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Münsingen: Eine Vorzeigestadt punkto Energie – und punkto Kindesschutz?

Schon zum vierten Mal bekam Münsingen das Label Energiestadt Gold bestätigt. Die Gemeinde hat die Vorgaben zu fast 90 Prozent erfüllt, besser als Zürich und Bern. Das mache Münsingen zur führenden Gemeinde im Kanton, erklärte Regierungsrat Christoph Ammann in seiner Rede vor dem Parlament. Geht es nach dem Wunsch von SP, Grünen, GLP und EVP, soll die Gemeinde bezüglich «Frühe Förderung» ebenso vorbildlich werden.

SP-Regierungsrat Christoph Ammann bei seiner Ansprache ans Parlament: «Bei Münsingen ist auch drin, was draufsteht.» (Foto: cw/www.weu.be.ch)

«Eindrücklich», lautete das Fazit von Regierungsrat Christoph Ammann (SP) in seiner Rede vor dem Münsinger Parlament: «Mit dem Goldlabel Energiestadt hat sich die Gemeinde ehrgeizige Ziele gesteckt und erreicht.»

 

Das Goldlabel sei die höchste Auszeichnung, die man bekommen könne, und damit übe die Gemeinde Strahlkraft aus: «Das hat schweizweit Eindruck gemacht.» Der Kanton brauche solche Gemeinden, um die Klimaziele zu erreichen. Und die Gemeinden wiederum könnten auf den Kanton zählen, versprach er.

 

Erste und beste Gemeinde im Kanton

Die Stationen auf dem Weg zum Goldlabel fasste die für Umwelt und Liegenschaften verantwortliche Gemeinderätin Stefanie Feller (GLP) zusammen: 1998 wurde Münsingen als erste Gemeinde im Kanton Bern als Energiestadt ausgezeichnet. 2009 erhielt die Gemeinde – gleich wieder als erste im Kanton – den «European Energy Award Gold» verliehen: Das Goldlabel bedeutet, dass die Gemeinde zusätzliche Dienstleistungen anbietet.

 

In Münsingen gehören dazu die öffentliche Energieberatung, Unterstützung bei energetischer Sanierung, Photovoltaik-Anlangen und effizientem Einsatz von Strom, Wasser und Fernwärme. Ausserdem bietet die Gemeinde seit zwei Jahren ein lokales Förderprogramm für den Ersatz von fossilen Heizungen und Gebäudesanierung.

 

Vorgaben fast zu 90 Prozent erfüllt

«Unser Erfolgsrezept beinhaltet schlanke Lösungen, gute Strukturen und klare Verantwortlichkeiten», erklärte Stefanie Feller. Das habe sich bewährt: Mit 88.5 Prozent Erfüllungsgrad bei der vierten Rezertifizierung Ende 2023 liegt die Gemeinde im Kanton an erster Stelle, schweizweit auf Platz vier nach Lausanne, Basel und Luzern – und damit noch vor Bern und Zürich.

 

Das sei ein guter Moment, um innezuhalten, stolz zu sein und den Gedanken über die Kantonsgrenzen hinauszutragen, fand Regierungsrat Christoph Ammann. Und: «Mich hat beeindruckt, dass ihr ehrgeizige Vorgaben im neuen Baureglement habt.» Das brauche wohl Überzeugungsarbeit und führe manchmal zu Diskussionen, vermutete der Umwelt- und Energiedirektor. Aber die Gemeinde löse das souverän: «Ihr fordert die Bürger:innen, fördert sie aber auch pragmatisch und unkompliziert.» Das heisse für ihn: «Bei Münsingen ist auch drin, was draufsteht.»

 

Frühe Förderung heisst früh Hilfe anbieten

Geht es nach SP, Grünen, GLP und EVP, soll die Qualität auch in einem anderen Bereich noch weiter gesteigert werden: Gemeinsam haben die Fraktionen das «Postulat Frühe Förderung» eingereicht. Bei früher Förderung, so betonte Linus Schärer (SP), gehe es darum, die optimale Entwicklung von Kindern zu ermöglichen und unterstützen. «Frühe Förderung heisst früh Hilfe anbieten, wo es angezeigt ist.»

 

Ein Ansatz wäre daher, Spiel- und Krabbelgruppen zu unterstützen: «Diese Investition zahlt sich später mehr als zurück», erklärte Schärer. Sie koste zwar auch, «aber weit weniger, als wenn man dafür später die Schulsozialarbeit immer weiter aufstocken muss».  

 

Nicht kleine Genies, sondern psychisch gesunde Kinder

Gemeinderätin Gabriela Krebs (SP), zuständig für das Ressort Bildung und Soziales, doppelte nach. «Es geht keineswegs darum, mit Frühchinesisch kleine Genies heranzuziehen», erklärte sie. Das Ziel sei, dass Kinder die Welt begreifen lernen und dass sie selbstwirksam und kompetent aufwachsen. «Und dass sie früh mit Sprache und Büchern in Kontakt kommen.»

 

0 bis 4 Jahre: Privater Bereich oder Staat?

Dagegen wandte Henri Bernhard (SVP) ein, dass das Problem Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahre betreffe und daher in den privaten Bereich falle. «Es braucht nicht mehr Staat, wenn ein Kind bei der Einschulung kein Wort Deutsch kann», argumentierte er. «Denn das liegt nicht daran, dass es zu wenige Angebote gibt, sondern daran, dass Eltern die Integrationsverweigerung nachleben und mit den Kindern die Sprache nicht richtig gelernt haben.»

 

Das Postulat sei mit der Erklärung des Gemeinderats, die Gemeinde leiste bereits einiges im Bereich der frühen Förderung, bereits erfüllt. Bernhard fand deshalb die Forderung nach noch mehr Unterstützung überflüssig: Man müsse nichts prüfen, das bereits mit einem Bericht geprüft wurde, sagte er. Er forderte deshalb, das Postulat als erfüllt abzuschreiben.

 

«Minimierung der Chancenungleichheit»

Da hatte er allerdings nicht mit dem Engagement von Cornelia Jutzi (Grüne) gerechnet: «Nach dem Klimaschutz kommen wir jetzt zum Kindesschutz, das ist mein zweites Lieblingsthema», begann sie energisch, und redete sich rasch ins Feuer. Man müsse die schutzbedürftige Gesellschaft fördern und Schwächezustände beheben, forderte sie eindringlich: «Wir reden von Chancengleichheit, und dabei ist es eher eine Minimierung der Chancen-Ungleichheit.»

 

Das habe auch nichts mit Ethnie zu tun, betonte sie, «sondern es geht um Familien mit Schwächezuständen». Das erste Lebensjahr sei enorm wichtig, und da gehe es nicht um eine Einmischung des Staats, sondern um das Abholen der Familien – um den Schutz der Schwächsten. Und es gehe auch nicht um Schulerfolg der Kinder, sondern um ihre psychische Gesundheit. «Der Gemeinderat hat Antworten gegeben», räumte sie ein. «Aber vieles ist noch offen, und ich möchte ermuntern, das Postulat als erheblich zu erklären.»

 

Ein Postulat habe nur Prüfung und Bericht zur Folge

Jutzis Plädoyer hielt Henri Bernhard (SVP) entgegen, indem er darauf hinwies, dass das Postulat ohnehin nur eine Prüfung und einen Bericht des Gemeinderats zur Folge hätte. «Wenn man es ernst meint, nimmt man sich die Mühe, eine Motion einzureichen», betonte er. Ausserdem sei mit dem Bundesratsbericht zur Politik der frühen Kindheit bereits alles geklärt. «Das Postulat ist damit erfüllt.»

 

Dagegen meldete sich jedoch Gabriela Schranz (EVP) und sagte, sie würde es sehr begrüssen, wenn Fachleute gemeinsam sorgen, mitprägen und den Familien mitgeben, dass sie mit ihren Kindern reden sollen. Kurz: «Ich wünsche mir eine Vernetzung aller Fachleute.»

 

Begeisterung, eine Vorzeigestadt zu sein

Ob es mit der Stärke von Links-Grün zu tun hat, oder mit der Begeisterung an diesem Abend, eine Vorzeigestadt zu sein? Jedenfalls hatte auch Henri Berhards wiederholter Hinweis auf die Unverbindlichkeit eines Postulats keine Chance gegen die geballte Ladung von Argumenten: Das Postulat «Frühe Förderung» (P2311) wurde als erheblich erklärt.

 

Und damit hat sich Münsingen auf den Weg gemacht, vielleicht eines Tages nicht nur punkto Energie, sondern auch punkto Kindesschutz zur Vorzeigestadt zu werden.

 

[i] Beschlüsse des Gemeindeparlaments:

 

1. Das Protokoll der Sitzung vom 23. Januar 2024 wird genehmigt.

 

2. ZPP J1 Hinterdorf, Vergabe Baurecht

a) Die heutigen gemeindeeigenen Parzellen Nr. 1417 und 2077 werden neu parzelliert und anschliessend inklusive den Miteigentumsanteilen an den Gemeinschaftsparzellen (Einstellhalle und Aussenraum) mit der Verpflichtung zum preisgünstigen Wohnungsbau im Baurecht abgegeben.

b) Der Baurechtszins beträgt zu Beginn jährlich 58'696.30 Franken. Er wird alle acht Jahre gemäss den Vorgaben des Baurechtsvertrages überprüft.

c) Das Parlament bestimmt den Baurechtsnehmer oder die Baurechtsnehmerin. Sofern möglich, wird das Baurecht an die BG Freiland vergeben.

d) Der Gemeinderat wird ermächtigt, die Vertragsverhandlungen zu führen und den Baurechtsvertrag mit den detaillierten Ausführungsbestimmungen abzuschliessen und bei Bedarf geringfügige Anpassungen vorzunehmen.

 

3. Vom Stand der unerledigten Vorstösse per 31. Dezember 2023 wird Kenntnis genommen. Das Postulat P1704 - Energiezukunft Münsingen - Definition Handlungsfelder sowie das Postulat P2014 - Pumptrack Münsingen werden als erledigt abgeschrieben.

 

4. Wiedereröffnung der Skateparkanlage Schulhaus Schlossmatte - Volksmotion mit Richtliniencharakter (VM2309) Die Volksmotion mit Richtliniencharakter wird erheblich erklärt und gleichzeitig als erledigt abgeschrieben.

 

5. Münsinger Klimaschutzplan 2040 - Motion mit Richtliniencharakter SP, Grüne und EVP (RM2310) Die Motion mit Richtliniencharakter wird nicht erheblich erklärt.

 

6. Frühe Förderung - Postulat SP, Grüne, GLP und EVP (P2311) Das Postulat wird erheblich erklärt.

 

Anmerkung der Redaktion: Einige Zitate von Henri Bernhard wurden auf seinen Wunsch leicht angepasst, damit sie die von ihm gemachten Aussagen sachlich korrekt wiedergeben.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 21.03.2024
Geändert: 21.03.2024
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