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Hans Lehmann aus Ursellen: Nach 16 Tagen im Koma hatte er Lust auf Rivella

Hans Lehmann aus Ursellen lag im Frühling wegen Corona 16 Tage im künstlichen Koma. Heute geht es ihm wieder gut. Das Leben liebe er seit seiner Erkrankung noch mehr als vorher.

Hans Lehmann mit seiner Frau Katrin im August 2021 in Adelboden. "Wir haben einen starken Zusammenhalt." (Bilder zvg)
Im Juni war Hans Lehmann wieder zuhause in Ursellen, aber noch geschwächt.
Hans Lehmann im Inselspital, Mai 2021.

Zuerst traf es den Sohn und dessen Freundin, später die Tochter und deren Freund, schliesslich seine Frau und ihn selber. Während das Corona-Virus bei den anderen Mitgliedern der Familie aber nur "es Grippeli" auslöste, erwischte es Hans Lehmann (49) so richtig.

 

Zum Test ging er wegen der Fälle in der Familie, Symptome hatte er selber noch keine. Das positive Resultat erhielt er am Freitag, den 23. April. Am Wochenende wurde er krank, am Montag ging er zum Arzt, auch weil er vor sechs Jahren eine Lungenentzündung hatte und deswegen besonders vorsichtig war. Dort hiess es noch, es bestehe kein Grund zur Sorge. Vorerkrankungen, die ihn zum Risikopatienten gemacht hätten, hat Lehmann keine.

 

Nach dem Röntgen direkt auf den Notfall

Am Freitag bekam er Mühe mit dem Atmen und ging wieder zum Arzt. Das Röntgen zeigte: Die Lunge war schon zu weiten Teilen entzündet, das Corona-Virus griff um sich. Der Hausarzt schickte Lehmann direkt nach Thun auf den Notfall, wo man ihn behielt und ihm erstmals Sauerstoff gab.

 

Am Samstag, als sich sein Zustand weiter verschlechterte, versetzten ihn die Ärzt:innen ins künstliche Koma, um ihn intubieren und beatmen zu können. Sie verlegten ihn ins Berner Inselspital, wo es andere, bessere Beatmungsmaschinen gibt. Dort blieb er bis am Dienstag. Da es ihm besser ging, verlegte man ihn aus Platzgründen wieder zurück nach Thun.

 

"Man hatte mich schon fast aufgegeben"

16 Tage kämpften die Ärzt:innen in Thun und Bern um das Leben von Hans Lehmann. Nebst der Lunge griff das Virus weitere Organe an, der Dünndarm versagte. „Man hatte mich schon fast aufgegeben“, erzählt er. 

 

Seine Frau konnte ihn erst besuchen, nachdem ihre eigene Isolation beendet war. Dann aber täglich, eine Stunde. Manchmal hoffnungsvoll, manchmal nicht. „Als ich von Thun nach Bern verlegt wurde, löste das schon Panik aus in der Familie.“ Alle hätten mitgelitten.

 

Nach dem Aufwachen kam der Durst

Nach 16 Tagen Koma, Lehmann war wieder stabil und alle Werte im grünen Bereich, entschlossen sich die Ärztinnen, die Beatmung zu stoppen und ihn wieder aufzuwecken. „Als Erstes hatte ich Durst und Lust auf ein Rivella“, erzählt er. Am Liebsten wäre er sofort nach Hause zu seiner Familie gegangen. „Das ging aber nicht. Zuerst musste ich wieder laufen lernen und richtig atmen“. Danach habe er aber auf eine Entlassung gedrängt, bis man ihn am 22. Mai, nach total 21 Tagen im Spital, gehen liess. „Ich wusste, dass ich zuhause am besten gesund werde. Wir haben einen sehr starken Zusammenhalt in der Familie.“

 

Alpträume und Mittagsschlaf

An „Long-Covid“ leidet Hans Lehmann nicht. Das Gesundwerden brauchte aber Zeit. „Die Verdauung brauchte eine Weile, bis sie sich erholt hatte. Anfangs konnte ich nicht schlafen und hatte Alpträume.“ Später habe er einfach sehr viel Schlaf gebraucht und einen Mittagsschlaf, damit er den Tag gut durchstand. Seine Arbeit in einer Velowerkstatt nahm er nur langsam wieder auf. Zuerst zu 50 Prozent, dann immer mehr, bis er wieder voll arbeitete. „Heute ist alles wieder gut“, sagt er. Hans Lehmann hatte Glück. 

 

"Ich liebe das Leben noch mehr"

Die Erfahrung, die Pandemie so heftig am eigenen Leib zu spüren und zu erleben, wie er im Spital umsorgt wurde, hat ihn allerdings psychisch verändert. „Vor allem ist es so, dass ich das Leben jetzt noch mehr liebe. Ich nehme alles etwas lockerer und lasse mich weniger stressen.“ Ausserdem habe er einen verstärkten Wunsch, nach sozialen Kontakten, das Bedürfnis, alte Kolleg:innen zu treffen. „Allgemein bin ich viel fröhlicher!“

 

"Ich sehe oft eine Trotzreaktion"

Nicht lustig findet er dafür, dass sich so viele nicht impfen lassen, auch in seinem Umfeld. „Ich verstehe es einfach nicht“, sagt er dazu. „Ich sehe da oft eine Trotzreaktion. Ich frage dann, was wohl passiert wäre, wenn es die Impfung nicht gäbe?“ Er selber war zum Impfen angemeldet, als er erkrankte. „Für mich war das immer klar. Aus Solidarität mit meinen Mitmenschen und mit dem Pflegepersonal.“

 

Diskutieren für das Pflegepersonal

Nun sei er bei dem Thema noch etwas emotionaler. „Meine Frau sagt immer, ich solle nicht so aggressiv reagieren. Das versuche ich und oft halte ich mich aus Diskussionen raus.“ Wenn er doch ab und zu diskutiere, dann den Leuten zuliebe, die ihn gesundpflegten. „Das Pflegepersonal hat mir das Leben gerettet.“

 

Er erlebe es aber auch, dass Leute zu ihm kämen und ihm sagten, sie würden sich jetzt auch impfen lassen. Sowieso sei die Anteilnahme im Dorf sehr schön gewesen. Man erkundigte sich nach ihm und bot Hilfe an. „Als ich im Spital war, hatte meine Frau täglich Blumen vor der Tür.“


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 09.11.2021
Geändert: 10.11.2021
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