Prozent sei die Rücklaufquote relativ hoch. Wie viele Wetterballone von Privaten in die Luft geschickt werden, ist laut Keller nicht bekannt. Um so einen leichten Wetterballon in die Stratosphäre zu schicken, brauche man nämlich keine Genehmigung.
Erstellt:
27.10.2015
Geändert: 27.10.2015
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