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Jodlerin Marianne Weingart: "Ich habe den schönsten Arbeitsplatz von Konolfingen"
Marianne Weingart (65) aus Konolfingen kennen viele als Jodlerin und Dirigentin von Jodelchören. Sie hat aber noch eine andere Leidenschaft: Seit 25 Jahren fährt sie Schulbus, stets unfallfrei.
Zweimal in der Woche steuert Weingart ihren weissen MAN-Bus von den Schulhäusern Konolfingen über Hötschigen, Ballenbühl und Hürnberg nach Gysenstein und retour. Viermal am Tag fährt sie die Strecke – im Winter mit Spikes – und bringt und holt rund 30 Schulkinder. «Ich habe den schönsten Arbeitsplatz von ganz Konolfingen», sagt sie. Sie schwärmt von der Sicht vom Ballenbühl aus auf die umliegenden Berge. Jura, Berner Alpen, Pilatus, Stockhorn – das Rundpanorama fasziniert sie immer wieder. «Mit dem Wetter sieht es immer anders aus. Darauf zu achten, gebe ich den Kindern weiter. Ich lebe mit dem», sagt sie.
Der Bus fuhr nur einmal nicht
Vor 25 Jahren musste die gelernte Krankenpflegerin wegen Rückenproblemen den Beruf wechseln. Anfangs fuhr sie, genau wie seit der Pensionierung wieder, jeweils am Dienstag und Mittwoch Schulbus. «Als die Kinder teure Ausbildungen machten, musste ich mehr verdienen.» Da sie das Pensum beim Schulbus nicht erhöhen konnte, arbeitete sie parallel dazu noch im Aussendienst einer Gesundheitsfirma. Als es in Konolfingen einen zweiten Schulbus gab, stockte sie dann auf. Bis zu ihrer Pensionierung letzten Sommer war sie an jedem Schultag im Einsatz.
Früher gab es neben ihr nur einen weiteren Chauffeur, heute fahren drei Personen ihren weissen Bus. «Das ist ‘gäbig’, zum Beispiel, wenn jemand krank ist», sagt Weingart. Als sie nur zu Zweit fuhren, sei es aber nur einmal vorgekommen, dass beide gleichzeitig krank waren und der Bus somit nicht fuhr. Heute gibt es zudem insgesamt drei Busse.
"Frau der klaren Worte"
Der schöne Arbeitsweg und dass sie gerne Auto fährt, sind nicht die einzigen Gründe, warum Weingart ihren Job so gerne macht. «Ich habe eine Leidenschaft für andere Menschen», sagt sie. Sie sei «eine Frau der klaren Worte, aber immer liebevoll.» Damit meistert sie auch schwierige Situationen. Etwa, wenn Eltern beim Taxidienst fremde Kinder gefährden. «Da mache ich den Mund schon auf, wenn jemand so gefährlich tut», sagt Weingart. Oder auch, wenn Erwachsene die für Kinder klaren gelben ‘Füessli’ am Boden ignorieren, die das Gehen auf einer bestimmten Strassenseite anzeigen. «Mit meinen grossen Dirigentinnenhänden taktiere ich dann die Eltern auf die andere Seite», beschreibt Weingart lachend. Sie versuche jeweils, die Eltern ins Boot zu holen.
"Begehrlichkeiten haben zugenommen"
Einfach ist das aber nicht immer. Bei Eltern und Kindern habe sich viel verändert in den letzten 25 Jahren. «Die Ansprüche und Begehrlichkeiten haben bei den Eltern sehr zugenommen», sagt Weingart. Dabei sei der Schüler*innentransport in Konolfingen kompliziert, weil es mehrere Schulhäuser gibt. «Es ist schwierig für die Gemeinde, allen gerecht zu werden.» Aber sie bewundere die Schulleitung: «Am Schluss kommen alle Kinder in die Schule.»
Schwierig sei auch die Zeit vor der Abstimmung wegen des neuen zentralisierten Schulhauses in Konolfingen gewesen. «Alle waren nervös. Das Büro, die Eltern und die Lehrer*innen. Da lag Sprengstoff in der Luft.» Sie und die anderen Fahrer*innen hätten viel zu hören bekommen und die Leute seien auf sie losgegangen. «Wir waren wie dazwischen.» Dabei seien sie einfach bei der Gemeinde für die Dienstleistung des Schulbusses angestellt.
Singen im Schulbus
Bei den Kindern sei alles viel mehr technisiert. «Sie reden viel vom Gamen.» Und einmal habe ein Kind nicht gewusst, was ein ‘Rittiplampi’ ist. «Das gibt mir zu denken: Warum geht man in der Freizeit nicht einfach auf den Spielplatz, um seinem Kind etwas zu bieten?», fragt sich Weingart. Schwierig fand sie auch, als sie Kinder vom Durchgangsheim transportieren musste. «Das war eine andere Stimmung als Friede, Freude, Eierkuchen.» Manche seien aggressiv gewesen.
Dabei sei ihr auch das Singen mit den Kindern ab Handen gekommen, das sie früher rege gepflegt hatte. Auch weil diese Kinder die Schweizerlieder nicht kannten. Jetzt habe sie aber wieder tolle Eltern und Kinder. «Jetzt singen die Kinder selber. Oder wir drehen die Musik lauter», sagt Weingart. Die Kinder hätten es gut zusammen, und da mische sie sich auch nicht gross in ihre Gespräche ein. Nur dann, wenn es etwas zu laut wird. Und: «Manchmal haben sie am Anfang etwas Angst. Dann muss man ihnen ‘echli chüderle’.»
[i] Zum Jodler-Egge der Familie Weingart
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Erstellt:
21.03.2021
Geändert: 21.03.2021
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