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Münsingen - Sex in den Männer-Toiletten: Kanton schliesst das WC-Häuschen

Quelle
Berner Zeitung BZ

Weil sich Männer nur zu gern an der Autobahn zu schnellem Sex treffen, hat der Kanton auf dem Areal der Raststätte Münsingen das separate WC-Häuschen kurzerhand geschlossen. Auf dem Rastplatz Huerst bei Hindelbank hat die alte, verwinkelte Anlage längst einem transparenten Glasbau Platz gemacht.

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Wer eine Toilette sucht, wird auf der umgebauten Raststätte Münsingen nur noch im Restaurant fündig. Der Kanton hat die separate Anlage gleich an der Einfahrt geschlossen. (Bilder: Andreas Blatter, Berner Zeitung BZ)
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Das WC-Häuschen in Münsingen beherbergt die Stromversorgung und Material für den Strassenunterhalt, aber keine Toiletten mehr.
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Das alte WC-Häuschen mit den Wänden aus Sichtbackstein lässt auf dem Rastplatz Lindenrain die 1960er-Jahre aufleben. (Bilder: Susanne Keller, Berner Zeitung BZ)
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Mehr Transparenz dank Glas: Die neue WC-Anlage auf dem Rastplatz Hurst bei Hindelbank bietet keinen Anlass mehr für Klagen.
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Toiletten geschlossen. Der Zettel, der am gelb verputzten Häuschen unmittelbar an der Einfahrt zur Autobahnraststätte Münsingen prangt, lässt so manchen verdutzt aufblicken. Jahrelang hatten die Reisenden auf der A 6 schon ein paar wenige Minuten nach der Stadt Bern die erste Gelegenheit, das WC aufzusuchen. Die Anlage mit dem Häuschen und den Picknicktischen rundherum hatte sich seit dem Bau der Autobahn um 1970 mehr oder weniger in ihrer ursprünglichen Art erhalten.


Und damit soll nun, da die ersten Arbeiten im Rahmen der grossen Autobahnsanierung im Aaretal fertig sind, Schluss sein? Vor Wochenfrist ist die Raststätte in Fahrtrichtung Thun und Berner Oberland nach gut fünf Monaten Bauzeit wieder eröffnet worden. Mit einer umgestalteten Parkieranlage, einem sanierten Restaurant und einem erneuerten Tankstellenbereich – aber eben ohne die Toiletten im gelben Häuschen.


Dieses beherbergt nur noch die etwas umfangreicheren Anlagen für die Stromversorgung der Raststätte und ein vergrössertes Materialdepot für den Strassenunterhalt. Seinem Pendant auf dem Areal in der Gegenrichtung, wo die Arbeiten nach wie vor in vollem Gange sind, ist es übrigens noch schlechter ergangen. Es ist in den letzten Tagen dem Erdboden gleichgemacht worden.


«Zeitgemässe, saubere WC» im Restaurant


Für die Raststätten verantwortlich ist der Kanton, und dieser verfolgt an den Autobahnen eine neue WC-Philosophie. Stephan Breuer als stellvertretender Kantonsoberingenieur stellt es fest, und er betont mit Nachdruck, dass die Autofahrer trotz allem nicht Not leiden müssten. In Münsingen stelle ihnen das Restaurant «zeitgemässe, saubere WC» zur Verfügung. In der Nacht, wenn die Gastronomie ruhe, stehe ihnen eine von aussen zugängliche WC-Kabine offen.


Den Grund für den Strategiewechsel liefert Breuer gleich nach. «Wir haben die Situation einfach nicht in den Griff bekommen», sagt er und erinnert an das stetige Kommen und Gehen, das rund um die alte Anlage herrschte. Konkret: Die Raststätte Münsingen war als Ort bekannt, an dem Mann auf Mann traf und sich für ein schnelles Sexabenteuer in die Kabinen oder in die Büsche des angrenzenden Picknickgeländes zurückzog.


«Ich will keine Briefe mehr von Eltern bekommen, die mir vorhalten, was ihre Kinder an der Raststätte Münsingen mitansehen mussten», fährt Breuer fort. Und ergänzt: Das Berner Oberland habe den Ruf als ausgeprägte Familiendestination. Entsprechend zahlreich seien die Kinder, die in Münsingen haltmachten. Ihnen wolle man in Zukunft unangenehme Begegnungen jeglicher Art ersparen.


Ein Glasbau schafft Transparenz


Das Problem stellt sich nicht in Münsingen allein. Wo immer es in letzter Zeit um ähnliche Projekte an Autobahnen ging, waren die WC-Anlagen ein Thema. Das war schon 2008 nicht anders, als an der A 1 nach Zürich der Rastplatz Hurst umgestaltet wurde. Auch dort, in Sichtweite der Häuser von Hindelbank, war es in den alten Männertoiletten aus den 1960er-Jahren handfest zur Sache gegangen: «Sie waren manchmal zu dritt in einer Kabine», schilderte der damalige Projektleiter Werner Eichenberger die Zustände von früher.


Weil ein Rastplatz kein Restaurant und damit keine Ausweichmöglichkeit bietet, wählten die Verantwortlichen einen anderen Weg. Sie ersetzten das alte Häuschen, das mit seinen verschiedenen Winkeln zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten bot, durch einen Glasbau. Fortan waren die Toilettengänger von aussen schemenhaft zu erkennen, womit es mit der bisherigen Diskretion aus war – heute, rund sieben Jahre später, ist die Rechnung aufgegangen: Das neue Gebäude mit seiner grossen Transparenz habe sicher mit dazu beigetragen, dass die WC-Anlage zu keinen Klagen mehr Anlass gebe, erklärt Volker Wais für das zuständige Bundesamt für Strassen.


Nostalgisches Erlebnis am Lindenrain


Mehr oder weniger im Originalzustand der 1960er-Jahre befindet sich derweil noch schräg gegenüber der Rastplatz Lindenrain in Fahrtrichtung Bern. Das gilt für das – notabene erstaunlich saubere – WC-Häuschen aus Sichtbackstein genauso wie für die Pickinckanlage mit den typischen Betontischen: Wer hier Rast macht, fühlt sich unvermittelt in ferne Kindheitszeiten zurückversetzt.


Raststätte Münsingen: Das ist neu

Mit dem Umbau der Raststätte Münsingen sind nicht nur die Toiletten im gelben Häuschen geschlossen worden. Verschwunden sind auch die Picknicktische und -bänke, die früher neben der WC-Anlage zu finden waren. Allerdings nicht für immer, wie Stephan Breuer versichert: «Die Aussenanlagen werden nach dem Rückbau des Installationsplatzes 2016 fertig gestellt», sagt der stellvertretende Kantonsoberingenieur.


Mit diesem Satz macht Breuer klar, dass der Picknickbereich ans andere Ende der Raststätte verschoben wird, wo heute die Baucontainer stehen. Das hat gute Gründe, wie er mit Blick auf das unerwünschte Treiben in der Vergangenheit weiter ausführt: Mit diesem Schritt schaffe man auch räumlich einen Bruch mit den Zuständen von früher.


Gewöhnungsbedürftig ist eine weitere Änderung auf dem umgebauten Areal. Neu sind die den Lastwagen vorbehaltenen Bereiche viel konsequenter von jenen getrennt, in denen die Autos unterwegs sind. Das sorgt einerseits für mehr Sicherheit, führt andererseits in den Autozonen zu engeren Platzverhältnissen. Im Besonderen gilt dies für die schmaler dimensionierten Fahrstreifen, an die links und rechts die Parkfelder anschliessen: Wer hier manövriert, muss aufpassen, dass er beim Rückwärtsfahren nicht gleich an die Autos hinter sich stösst.

Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 25.08.2015
Geändert: 25.08.2015
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