Nach der Kopfnuss gab es Standing Ovation
Ein emotionaler Abschied, gewichtige finanzielle Entscheide und ein Blick in eine neue politische Zukunft prägten die allerletzte Gemeindeversammlung von Grosshöchstetten. Neben Budgetfragen und Bauprojekten stand vor allem der Abschied von langjährigen Ratsmitgliedern und von Gemeindepräsidentin Christine Hofer im Zentrum.
Gemeindepräsidentin Christine Hofer begrüsste die Anwesenden zu einem historischen Anlass: «Es hat etwas Geschichtsträchtiges, da es die letzte Gemeindeversammlung ist in Grosshöchstetten», sagte sie. Vielleicht komme irgendwann jemand auf die Idee, diese wieder einzuführen, aber: «Nun haben wir sie aufgehoben und schauen, wie es ohne Gemeindeversammlung gehen wird.» Aus den Reihen war rasch ein einziges «Schade» zu hören, was einigen ein Lachen entlockte.
Ein besonderer Abend auch für die Gemeindepräsidentin
Der besondere Anlass zog nicht nur rund 140 Einwohnerinnen und Einwohner in die Aula nach Grosshöchstetten. Auch die drei erwachsenen Kinder von Christine Hofer überraschten sie mit ihrer Anwesenheit. Für die Gemeindepräsidentin selbst war es ein spezieller Abend. «Es ist gleichzeitig meine letzte Gemeindeversammlung als Gemeindepräsidentin», erinnerte sie. Zahlreiche Mitarbeitende der Gemeindeverwaltung liessen sich diesen Moment ebenfalls nicht entgehen, darunter der langjährige Gemeindeschreiber Beat Graf. Anwesend waren zudem die neu gewählten Mitglieder des Gemeinderats und der neue Gemeindepräsident.
Der letzte kleine Eklat
Trotz der besonderen Umstände standen die ordentlichen Traktanden auf dem Programm (siehe Kasten unten). Das zweite Traktandum «Verpflichtungskredite für die Heizungserneuerungen» war bereits eine Woche vor der Gemeindeversammlung zurückgezogen worden (BERN-OST berichtete). Dennoch meldete sich ein Anwesender unter dem Traktandum «Verschiedenes» zu diesem Thema: Er erklärte, er habe das Gespräch gesucht und einen detaillierten Einblick in die Berechnungen erhalten. Diese habe er überprüft und dabei mehrere Fehler festgestellt. «Alle Fehler waren jeweils zugunsten der Wärmeverbundlösung», sagte er.
Gemeindepräsidentin Christine Hofer entgegnete, entscheidend sei nicht, wer welchen Fehler gefunden habe. «Wichtig ist, dass ein Fehler entdeckt wurde, dass wir dies kommuniziert haben, und dass so etwas ein No-Go ist. Das muss genügen.»
Ein weiterer Anwesender schloss sich der Kritik an. Auch dieser aus der letzten Sitzreihe, was Hofer mit einem «Ich habe meine Schrittzahl heute noch nicht erreicht» kommentierte. Auch er habe die Excel-Tabelle angefordert und eingehend studiert. «Was dort gerechnet wurde, entspricht in keiner Art und Weise einer Investitionsrechnung», sagte er. Er zeigte sich erstaunt darüber, dass der gesamte Gemeinderat die Zahlen nicht hinterfragt habe. Vor zwei Jahren habe der Gemeinderat erklärt, die volle Verantwortung zu übernehmen. «Heute frage ich mich, wo diese Verantwortung bleibt.» Das Projekt sei nie dem Volk vorgelegt worden, sondern lediglich die Finanzierung, welche mit deutlichem Nein abgelehnt worden sei. Dennoch habe der Gemeinderat weitergemacht, dies zudem mit fehlerhaften Zahlen. «Das ist für mich als Bürger frustrierend», sagte er. Aus dem Saal gab es Applaus und einzelne «Bravo»-Rufe.
Christine Hofer wies den Vorwurf des Schönredens zurück. Und zeigte sich erleichtert über den anstehenden Legislaturwechsel: Sie sei dankbar, dass diese Legislatur nun zu Ende gehe und ein neuer Gemeinderat starte. «Die ‹Gringe›, denen offenbar so viel angelastet wird, sind nun weg.» Der neue Gemeinderat werde alles überdenken, analysieren und mit einer neuen Auslegeordnung antreten.
Den daraus folgenden Vorwurf, das Problem werde nun einfach dem neuen Gemeinderat überlassen, wies Hofer zurück. «Ich habe schon lange angekündigt, dass ich Ende 2025 zurücktrete. Magnus Furrer bleibt Verwaltungsratspräsident der ENGH und übernimmt damit weiterhin Verantwortung», erklärte sie. Und beendete sichtlich erschöpft die Diskussion.
Würdigung und bewegender Abschied
Ausgiebig verabschiedete Christine Hofer die drei abtretenden Gemeinderäte Andreas Neuenschwander, Caroline Devaux und Magnus Furrer. Üblicherweise ist es Aufgabe des Vizepräsidenten, die Gemeindepräsidentin zu würdigen. Dieses Mal wollte jedoch Magnus Furrer einige Worte an Christine Hofer richten.
Applaus für den «zäche Cheib»
«Wenn jemand von uns einstecken musste, dann du», begann Furrer, und zählte in einem Atemzug ihre zahlreichen Engagements auf. «Wie du dich selbst genannt hast, ‹ds chline Froueli›, hat viel geleistet und ich finde, du bist ‘e zäche Cheib’.» In ihren acht Jahren als Gemeindepräsidentin habe sie 1700 Geschäfte geleitet, und zudem sei sie die erste Gemeindepräsidentin von Grosshöchstetten gewesen. Ja, er müsse das jetzt so sagen: «Für jeden ‘Huere Seich’ bist du hingestanden.» Er bat die Anwesenden aufzustehen und um einen Applaus für Christine Hofer, dem die Versammlung schliesslich folgte und kräftig applaudierte.
Weisse Handschuhe für den Nachfolger
Christine Hofer zeigte sich sichtlich bewegt. «Ich fühle mich geehrt», sagte sie. Für sie sei «C’est le ton qui fait la musique» ein wichtiges Motto, das auch bei Unstimmigkeiten nie zu kurz kommen dürfe. Führen heisse auch zu dienen, sagte sie: «Es war mir eine Ehre, dieser Gemeinde dienen zu dürfen.» Mit diesen Worten übergab sie dem neuen Gemeindepräsidenten Raymond Beutler symbolisch ein Paar weisse Handschuhe.
Defizitäres Budget ohne Steuererhöhung
Christine Hofer machte gleich zu Beginn klar: «Wir können kein ausgeglichenes Budget präsentieren.» Gemeinderätin Caroline Devaux (FDP) erläuterte: «Das Budget weist ein Minus von 391 000 Franken aus. Die Entschädigungen für den Gemeinderat wurden um 156 000 Franken erhöht, während die Ausgaben im Bildungsbereich leicht sinken, weil eine Klasse wegfällt.» Die Erträge seien derzeit schwierig einzuschätzen, da mehrere Bauprojekte laufen. Trotz der angespannten Lage rechnet die Gemeinde mit einer positiven Erfolgsrechnung. Wichtig sei zudem, dass keine Steuererhöhung geplant sei. Das Budget wurde genehmigt.
Und doch noch zu den Leitungen an der Gewerbegasse
Die Firma Fugo hat ihr Areal verkauft, und der neue Eigentümer plant an der Gewerbegasse eine Wohnüberbauung mit Einstellhalle. Weil sich darunter Gemeindeleitungen befinden, müssen diese verlegt werden, so Gemeinderat Andreas Neuenschwander. «Die Gemeinde hat eigentlich keine Wahl. Der Dienstbarkeitsvertrag verpflichtet uns dazu», erklärte Neuenschwander. Da die Leitungen zudem das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, hiess die Versammlung die notwendigen Arbeiten einstimmig gut.
Zukunft der Dreifachturnhalle weiterhin offen
Zum letzten Mal informierte Magnus Furrer aus seinem Ressort Bau und Liegenschaften über den Stand der Dreifachturnhalle, bei welcher der Gemeinderat die Notbremse zog und den Auftrag an die HRS AG widerrief (BERN-OST berichtete). Die Rechte am Projekt liegen nicht bei der Firma HRS Real Estate AG, welche den Werkvertrag nicht zum vereinbarten Preis ausführen kann, sondern beim Architekturbüro Itten + Brechbühl, das für die Planung verantwortlich war. «Es ist architektonisch mit Abstand das beste Projekt», erklärte Furrer. Ziel sei es, mit dem Projekt weiterzufahren, jedoch ausserhalb des Wettbewerbs. Gemeinsam werde nun geprüft, wie das Vorhaben ohne HRS und ausserhalb des ursprünglichen Wettbewerbs neu berechnet werden könne. Der Gemeinderat habe dem neuen Gemeinderat dazu eine Empfehlung abgegeben.