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Metall und Handwerk: «Längeres Wochenende für die Mitarbeitenden»

Seit diesem Januar arbeiten die Angestellten von Jürg Stollers Metallbau-Unternehmen in Münsingen nur noch viereinhalb Tage pro Woche statt fünf. Stollers Idee: Die begehrten Fachkräfte anlocken – und sie auch halten. Seine Hoffnung: «So arbeiten alle effizient, werden weniger krank und sind motiviert.»

Die Mitarbeitenden der Firma Metall und Handwerk in Münsingen freuen sich über die kürzere Arbeitswoche. (Foto: zvg)

Am Freitagnachmittag sitzt Jürg Stoller, Geschäftsführer der Metall und Handwerk AG in Münsingen, seit Januar allein im Büro: Seine Angestellten – Fachmänner Metall- und Kaminbau, ein Lernender und eine Mitarbeiterin Administration – arbeiten nur noch bis am Mittag. Und zwar jede Woche.

 

«Ab Januar 2024 dürfen sich die Mitarbeitenden über ein längeres Wochenende freuen», hat Stoller der Kundschaft in einem Informationsschreiben mitgeteilt: «Die Firma optimiert das Arbeitszeitmodell.» Und: «Es soll eine Win-Win-Situation geschaffen werden, ohne dass die Mitarbeitenden eine Lohneinbusse akzeptieren müssen.»

 

«Es rührt sich einfach gar nichts»

Schon seit einiger Zeit machte sich Jürg Stoller Gedanken, wie er dem immer stärker spürbaren Fachkräftemangel begegnen könnte: «Ich kann suchen und inserieren, und es rührt sich einfach gar nichts», fasst er die Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammen.

 

Ausserdem merkte er, dass sich auch seine Angestellten zunehmend nach einer besseren Work-Life-Balance sehnten. Unlängst habe beispielsweise ein Mitarbeiter gefragt, ob er sein Pensum auf 80 Prozent reduzieren könne. Stoller hat für solche Wünsche Verständnis: «Die Arbeitswelt ist schneller, stressiger und kurzfristiger geworden.» Die heutige Schnelllebigkeit biete zwar Vorteile, sei aber nicht unbedingt gesundheitsförderlich.

 

Lösungen und Erfahrungen gesucht

Letztes Jahr diskutierte Jürg Stoller deshalb am Wirtschaftsforum Münsingen mit anderen Unternehmern, und gemeinsam überlegten sie, welche Lösungen sich in dieser Situation anbieten. Gleichzeitig begann Stoller, Berichte von Firmen zu lesen, die sich an neuen Modellen versuchten, und verfolgte gespannt, welche Erfahrungen andere damit machen.

 

Irgendwann war klar: Eine verkürzte Arbeitswoche könnte die Lösung sein. Denn, «seien wir ehrlich», niemand könne neun Stunden täglich bei voller Leistung arbeiten. Weniger Arbeitszeit hingegen biete Raum für mehr freie Zeit, in denen die Mitarbeitenden mit Familie und Freund:innen oder Hobbys Energie auftanken können. Und dann, überlegte Stoller, erscheinen sie wieder frisch erholt bei der Arbeit. «So arbeiten alle effizient, werden weniger krank und sind motiviert.»

 

Der Freitagnachmittag ist frei

Stollers Entscheid war rasch gefällt: Der Freitagnachmittag wird frei. Für alle. Das habe planerische Gründe, erklärt er. Denn wenn alle ihre individuellen Wünsche angeben möchten, würde das zu kompliziert: «Die Serviceteams müssen sich organisieren können.»

 

Ausserdem beschloss er, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden aktiv zu fördern: Er offeriert ihnen einen «Wellness-Bon», wahlweise ein Jahresabonnement in einem Fitnesscenter, regelmässige Massage oder einen Jahreseintritt in die Schwimmhalle Bern.

 

«Alle sollen Ideen eingeben»

«Damit plane ich allerdings keineswegs, dass die Angestellten in den 90 Prozent Arbeitszeit Vollstress haben und viel mehr leisten sollen», betont Stoller. Im Gegenteil: «Alle sollen zu Mitdenker:innen werden und Ideen eingeben, wie sich Abläufe effizienter oder Arbeitsschritte einfacher gestalten lassen.»

 

Damit möchte er alte Muster durchbrechen. Niemand soll einfach morgens kommen, abends wieder gehen und dazwischen bloss erledigen, was ihm oder ihr aufgetragen wurde. «Mein Ziel ist, dass alle projektorientiert arbeiten.»

 

Bisher sehr positive Reaktionen

Die Reaktionen im Team waren – wen wundert's – sehr positiv. Wie sich das tatsächlich auf die Gesundheit und die Arbeitsenergie auswirkt, muss sich noch zeigen. Stoller verspricht jedoch im Informationsschreiben: «Mit unserem neuen Arbeitszeitmodell können sich die Kunden und Partner weiterhin auf die hundertprozentige Leistung der Metall und Handwerk AG verlassen.»


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 15.01.2024
Geändert: 15.01.2024
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