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Münsingen - Neue Kita-Chefin sorgt für Kündigungswelle
Ehemalige Angestellte kritisieren die neue Führung der gemeindeeigenen Kindertagesstätte. Darunter litten sowohl die Mitarbeitenden wie auch die Kinder. Für die Gemeinde besteht kein Handlungsbedarf.
Seit einem Jahr gilt in der Kindertagesstätte Münsingen ein neues Regime. Im Frühling 2013 kam es zu einem Führungswechsel. Seither herrsche ein Klima der Unsicherheit, berichten mehrere ehemalige Angestellte. Und mehr als das: «Die Angst ist allgegenwärtig», sagt eine Frau.
Kündigungen ohne Ende
In den Monaten seit dem Wechsel haben von etwas über 20 Angestellten neun teils langjährige Mitarbeiterinnen gekündigt. Nur in zwei Fällen sei das Arbeitsklima nicht der entscheidende Grund gewesen, sagen sie. Einige der ehemaligen Mitarbeiterinnen befinden sich in psychologischer Betreuung. Die Angst ist auch der Grund, weshalb die Personen nicht mit Namen in der Zeitung erwähnt werden wollen. Aber sie sehen keinen anderen Weg mehr als jenen über die Öffentlichkeit. Manche von ihnen sind auch über die aktuelle Lage informiert.
Neustart mit Problemen
Die Tagesstätte an der Belpbergstrasse 17 wird von der Gemeinde betrieben und hat einige turbulente Jahre hinter sich mit vielen Personalrochaden. Als am 15. April 2013 eine neue Betriebsleiterin die Arbeit aufnahm, sollte dies ein Neubeginn darstellen. Später wurden auch drei neue Gruppenleiterinnen angestellt. Zwei waren Weggefährtinnen der Leiterin.
«Am Anfang war noch alles in Ordnung», erzählt ein Frau, die gekündigt hat. Es gab erste, auch gute Änderungen. So legte die Betriebsleiterin etwa viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit, was der Kita zugute kam. Nach und nach aber wurde die Münsinger Kita-Welt auf den Kopf gestellt.
14 Regeln – 14 Verbote
Die Frauen berichten etwa, wie Arbeitspläne kurzfristig umgestellt, Teamsitzungen gestrichen und bewährte Einrichtung weggeworfen wurden. Und sie berichten von einer Vielzahl von Neuerungen, die dem Personal und den Kindern aufgebürdet worden seien:
Die Pflanzen im Garten, die früher gut gepflegt wurden, wurden zum Teil ausgerissen.
Baden im Planschbecken sei nicht mehr erlaubt.
Spielsachen, die früher repariert wurden, landen jetzt im Abfallsack.
Auf einem Plakat gibt es 14 Regeln für die Kinder – ausschliesslich Verbote. Spielen, austoben, hüpfen, das ist in der Kita nicht erlaubt. Und wenn, dann nur auf Kommando.
Die Angestellten dürfen sich nur während der offiziellen Arbeitszeit im Kita-Gebäude aufhalten. Auch – unbezahlte – Vorbereitungsarbeiten am Wochenende sind verboten.
Der Köchin wurde es verboten, mit den Kindern zu essen. Sie bringe nur Unruhe an den Tisch, hiess es.
Ehemalige Angestellte seien nicht einmal mehr zu einem angemeldeten Besuch willkommen.
Teamanlässe wie beispielsweise die alljährliche Weihnachtsfeier wurden gestrichen.
Konzept nicht eingehalten
Der Münsinger Kita-Alltag ist durch ein Konzept geregelt, das vor zehn Jahren vom Gemeinderat abgesegnet wurde. Demnach müsste beispielsweise das Team regelmässig Sitzungen abhalten. «Zusammenarbeit im Team bedeutet für uns auch, einander zu respektieren, offen zu kommunizieren, Konflikte anzusprechen.» So steht es im Konzept. «Vieles davon gilt heute nicht mehr», sagt eine Frau.
Auch der Umgang sei schwierig gewesen. «Wir mussten uns ständig dafür rechtfertigen, wie wir mit den Kindern umgehen», erzählt eine andere Ex-Angestellte. Eine weitere berichtet, wie sie, die ihren Job immer mit viel Freude verrichtete, kaum mehr einen Fuss in die Kita setzen wollte. «Ich hatte immer Angst, etwas falsch zu machen.» Es habe nur eine Lösung gegeben: die Kündigung. Denn auch von Verwaltung und Gemeinderat, kritisieren die Frauen, sei keine Unterstützung gekommen. «Wir haben sogar um Hilfe gebeten, aber nichts ist passiert.» Die Tagesstätte ist der Sozialabteilung unterstellt, welche seit April 2013 von Martin von Känel geführt wird. Er habe ein Gespräch in der Kita angeboten, das dann doch nicht stattgefunden habe, lautet die Kritik. Gemeinderat Jakob Hasler (Soziales/EVP) wiederum sagte im Juni im Parlament, dass sich die neuen Verhältnisse einspielen müssten. Elisabeth Striffeler (SP) hatte von den Problemen gehört und sich mittels parlamentarischer Anfrage erkundigt.
Gemeindepräsidenten im Bild
Auch die Gemeindepräsidenten – bis Ende letztes Jahr Erich Feller (Freie Wähler), jetzt Beat Moser (Grüne) – seien über die Zustände im Bild, sagen die ehemaligen Angestellten. Als oberste Personalchefs der Gemeinde führten sie die Austrittsgespräche. Dabei seien die Missstände thematisiert worden. Feller und Moser hätten nicht reagiert, laute der Vorwurf. Johannes Reichen
Reaktion der Gemeinde
«Die Leiterin hat sich mehrheitlich korrekt verhalten»
Gemeinderat Jakob Hasler (EVP) kennt die Vorwürfe der ehemaligen Angestellten der Kindertagesstätte. «Für mich gibt es aber keinen offensichtlichen Grund, der uns zum Handeln zwingen würde», sagt der Vorsteher des Ressorts Soziales. «Wir schätzen die Situation als stabil ein.» Eine gewisse Fluktuation in diesem Bereich sei nichts Ungewöhnliches. Als vor rund einem Jahr die neue Leitung eingestellt wurde, sei es zudem das Ziel gewesen, eine Person mit pädagogischer Ausbildung zu gewinnen und damit eventuell auch gewisse Richtungsänderungen in Kauf zu nehmen. «Vorher hatten die Eltern die Kita immer wieder kritisiert.» Es sei klar, dass eine neue Führung auch einen neuen Stil einbringe. «Nun haben wir von den Eltern viele positive Rückmeldungen.»
Ein Wechsel der Führungskultur werfe immer Wellen, sagt Martin von Känel, Leiter der Sozialabteilung. Er bedaure, dass mehrheitlich langjährige Mitarbeitende gekündigt hätten. «Ich habe mit ihnen gesprochen, aber ich konnte nicht immer hinter ihren Forderungen stehen.» Sie hätten vor allem den Führungsstil der neuen Kita-Leiterin kritisiert. «Sie hat sich aber mehrheitlich korrekt verhalten.» Das neue pädagogische Prinzip, das sich an Emmi Pikler orientiert und eine selbstständige Entwicklung propagiert, widerspreche keinesfalls dem Kita-Konzept der Gemeinde. Es werde aber eher in privaten Kitas angewendet – eine Privatisierung werde ja auch in Münsingen geprüft.
Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) hatte in diesem Jahr drei Austrittsgespräche mit Kita-Angestellten geführt. «Dabei ging es unter anderem darum, dass die Teilzeitarbeitenden von der Leitung nur dann eingesetzt wurden, wenn sie effektiv gebraucht wurden. Zudem fühlten sich die Mitarbeitenden, welche gekündigt haben, in ihrer Handlungsweise eingeschränkt», sagt Moser. Das habe zu Konflikten geführt. Er gibt zudem zu bedenken, dass die Gemeinde den Auftrag hatte, die Kita zu reorganisieren. Die neue Betriebsleiterin nahm gestern gegenüber dieser Zeitung keine Stellung zu den Vorwürfen.
Kündigungen ohne Ende
In den Monaten seit dem Wechsel haben von etwas über 20 Angestellten neun teils langjährige Mitarbeiterinnen gekündigt. Nur in zwei Fällen sei das Arbeitsklima nicht der entscheidende Grund gewesen, sagen sie. Einige der ehemaligen Mitarbeiterinnen befinden sich in psychologischer Betreuung. Die Angst ist auch der Grund, weshalb die Personen nicht mit Namen in der Zeitung erwähnt werden wollen. Aber sie sehen keinen anderen Weg mehr als jenen über die Öffentlichkeit. Manche von ihnen sind auch über die aktuelle Lage informiert.
Neustart mit Problemen
Die Tagesstätte an der Belpbergstrasse 17 wird von der Gemeinde betrieben und hat einige turbulente Jahre hinter sich mit vielen Personalrochaden. Als am 15. April 2013 eine neue Betriebsleiterin die Arbeit aufnahm, sollte dies ein Neubeginn darstellen. Später wurden auch drei neue Gruppenleiterinnen angestellt. Zwei waren Weggefährtinnen der Leiterin.
«Am Anfang war noch alles in Ordnung», erzählt ein Frau, die gekündigt hat. Es gab erste, auch gute Änderungen. So legte die Betriebsleiterin etwa viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit, was der Kita zugute kam. Nach und nach aber wurde die Münsinger Kita-Welt auf den Kopf gestellt.
14 Regeln – 14 Verbote
Die Frauen berichten etwa, wie Arbeitspläne kurzfristig umgestellt, Teamsitzungen gestrichen und bewährte Einrichtung weggeworfen wurden. Und sie berichten von einer Vielzahl von Neuerungen, die dem Personal und den Kindern aufgebürdet worden seien:
Die Pflanzen im Garten, die früher gut gepflegt wurden, wurden zum Teil ausgerissen.
Baden im Planschbecken sei nicht mehr erlaubt.
Spielsachen, die früher repariert wurden, landen jetzt im Abfallsack.
Auf einem Plakat gibt es 14 Regeln für die Kinder – ausschliesslich Verbote. Spielen, austoben, hüpfen, das ist in der Kita nicht erlaubt. Und wenn, dann nur auf Kommando.
Die Angestellten dürfen sich nur während der offiziellen Arbeitszeit im Kita-Gebäude aufhalten. Auch – unbezahlte – Vorbereitungsarbeiten am Wochenende sind verboten.
Der Köchin wurde es verboten, mit den Kindern zu essen. Sie bringe nur Unruhe an den Tisch, hiess es.
Ehemalige Angestellte seien nicht einmal mehr zu einem angemeldeten Besuch willkommen.
Teamanlässe wie beispielsweise die alljährliche Weihnachtsfeier wurden gestrichen.
Konzept nicht eingehalten
Der Münsinger Kita-Alltag ist durch ein Konzept geregelt, das vor zehn Jahren vom Gemeinderat abgesegnet wurde. Demnach müsste beispielsweise das Team regelmässig Sitzungen abhalten. «Zusammenarbeit im Team bedeutet für uns auch, einander zu respektieren, offen zu kommunizieren, Konflikte anzusprechen.» So steht es im Konzept. «Vieles davon gilt heute nicht mehr», sagt eine Frau.
Auch der Umgang sei schwierig gewesen. «Wir mussten uns ständig dafür rechtfertigen, wie wir mit den Kindern umgehen», erzählt eine andere Ex-Angestellte. Eine weitere berichtet, wie sie, die ihren Job immer mit viel Freude verrichtete, kaum mehr einen Fuss in die Kita setzen wollte. «Ich hatte immer Angst, etwas falsch zu machen.» Es habe nur eine Lösung gegeben: die Kündigung. Denn auch von Verwaltung und Gemeinderat, kritisieren die Frauen, sei keine Unterstützung gekommen. «Wir haben sogar um Hilfe gebeten, aber nichts ist passiert.» Die Tagesstätte ist der Sozialabteilung unterstellt, welche seit April 2013 von Martin von Känel geführt wird. Er habe ein Gespräch in der Kita angeboten, das dann doch nicht stattgefunden habe, lautet die Kritik. Gemeinderat Jakob Hasler (Soziales/EVP) wiederum sagte im Juni im Parlament, dass sich die neuen Verhältnisse einspielen müssten. Elisabeth Striffeler (SP) hatte von den Problemen gehört und sich mittels parlamentarischer Anfrage erkundigt.
Gemeindepräsidenten im Bild
Auch die Gemeindepräsidenten – bis Ende letztes Jahr Erich Feller (Freie Wähler), jetzt Beat Moser (Grüne) – seien über die Zustände im Bild, sagen die ehemaligen Angestellten. Als oberste Personalchefs der Gemeinde führten sie die Austrittsgespräche. Dabei seien die Missstände thematisiert worden. Feller und Moser hätten nicht reagiert, laute der Vorwurf. Johannes Reichen
Reaktion der Gemeinde
«Die Leiterin hat sich mehrheitlich korrekt verhalten»
Gemeinderat Jakob Hasler (EVP) kennt die Vorwürfe der ehemaligen Angestellten der Kindertagesstätte. «Für mich gibt es aber keinen offensichtlichen Grund, der uns zum Handeln zwingen würde», sagt der Vorsteher des Ressorts Soziales. «Wir schätzen die Situation als stabil ein.» Eine gewisse Fluktuation in diesem Bereich sei nichts Ungewöhnliches. Als vor rund einem Jahr die neue Leitung eingestellt wurde, sei es zudem das Ziel gewesen, eine Person mit pädagogischer Ausbildung zu gewinnen und damit eventuell auch gewisse Richtungsänderungen in Kauf zu nehmen. «Vorher hatten die Eltern die Kita immer wieder kritisiert.» Es sei klar, dass eine neue Führung auch einen neuen Stil einbringe. «Nun haben wir von den Eltern viele positive Rückmeldungen.»
Ein Wechsel der Führungskultur werfe immer Wellen, sagt Martin von Känel, Leiter der Sozialabteilung. Er bedaure, dass mehrheitlich langjährige Mitarbeitende gekündigt hätten. «Ich habe mit ihnen gesprochen, aber ich konnte nicht immer hinter ihren Forderungen stehen.» Sie hätten vor allem den Führungsstil der neuen Kita-Leiterin kritisiert. «Sie hat sich aber mehrheitlich korrekt verhalten.» Das neue pädagogische Prinzip, das sich an Emmi Pikler orientiert und eine selbstständige Entwicklung propagiert, widerspreche keinesfalls dem Kita-Konzept der Gemeinde. Es werde aber eher in privaten Kitas angewendet – eine Privatisierung werde ja auch in Münsingen geprüft.
Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) hatte in diesem Jahr drei Austrittsgespräche mit Kita-Angestellten geführt. «Dabei ging es unter anderem darum, dass die Teilzeitarbeitenden von der Leitung nur dann eingesetzt wurden, wenn sie effektiv gebraucht wurden. Zudem fühlten sich die Mitarbeitenden, welche gekündigt haben, in ihrer Handlungsweise eingeschränkt», sagt Moser. Das habe zu Konflikten geführt. Er gibt zudem zu bedenken, dass die Gemeinde den Auftrag hatte, die Kita zu reorganisieren. Die neue Betriebsleiterin nahm gestern gegenüber dieser Zeitung keine Stellung zu den Vorwürfen.
Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt:
14.08.2014
Geändert: 14.08.2014
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