- Region
Münsingen - Per Handschlag zu einem neuen Tier
Auf dem Schwand findet jeden Monat ein einzigartiger Tiermarkt statt. Kinder staunen ob der vielen Tiere, und ein Handel wird hier noch per Handschlag abgeschlossen.
Eins übers andere Mal wiehert Goldstar van der Heidehoeve lautstark seinen Unmut über die ungewohnte Situation durch die Halle der landwirtschaftlichen Schule Schwand in Münsingen. Was bei dem Hengst mit Dalmatiner-Fellzeichnung etwas drollig wirkt. Goldstar ist ein Shetland-Pony, das seinem Besitzer Christian Fahrni aus Flühli bei Sörenberg gerade bis etwas über die Hüfte reicht.
Fahrni ist Hobbyzüchter, so wie viele der Verkäufer, die an diesem Samstag am Nationalen Pferde- und Kleintiermarkt auffahren. Auch der 11-jährige Michel Bieri aus dem luzernischen Altbüron züchtet allerhand Kleinvieh. Von Seidenhühnern über verschiedenfarbige Mäuse bis zu den Kaninchen mit ihren hängenden Ohren sind es etwa 14 Arten. Ist das nicht etwas viel, wenn man hauptberuflich Schüler ist? Der Junge zuckt mit den Schultern. «Das Misten ist ein riesiger Aufwand», meint er. Das Übrige scheint die Natur selbstständig zu erledigen.
Michel Bieri ist mit Daniela Ritter aus Herbligen ins Gespräch gekommen, die mit ihren beiden Söhnen Adrian und Remo auf den Schwand gekommen ist. Sie besitzt bereits Hühner und Wachteln; heute kommen noch ein paar der Zebrafinken des jungen Tierzüchters dazu – Männchen und Weibchen. Will sie die zierlichen Vögelchen selber weiterzüchten? «Wenn es Junge gibt, ist das bestimmt schön. Doch sonst macht es auch nichts.»
Am Pferde- und Kleintiermarkt geht es nicht allein um Geld und Stammbäume. «Wer bei uns verkauft, hat seine Tiere gern und sucht sich einen Käufer, der sie ebenso gut hält wie er selbst», sagt der Gründer des Marktes, Hans-Jakob Fünfschilling aus Lully bei Estavayer-le-Lac. Nicht der Profit, sondern das Wohl der Tiere stehe im Vordergrund, betont der Pferdefreund. Er wollte einen Tiermarkt, an dem sich Verkäufer und Käufer kennen. Ein Handel wird hier noch per Handschlag abgeschlossen.
Auch Regionales anbieten
Neben dem Handel mit Tieren schwebt Fünfschilling ein Markt für regionale Produkte vor – eine Vision, die bisher noch in den Kinderschuhen steckt. Zwei Stände mit Fleischprodukten, Honig und Selbstgebranntem standen am Samstag im Freien vor der Halle. Dazu kamen ein paar Verkäufer für Tierzubehör und einige Leute, die gebrauchtes Zaumzeug, Wärmelampen und anderes zu günstigen Preisen verkauften. Seit Herbst 2010 besteht der Markt, der jeweils am zweiten Samstag im Monat stattfindet. Bisher arbeitet Fünfschilling defizitär. «Es dauert halt einen Moment, bis die Leute so einen Anlass kennen», sagt der Pferdezüchter, der auch schon Tiere an Spitzensportler wie Christine Stückelberger verkauft hat.
Bauern und Familien
Tatsächlich scheint es sich herumzusprechen, dass der Markt eine gute Adresse ist. Väter und Mütter zeigen ihrem Nachwuchs die schlaksigen Fohlen oder herzigen jungen Kätzchen. Bäuerinnen besorgen sich neue Tiere für den Hühnerhof. Freizeitreiter begutachten die Reittiere in den Pferchen. Und Hundezüchter zeigen auf der Wiese, was ihre Lieblinge gelernt haben. Zwischendurch wird an den langen Holztischen bei einem Bier gefachsimpelt.
Inzwischen sind sich Käufer und Verkäufer an einem Geflügelstand einig geworden. Der 22-jährige Alexander Morf packt eine Laufente nach der anderen unter den Flügeln und steckt die protestierenden Tiere in Kartonkisten. Ein halbes Dutzend der seltenen Elster-Enten wechseln den Besitzer. Der Jungunternehmer aus Hütten bei Einsiedeln hat es sich zum Ziel gesetzt, vom Aussterben bedrohte Enten- und Gänserassen zu züchten. «Ich will dazu beitragen, dass sich diese Tiere wieder verbreiten.»
Immer noch am Wiehern
Auch an Goldstar zeigen sich inzwischen einige Marktbesucher interessiert, sein Stammbaum wurde unter die Lupe genommen, gekauft hat ihn aber bis jetzt noch niemand. Das scheint ihm indes nichts auszumachen. Weiterhin sorgt er lautstark dafür, dass er nicht vergessen wird.
Erstellt:
11.07.2011
Geändert: 11.07.2011
Klicks heute:
Klicks total:
Bei BERN-OST gibt es weder Bezahlschranken noch Login-Pflicht - vor allem wegen der Trägerschaft durch die Genossenschaft EvK. Falls Sie uns gerne mit einem kleinen Betrag unterstützen möchten, haben Sie die Möglichkeit, dies hier zu tun.