• Kultur

Münsingen - Die Note 1 ist tabu

Quelle
Berner Zeitung BZ

Jedes Jahr buhlen Dutzende Amateurfotoclubs um den «Photo Münsingen Award». Normalerweise findet die Beratung der Jury hinter verschlossenen Türen statt. Diesmal nicht.

7df0d589faeb9ac6cb6854ad588660de.jpg
7df0d589faeb9ac6cb6854ad588660de.jpg
Die Jury an der Arbeit: Nicole Philipp, Gabriele Ortner und Tassos Kitsakis (v.?l.) vor den Werken der teilnehmenden Fotoclubs. (Bild: Beat Mathys)
Das Urteil von Tassos Kitsakis fällt erst mal kritisch aus. «Viele Bilder sind leider sehr ähnlich.» Kitsakis, ein Fotograf aus Rümlang, gehört der Jury des diesjährigen Münsinger Photo-Award an. 57 Amateurclubs aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Liechtenstein haben ihre Arbeiten eingereicht.

«Energie» lautete das Thema. «Wer ­dieses Wort auf Google eingibt, erhält eine Million Bilder mit Strommasten, Batterien oder Lokomotiven», sagt Kitsakis. «Ein Fotograf sollte sich fragen, ob er hier noch ein weiteres hinzufügen sollte.»

Die Anweisungen

Dann wird er milder. «Ich habe viele schöne Bilder gesehen.» Manche seien technisch sehr gut gemacht. «Und einige haben Witz.» Kitsakis hat sogar welche entdeckt, «die zu mir sprechen». Das sind für ihn die besten Bilder. Es ist Montagabend im Schlossgutsaal in Münsingen. Der Abend der Entscheidung. Niklaus Messer vom Organisationskomitee der Photo Münsingen gibt der ­Jury letzte Anweisungen.

Neben Kitsakis wurden vom Komitee auch die Fotografinnen Gabriele Ortner aus Einigen und Nicole Philipp aus Bern in die dies­jährige Jury berufen. Die drei Profis werden jetzt, zwei Tage vor Beginn des Forums für Amateurfotografie, den Sieger küren und fünf weitere Preisträger bestimmen.

Die Arbeiten der Fotoclubs sind auf langen Stellwänden im Saal ausgestellt und mit Nummern versehen. Pro Werk können alle drei Juroren 1 bis 10 Punkte verteilen. Die Note 1 ist aber tabu. «Wir wollen eine konstruktive Bewertung», sagt Messer. Es sei aber auch nicht Sinn der Sache, nur die Noten 6 oder 7 zu ver­geben. «Die Unterschiede sollen sichtbar werden.»

Die Bewertung

Kitsakis, Ortner und Philipp erhalten ein Blatt mit den Kriterien. Sie sollen den Gesamteindruck, die Umsetzung, die Anzahl Informationen auf den Bildern, die grafische Gestaltung und natürlich die Technik beurteilen. Dann verteilen sie sich vor den Ausstellungswänden, gehen von Bild zu Bild, machen Notizen. Für eine halbe Stunde wird es still im Saal.

«Zuerst schaue ich darauf, was mir ins Auge springt», sagt Ga­briele Ortner. Dabei spielten persönliche Vorlieben eine grosse Rolle. Letztlich halte sie sich aber an den Kriterienkatalog, um eine möglichst objektive Bewertung abzugeben. Die Qualität der Bilder sei gut, findet Ortner. «Man darf nicht vergessen, dass hier Amateure am Werk sind.»

Die Rangliste

Nach getaner Arbeit geben die Jurymitglieder ihren Bewertungsbogen ab. Die Punkte werden in den Computer eingetippt, wenige Minuten später steht das vorläufige Ergebnis fest: An der Spitze stehen zwei Clubs mit 28 von möglichen 30 Punkten, dahinter liegen zwei Arbeiten mit 26 Punkten, gefolgt von fünf Clubs mit 24 Punkten.

Nun beginnt der schwierigste Teil der Arbeit. «Die Clubs auf den ersten sechs Rängen müssen alle eine unterschiedliche Punktzahl aufweisen», sagt Messer. Deshalb müssen die Juroren die Punktvergabe korrigieren – und helfen sich für die klare Rang­folge mit halben Punkten aus.

Der Sieger

Für den Sieg aber kommen nur noch die Werke mit 28 Punkten infrage. Die eine Arbeit stellt in fünf Schwarzweissbildern das Licht ins Zentrum. Die andere zeigt fünf Nahaufnahmen eines abbrennenden Zündholzes. Am Ende ist sich die Jury einig. Die Licht-Serie erhält neu 29 Punkte. Und somit den diesjährigen Photo-Award.

Photo Münsingen: Noch bis Sonntag im Schlossgutareal, Münsingen.

Infos unter photomuensingen.ch.

Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 06.05.2016
Geändert: 06.05.2016
Klicks heute:
Klicks total: