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Münsingen - Falken vertreiben Krähen
Die Gemeinde bekämpft die Krähenplage beim Schloss mit einem Falkner. Deshalb spaziert Ulrich Lüthi mit seinen Greifvögeln hin und wieder durch den Park und sorgt für Unruhe in den Baumkronen.
Ein durchdringender Schrei erfüllt den Münsinger Schlosspark, ein hoher, schriller, satter Schrei. «Wie schön das klingt», sagt Ulrich Lüthi. Der Laut stammt vom Wanderfalken, der sich an den linken Arm des Falkners klammert. Und während nun Lüthi durch den Park spaziert, dreht das Weibchen ständig seinen Kopf, schwingt die Flügel in der Luft und stösst ohne Pause seine Schreie aus.
Das Duo ist an diesem Morgen im Auftrag der Gemeinde Münsingen unterwegs. Falkner und Vogel haben es auf die Rabenkrähen abgesehen, die auf den hohen Platanen im Park ihre Nester angelegt haben. Das Schreien und nur schon die Präsenz des Greifvogels sollen die Viecher aus den Kronen vertreiben.
«Es gibt hier einfach zu viele Krähen», sagt Gemeinderätin Rosmarie Münger (SP). Die Münsinger Einwohner fühlen sich von Lärm und Dreck geplagt. «Wir erhalten viele Reklamationen.» Deshalb engagierte der Gemeinderat den Falkner aus Kriechenwil. Also patrouilliert Lüthi alle paar Tage durch das Schlossareal und macht den Krähen das Leben schwer.
Einer schreit, einer nicht
Bei seiner Ankunft an diesem Morgen zählt er in den Bäumen rund dreissig Krähen. Kaum ist er aus dem Auto gestiegen, fliegen schon zehn der Rabenvögel weg. Lüthi setzt sich den Wanderfalken auf den gepolsterten Arm, packt die Leine und etwas Futter ein. Eintagsküken ergeben eine volle Mahlzeit, die Beine davon einen Snack. Dem Vogel hat er eine Haube aufgesetzt, damit er ruhiger ist. Dann geht er Richtung Schlosspark.
«Ich komme unregelmässig vorbei, sonst würden sich die Krähen daran gewöhnen», sagt Lüthi. Neben dem neunjährigen Wanderfalken hat er auch sein zweites Tier, einen jungen Sakerfalken, dabei. Diese Art ist etwas grösser und im Gegensatz zum Wanderfalken in der Schweiz nicht heimisch. Und sie schreit nicht.
An einer Leine befestigt
Im Park befestigt er seinen Wanderfalken an der Leine, damit er nicht wegfliegt. Dann nimmt er die Haube ab, worauf der Vogel laut zu schreien beginnt. Jetzt muss Lüthi eigentlich nicht viel anderes tun, als den Vogel auf dem Arm zu halten und ein wenig herumzugehen.
Die Präsenz stört die Krähen
«Das Ziel ist es, dass die Krähen nicht in dieser Gegend brüten», sagt der Falkner. Je öfter er herkomme, desto nachhaltiger sei die Vergrämungstaktik. Allein die Anwesenheit der Greifvögel genüge dazu, die Krähen zu vertreiben. «Denn sie wissen, dass der Falke ein Jäger ist.» Die schrillen Töne geben ihnen den Rest. Seit etwa drei Jahren habe Münsingen ein Krähenproblem, sagt Gemeinderätin Münger. Zahlen hat sie nicht. Aber vor allem in den hohen Platanen des Schlossparks gefällt es den Vögeln bestens. «Manchmal sorgen sie für Spektakel.» Für die Besucher und Passanten sei das nicht immer angenehm. Und es passt auch nicht in die politische Agenda des Gemeinderats, der den Schlosspark verschönern und zu einem Treffpunkt umgestalten will.
Nun hofft Münger, dass sich Lüthis Einsatz auszahlt. «Wir werden das später analysieren.» Die Gemeinde setzt in den nächsten Wochen neben dem Falkner noch auf weitere Waffen im Kampf gegen die Plage: Silberstreifen und hampelnde Uhu-Attrappen sollen die Krähen vergrämen. «Es haben sich einige Leute bereit erklärt, die Attrappen zu bedienen», sagt Münger. Zudem werden die Krähennester entfernt. Alle diese Massnahmen kosten 5000 bis 6000 Franken.
Faszination Falke
Lüthi hat die Falknerei – die Arbeit mit Greifvögeln – vor ein paar Jahren zum Teilzeitberuf gemacht. Daneben betreibt er in Kriechenwil eine Heilpraxis. «Es ist unheimlich faszinierend, mit diesen Tieren zusammenzuarbeiten», sagt er. «Meine Falken sind Freunde für mich, wie auch mein Hund ein Freund ist.»
Für Interessierte bietet Ulrich Lüthi Begegnungen mit seinen Vögeln an, auf Mittelaltermärkten stellt er sein Handwerk vor. Und er übt mit seinen Tieren auch die Beizjagd aus. In Münsingen kommt allerdings nicht infrage, dass die Falken auf Beutejagd gehen. «Das mache ich nur in unbewohnten Gebieten», sagt er. Im lauschigen Schlosspark wendet er die sanfte Methode an. Auch damit hat er Erfolg. Nach einer Stunde ist es in den Baumwipfeln ruhig geworden. Die Krähen haben klein beigegeben.
Zu hören ist jetzt nur noch der hohe, laute Schrei des Wanderfalken.
DIE MASSNAHMEN DER STADT BERN
Hampeluhus sollen in Münsingen mithelfen, Krähen zu vergrämen (siehe Haupttext). In der Stadt Bern sind solche Attrappen seit drei Jahren im Einsatz – mit durchzogenem Erfolg, wie im Januar 2015 eine Auswertung zeigte. Zwar brüteten in Bäumen mit Hampeluhu keine Krähen mehr, und auch aus den Bäumen in unmittelbarer Nachbarschaft waren sie verschwunden. Dennoch hatte es in den betroffenen Strassen nicht weniger Krähen – sie hatten sich lediglich auf andere Bäume verteilt. Als weitere Massnahme spannte die Stadt mit einem holländischen Verhaltensbiologen zusammen, um mit ihm die Grundlagen für eine mögliche Umsiedlung zu erarbeiten.
Erstellt:
09.02.2017
Geändert: 09.02.2017
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