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Konolfingen - "Gott wird die Welt wieder heil machen"

Quelle
Wochen-Zeitung

Nach 27 Jahren in der Kirchgemeinde tritt Pfarrer Reinhold Becker in den Ruhestand. Die Frage nach den wichtigen Dingen im Leben hat er sich oft gestellt.

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Pfarrer Reinhold Becker: "Die Wegweisungen von Jesus geben mir Orientierung und Zutrauen." (Bild: Veruschka Jonutis)
Eigentlich wollte Reinhold Becker gar nicht Pfarrer werden. Zu Beginn stand 1968 das Studium zum Gymnasiallehrer. «Nebenbei habe ich noch Theologie studiert, aber mehr mit der Absicht, später Religion zu unterrichten.» Persönlich beschäftigten ihn bereits damals Fragen wie: «Warum lebt der eine, während der andere sterben muss? Was ist der Sinn des Lebens?» In den Grundlagen der Kirche fand der junge Student eine gewisse Wegweisung und Hoffnung auf Antworten. Nach dem Abschluss der Studien arbeitete Reinhold Becker als Lehrer in einer Blindenschule.

Selbstzweifel und Ängste

Unverhofft wurde er um Ferienvertretungen für die Sonntagspredigt in kleinen Dörfern angefragt. «Ich war überzeugt, dass ich das nicht kann und hatte starke Selbstzweifel. Eigentlich bin ich ein sehr scheuer Mensch.» Die Stellvertretungen machte der junge Theologe dennoch –  über drei Jahre lang. Er war überrascht, dass die Kirchenbesucher seine Predigten verstanden und spannend fanden. Mit dem Umzug in die Schweiz 1987 kam einen neue Sprachbarriere dazu; Reinhold Becker ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. «Ich war fremd, das Berndeutsch war eine fremde Sprache ich machte mir Gedanken, ob ich die Leute verstehen kann.» Reinhold Becker zog zusammen mit seiner Frau nach Biglen, wo sie freundschaftlich aufgenommen wurden. «Mir wurde eine Pfarrerstelle in Landiswil angeboten. Zwar überkamen mich wieder die alten Ängste und Nöte.» Trotzdem nahm er die Stelle an.

Freiheiten und Ideen

Neun Jahre später wurde Reinhold Becker von der Kirchgemeinde Konolfingen um die Besetzung des Pfarramts angefragt. Der junge Pfarrer stellte sich der Herausforderung, einen grossen Pfarrkreis zu übernehmen und zog zusammen mit seiner Familie nach Konolfingen. «Ich habe Konolfingen als sehr lebendig erlebt. Die Gemeinde ist gut durchmischt mit ganz unterschiedlichen Menschen, es läuft hier viel und die Atmosphäre ist positiv.» Auch habe er als Pfarrer die Freiheiten und Möglichkeiten gehabt, viele seiner Ideen umzusetzen. «Dasselbe wünsche ich meiner oder meinem noch zu bestimmenden Nachfolgerin oder Nachfolger.»

Ans Wegziehen hat der Pfarrer in den 27 Jahren nie gedacht. «In all den Jahren in Konolfingen habe ich viel Schönes, aber auch Schweres erlebt. Ich fühle mich den Menschen hier sehr verbunden.» Reinhold Becker kann auch akzeptieren, wenn jemand anders denkt als er. Er hat gelernt, tolerant zu sein. «Zum Glück wird man im Alter grosszügiger und gelassener.»
 
Hoffnung und Beistand

Die Kraft, um den Menschen beizustehen, schöpft der 64-Jährige aus seinem unerschütterlichen Glauben. «Ich bin überzeugt, dass all das, was wir einander auf unserer Erde zumuten und antun, von Gott wieder heil gemacht wird.» Er könne nicht glauben, dass die Welt zu Grunde gehe. «Meine Aufgabe ist es, Hoffnung und Beistand zu geben. Mir ist wichtig, dass die Leute nach einer Abdankungsfeier nicht trauriger aus der Kirche gehen, als dass sie reingekommen sind.» Obwohl er seinen Beruf immer gerne ausgeübt hat, freut sich Reinhold Becker nun auf den neuen Lebensabschnitt ab Ende August. «Ich freue mich auf eine selbstbestimmte Zeit, in der ich mehr zum Lesen komme. Auch habe ich noch einige Reisepläne.» Die Hoffnung aus seiner Studentenzeit, auf wichtige Sinnfragen eine Antwort zu finden, hat sich Dank seines Glaubens zumindest teilweise erfüllt: «Oft sind die wichtigen Dinge im Leben ganz einfach».

Autor:in
Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
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Erstellt: 17.07.2014
Geändert: 17.07.2014
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