• Kultur

Pesche Leus letzter Tag: Die Kulturfabrik war ein Lebenswerk

Nach 15 Jahren verabschiedet sich Pesche Leu von der Kulturfabrikbiglen. Der 70-Jährige möchte sich noch viele Jahre seiner eigentlichen Berufung, der Schauspielerei, zuwenden.

Pesche Leu verlässt die Kulturfabrikbiglen. (Bilder: kulturfabrikbiglen.ch / Archiv BERN-OST)
Nach 15 Jahren Kulturfabrikbiglen wendet sich Pesche Leu wieder der Schauspielerei zu (Bild: Archiv BERN-OST)

BERN-OST: Pesche Leu, siehst du dem 10. Juni, dem Tag der Übergabe der Kulturfabrik Biglen, wehmütig entgegen?

Pesche Leu: Äs Birebizzeli. Eines meiner «Lebenswerke», quasi vom Teenager- in das Erwachsenenleben.

 

In der Kulturfabrik warst du sozusagen das «Mädchen für alles» : Bühnenaufbau, Ton, Beleuchtung, Aufräumen, schriftliche Arbeiten und selbst WC-Putzen. War diese Erkenntnis der Auslöser für deine Rückbesinnung auf dein Kerngeschäft als Schauspieler?

In den letzten fünf Jahren gehörten diese Arbeiten zum Tagesgeschäft und liessen mir keine Zeit mehr für meine eigenen Projekte. Daran drohte ich schier zu ersticken. So entschloss ich mich vor zwei Jahren, aufzuhören. Aber nach der Corona-Epidemie beschlossen wir, noch eine Saison anzuhängen. Wir? Daniel Wittwer vom CSG-Catering hat zusammen mit mir extrem viel für die Kulturfabrik auf die Beine gestellt. Nun hören wir zusammen auf.

 

Welche Rollen als Schauspieler entsprechen dir?

Alle. Ich bin sicher ein guter Komödiant, spiele aber ebenso gerne Aussenseiter-Typen.

 

Bist du eher ein Einmann-Schauspieler oder ein Darsteller in einem Ensemble?

Ich spiele gerne in einem Ensemble, besonders auch zusammen mit Jazzmusikern. Solostücke liegen mir auch, aber am liebsten sind mir Lesungen, zum Beispiel von Gedichten von Pablo Neruda. Ein Adventsprogramm in Muri b. Bern ist im Entstehen mit Weihnachtsgeschichten von Schweizer Autoren. In einem aufgestellten, grossen Weihnachtskalender kann das Publikum ein Türchen öffnen, das den Namen des Schriftstellers offenbart.

 

Es war dir ein Anliegen, die Leute mit Kultur glücklich zu machen. Was bedeutet für dich Kultur?

Ich verstehe Kultur sehr breit: Musik, darstellende wie auch bildende Kunst, Literatur – aber auch gute Gespräche. Kultur gilt für mich auch im Umgang mit Menschen, und dann natürlich befindet sie sich in der bewussten Auseinandersetzung mit der Welt und dem Weltgeschehen.

 

Der Begriff Kultur hat sich in den letzten hundert Jahren verändert. Das klassische Theater wurde erweitert durch Freilichtspiele, Musicals, Dialektstücke, Aufführungen von regionalen Autor:innen. Wünschen sich die heutigen Menschen einfach eine leichtere Kost?

Mir scheint mehrheitlich, die Leute wollen anspruchslosere Themen. Ich habe das Gefühl, das Publikum möchte lieber lachen.

 

Wie deutest du die Dialektwelle?

Ich bin ein Dialektfanatiker. Man kann nicht alle, aber viele Theaterstücke auf Berndeutsch übersetzen. Berndeutsch ist umfangreich, blumig, musikalisch und kraftvoll. Ich habe zum Beispiel Aischylos' Tragödie »Die Perser» ins Berndeutsche übertragen und als Freilichttheater inszeniert. Eine Arbeit, auf die ich besonders stolz bin. Aischylos ist der älteste der drei grossen Dichter der griechischen Tragödie.

 

Vertieft die Abkehr vom klassischen zum volkstümlichen Theater der Graben zwischen Land und Stadt?

Ich glaube nicht an den Graben zwischen Land und Stadt. Viele Landbewohner verstehen das Landberndeutsch ebenfalls nicht vollständig. Berndeutsch ist ja von Ort zu Ort sehr verschieden.

 

Planst du eine neue berndeutsche Übertragung?

Ja. Unter anderem Walter Vogts «Die Königin vom Emmental».


Autor:in
Doris Schöni, info@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 10.06.2023
Geändert: 10.06.2023
Klicks heute:
Klicks total: