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Lotto: Auf der Jagd nach der Berner Platte
Herbst ist, wenn in den Dörfern Hunderte in die Säle strömen und Stunden später bepackt mit Hammen oder Früchtekörben wieder nach Hause gehen. Wir haben beim Lotto der Schützengesellschaft Konolfingen Jagd auf die Berner Platte gemacht.
Eine Berner Platte ist das grosse Ziel unserer Vierergruppe. Eine Raclettekiste oder der grosse Gemüsekorb würden es auch tun. Eine einzige Stalden-Creme wiederum, das wäre eine Enttäuschung. Denn die Stalden-Creme gibt es auch als Trostpreis und wird jedem mitgegeben, der nichts gewonnen hat.
Mit dem Herbst beginnt wieder die Lottosaison. Etliche Vereine bestreiten in diesen Wochen ihr Lotto, um die Vereinskasse aufzubessern. Die Schützengesellschaft Konolfingen veranstaltet seit etwa einem Vierteljahrhundert jeweils Anfang Oktober ihr Lotto, wie Vereinspräsident Rolf Rothenbühler sagt. Und dies jeweils an zwei Tagen. Seit gut fünf Jahren ist der Austragungsort das Kirchgemeindehaus in Konolfingen. Heuer kamen an beiden Abenden je gut 140 Leute.
Der ganze Verein im Einsatz
Die anfängliche Befürchtung, im Kirchgemeindehaus könnte es kein Bier geben, bewahrheitet sich nicht. «Da kennen Sie uns aber schlecht», sagt Maja Pieren. Sie ist im Vorstand und sitzt an diesem Abend an der Kasse.
Die Zehn, die Siebenundfünfzig und die Dreizehn, im Lottojargon Theresli genannt − diese drei Zahlen sind Pflicht. Die Zehn sei schon am Freitagabend immer gekommen, sagt die Tischnachbarin. Die Siebenundfünfzig ist eine persönliche Empfehlung des Vereinspräsidenten, und das Theresli, die Glückszahl, muss man einfach auf der Karte haben, da gibt es nichts zu diskutieren. Für die Schützengesellschaft Konolfingen ist das alljährliche Lotto wichtig. Neben dem Schützenfest sei das Lotto die Haupteinnahmequelle, sagt Präsident Rothenbühler. Denn nur von den Mitgliederbeiträgen kann der Verein nicht leben. Derzeit sind es 32 Aktivmitglieder sowie 16 Jungschützinnen und Jungschützen. Für das Lotto muss jeweils fast die ganze Delegation aufgeboten werden. «An den beiden Tagen sind 28 Personen im Einsatz», sagt der Präsident. An den zwei Abenden werden jeweils 25 Gänge gespielt. In jedem Gang gibt es fünf Preise zu ergattern. So ungefähr jeder dritte Gang führt eine Berner Platte.
Die Preise würden alle von Läden aus der Gemeinde oder der näheren Umgebung stammen, sagt Rothenbühler. «Uns ist wichtig, dass wir der Bevölkerung auch was zurückgeben können.»
Lotto nach sieben Zahlen
Das System eines Lottos ist weitläufig bekannt: Hat man auf seiner Karte alle fünf Zahlen einer Reihe abgedeckt, muss so laut wie möglich «Lotto» oder «Karton» gerufen werden. Es gehört zu den deprimierenden Erfahrungen, wenn einer bereits nach der siebten gezogenen Zahl ein «Lotto» in den Saal hineinruft und einem so die ersehnte Berner Platte wegschnappt. Klar geht sofort ein Gemurmel los. Aber da heisst es ruhig Blut bewahren. Noch sind die 25 Gänge nicht vorbei.
Eine Toilettenpause liegt fast nicht drin. Ist ein Gang durch, bleibt gerade mal Zeit, dreimal durchzuatmen. Dann hallt es wieder aus den Boxen: «Null eins − tiefer gehts nicht.» Und wieder ist höchste Konzentration gefragt. Nach 15 Gängen wird klar: Weniger ist mehr. Vier Karten sind ideal. Sechs sind schon aus Platzgründen unangenehm, und alles darüber ist Stress pur. Denn am Schützenlotto wird nicht lange gefackelt. Die Zahlen prasseln nur so auf einen nieder. Da kann man den Tischnachbarn nur bewundern, wenn er es im Schlussgang mit sechzehn Karten nochmals wissen will.
Ansehnliche Beute
Nach drei Stunden Spielzeit, inklusive einer ganz kurzen WC-Pause, kann sich die Beute der Vierergruppe sehen lassen. Auf dem Tisch liegen ein Rohschinkli, eine Salami, Speck, eine Hamme und zwei Dosen Stalden-Creme. Doch die Berner Platte fehlt. Immer ging sie nach «Urselle», nach «Hütlige» oder zu Fridu oder Hennä, wie dies der Speaker jeweils liebevoll ins Mikrofon sagte. Ein Trost bleibt: Es fehlen nur noch das Sauerkraut und die Zungenwurst, dann ist die Berner Platte auch komplett.
Lottoverein 51 - Die Lottoprofis aus Worb
Nicht alle Vereine wollen den organisatorischen Aufwand eines Lottos auf sich nehmen. Darum gibt es den Lottoverein 51, der für andere Lottos durchführt. Für Präsident Roland Künzler ein Erfolgsrezept.
Traditionelle Lottos haben vielerorts einen schweren Stand. Der organisatorische Aufwand ist gross, während die Besucherzahlen abnehmen. «Es gibt immer noch Lottos, die viele Leute anlocken», sagt Roland Künzler, «aber es sind immer weniger geworden.» Seit über zwanzig Jahren organisiert er Lottos. Als ehemaliger Geschäftsführer eines Ladens, der auch Lottoartikel verkauft, hat Künzler schon viel erlebt. Er vermutet, dass ein Grund für das schwindende Interesse auch die Preise sind.
«Heutzutage wollen viele Leute nicht mehr um eine Hamme oder einen Früchtekorb spielen», sagt er. Darum gründete der Pensionär vor fünf Jahren den Lottoverein 51. Dieser organisiert Lottos für interessierte Vereine und bietet gleichzeitig Lottobegeisterten die Möglichkeit, regelmässig ihrem Hobby zu frönen.
175 Mitglieder
Im Bärensaal Worb finden jährlich 110 Lottos von insgesamt 60 Vereinen aus dem ganzen Kanton Bern statt. Diese müssen dabei lediglich fünf Helfer zur Verfügung stellen. Alles andere übernimmt der Lottoverein 51. Dies sei ein grosser Vorteil, sagt Künzler. Denn der Lottoverein 51 kann mittlerweile auf eine grosse Stammkundschaft zählen, und davon profitieren auch die Vereine. Schon 175 Mitglieder fordern regelmässig ihr Glück heraus. Künzler sagt, wenn bereits zwei Drittel der Mitglieder ein Lotto besuchten und dann der jeweilige Verein auch noch Leute mobilisieren könne, sei der Bärensaal gut gefüllt. Gespielt wird beim Lottoverein 51 ausschliesslich um Geschenkgutscheine eines Grossverteilers.
Es gibt 19 Gänge. Im letzten erhält der Spieler, der als Erstes alle Zahlen auf einer Karte abgedeckt hat, 1000 Franken. Insgesamt wird an einem Abend um Preise im Gesamtwert von 8000 bis 9000 Franken gespielt. Am liebsten würden viele um Bargeld spielen, erzählt Künzler. Das ist im Kanton Bern allerdings verboten – anders als im Kanton Freiburg, wo Gewinne bis 1000 Franken auch bar ausbezahlt werden können. Als einziger Lottoverein im Kanton bietet der Lottoverein 51 allerdings die Möglichkeit, die gewonnenen Gutscheine bei einem nächsten Lotto wieder ins Spiel zu investieren. Es wäre ja sonst schade, wenn jemand etwas gewänne, aber kein Geld mehr habe zum Lottospielen, meint Künzler.
Vereine erhalten Geld
Es ist ein Erfolgsrezept, das der Lottoverein 51 gefunden hat. Momentan sind alle Termine ausgebucht, und es gibt eine Warteliste von Vereinen, die ihr Lotto auch gerne mit dem Lottoverein 51 durchführen würden. Ein Grund für die Popularität ist sicherlich, dass für die Vereine bei minimalem Aufwand ein Gewinn herausschaut. Er habe in den letzten zwei Jahren nie weniger als 1500 Franken ausbezahlt, sagt Roland Künzler.
Trotz den teils negativen Tendenzen ist das traditionelle Gesellschaftsspiel also unverändert populär. «Viele suchen beim Lottospielen den Kick», sagt Künzler und erzählt von Spielern, die, anstatt in die Ferien zu fahren, in den Bärensaal Worb kommen. Das sei für sie wie Ferien.
Erstellt:
12.10.2015
Geändert: 12.10.2015
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