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Münsingen - "Meine Schafe blöken nicht"

Michael Hochstrasser wohnt in Münsingen und hat ein spezielles Hobby. Er hält 40 Schafe. Im Gespräch mit BERN-OST erzählt er, wie aus ihm ein Schäfer wurde und wie dumm Schafe sind.

Der Schäfer von Münsingen. (Bild: Rolf Blaser)
Wenn der Schäfer auf die Wiese kommt, freuen sich die Schafe. (Bild: Rolf Blaser)
Die Schafe eilen zum Mann mit dem Heu. (Bild: Rolf Blaser)
Die Walliser Landschafe stürzen sich auf das Heu. (Bild: Rolf Blaser)
Der ausgewachsene Widder. Das Ouessantschaf stammt aus der Bretagne. (Bild: Rolf Blaser)
Schafe haben keine Handys. Deshalb muss es beschnuppert werden. (Bild: Rolf Blaser)
Das Lämmlein ist erst drei Wochen alt. (Bild: Rolf Blaser)
Schäfer Michael Hochstrasser mit Border Collie. Der Hund kanns kaum erwarten, die Schafe über die Wiese zu treiben. (Bild: Rolf Blaser)

Michael Hochstrasser (48) hat 40 Schafe. Wir treffen uns an einem kalten Mittwochmorgen. In der Nacht hatte es geschneit, die Temperatur fiel unter Null. Den Schafen sei das egal. Hochstrasser grinst: "Meine Schafe sind Ganzjahres-Freilandschafe. Sie sind immer draussen."

 

Die meisten Tiere stehen auf der Weide und fressen kaltes Gras. Einige Schafe liegen am Boden. Das machen sie, wenn sie wiederkäuen, erklärt Hochstrasser. "Den Tieren gefällt es draussen. Die haben ein dickes Fell. Wenn es regnet, perlt das Wasser ab. Im Winter haben sie manchmal auch sozusagen einen gefrorenen Panzer auf dem Rücken. Aber auch das macht den Tieren nichts aus."

 

Ganzjahres-Freilandschafe

Die Kälte scheint nicht nur an den Schafen spurlos vorbeizugehen. Auch der Schäfer lässt sich nichts anmerken. Während ich in Wollpullover und Daunenjacke verpackt bin, steht Hochstrasser da in Faserpelz und Outdoorjacke. Er hat etwa sieben fixe Weiden, auf denen seine Schafe grasen. Für die Weiden hat er einen Nutzungsvertrag mit der Gemeinde.

 

"Meine Schafe landen nicht beim Metzger, ich brauche die Schafe für die Zucht", sagt Hochstrasser. Er züchtet Schafe aus Freude an der Sache. Er hält zwei verschiedene Rassen. Einerseits die Ouessantschafe, die sind klein, das heisst sie kommen mir etwa bis zum Knie. Dafür sind sie sehr robust, sagt der Schäfer: "Sie haben keine Krankheiten, keine Klauenseuche und keine Parasiten. Die kann man hinstellen und hat keine Probleme mit ihnen."

 

Als zweite Rasse hält er Walliser Landschafe, das sind nahe Verwandte der Schwarznasenschafe. "Die sind deutlich anfälliger als die Ouessantschafe. Mein Ziel ist es, Walliserschafe zu züchten, welche gesund und nicht mehr anfällig auf Würmer sind. Es wäre toll, wenn sie so robust wären wie ein Ouessantschaf."

 

600 Franken pro Schaf

Die Schafe sind sein Hobby. "Klar züchte ich Schafe und verkaufe auch ab und zu eines. Auch die Wolle verkaufe ich an eine Spinnerei. Das sind aber kleine Beträge, es reicht, um die Ausgaben für das Hobby 'Schaf' zu decken." Für ein Walliserschaf kriegt Hochstrasser um die 400, für ein Ouessantschaf um die 600 Franken. Schäfersein sei kein teures Hobby, er komme grad so raus.

 

Geld brauche er für den Tierarzt, für Zäune und Futter. Der Schäfer betont: "Ich habe Glück, dass ich nichts für das Weideland bezahlen muss. Sonst ginge das nicht." Normalerweise werden Schafe zweimal jährlich geschoren. Er macht dies nur im Frühling. "Da meine Schafe den Winter über draussen bleiben, schäre ich sie im Herbst nicht."

 

Ein Zürcher in Münsingen

Hochstrasser ist im Zürcher Oberland aufgewachsen. Seit zehn Jahren wohnt er in Münsingen. Wegen der Liebe habe es ihn hierhin verschlagen. Als Bub wollte er immer Bauer werden. "Ich war stets auf dem Bauernhof. Mit 14 habe ich die Traktorprüfung gemacht und oft beim Nachbarsbauern ausgeholfen."

 

Mit 18 habe er geheiratet und statt Bauer Elektromonteur gelernt. Damit verdient er auch heute noch sein Geld. "Heute arbeite ich als Niederlassungsleiter bei einer Firma im Sicherheitsbereich. Wir kümmern uns um Brand- und Einbruchsicherheit. Bin dort voll angestellt."  

 

Der Traum vom Bauernhof

"Ich träume immer noch vom eigenen Hof, denke aber, das wird nichts mehr." Morgens um fünf schellt bei Hochstrasser der Wecker. "Nach dem Frühstück sehe ich als erstes nach meinen Schafen, ob alles gut ist. Auch abends schaue ich kurz vorbei und natürlich auch am Wochenende." 

 

Mit 40 Schafen habe er nur eine kleine Herde. Er kenne noch einen anderen Schäfer, der habe 600 Schafe. Der mache das aber professionell. Die Bauern übrigens, nähmen ihn nicht ernst. "Die lachen mich aus, weil ich meinen Schafen so viel Platz zum Weiden lasse."

 

Wie der Mann zum Schaf kam

Zum Schafehüten sei er per Zufall gekommen. "Meine Stieftochter war einen Sommer lang auf einer Alp. Da überlegte ich mir, etwas mit Tieren zu machen." Hund, Katze oder Hase wollte Hochstrasser nicht. So kam er auf Schafe. Nach seiner Scheidung zog er nach Münsingen. Er und seine neue Freundin hatten damals ein wenig Land, etwa 500 Quadratmeter.

 

"Ich kam zu zwei Muttertieren und einem Bock. Dann ging alles schnell. Eine Nachbarin stellte mir noch mehr Land zur Verfügung. Es kamen mehr Leute, die auch noch Land anboten." Er brauchte mehr Schafe. "Erst hatte ich sieben, bald zehn, die Herde wuchs schnell. Plötzlich wollten alle Schafe auf ihren Matten."

 

Seine Schafe blöken nicht

Laut Hochstrasser reagieren die meisten Nachbarn entspannt auf die Schafe. "Meine Schafe blöken fast nie. Wenn ich den Schafen Brot bringe, dann blöken sie aber jedes Mal, wenn sie mich sehen. Sie denken dann, sie kriegen noch mehr Brot. Also bringe ich den Schafen kein Brot." Die hätten genug zu fressen an dem Gras und dem Heu. Es kämen auch regelmässig Eltern mit ihren kleinen Kindern vorbei und schauten den Schafen zu.

 

Auch während wir uns unterhalten fragt eine Frau mit Zwillingen im Kinderwagen, wie es den Schafen gehe. Hochstrasser nimmt das dreiwöchige Schaf auf den Arm und hält es den Kindern zum Streicheln hin. Alle freuen sich. Der Schäfer, die Mutter, die Kinder, vielleicht sogar das Schäflein.

 

Schafe sind nicht dumm

Schafe seien sehr ruhige Tiere. "Sie sind nicht dumm. Man sagt ja manchmal: "du Schaf", aber das stimmt nicht. Die Tiere wissen genau, wie es läuft." Sie würden stets beobachten, was er mache. Sie kennen seine Handbewegungen und reagieren entsprechend. "Auf mich wirken die Schafe jedenfalls beruhigend."

 

Zudem schätze er die Verantwortung, welche er für die Tiere hat. "Wenn es sein muss, kann ich auch mal zwei Wochen in die Ferien verreisen, dann schaut ein Bekannter zu den Schafen. Das ging bis jetzt immer problemlos."


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 11.04.2021
Geändert: 11.04.2021
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