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Nachruf: Ein Fixstern des Berner Freisinns

Quelle
Der Bund

Mit Arthur Hänsenberger ist am 9. September ein bernischer Politiker gestorben, der schlagfertig war, aber nie verletzend, ernsthaft, aber auch humorvoll.

«Keiner ist so schlecht wie sein Ruf und keiner ist so gut wie sein Nachruf.» Mit diesem Bonmot des am 9. September Verstorbenen hat die Familie ­von Arthur Hänsenberger die auch im «Bund» erschienene Todesanzeige überschrieben. Als vielfältig praktizierender Jurist und langjähriger, über alle Parteigrenzen hinweg hoch geachteter kantonaler und eidgenössischer Politiker wusste Arthur Hänsenberger natürlich genau, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt, insbesondere auch, was den «Nachruf» betrifft.

So wie ich ihn während vieler Jahre als liebenswürdigen, verlässlichen, kompetenten, geistreichen und klugen Weggefährten in verschiedenen Funktionen kennen und schätzen gelernt habe, hätte er einen «Nachruf», wenn man ihn um eine Begriffsbestimmung gefragt hätte, mit dem ihm eigenen Schalk wohl bestenfalls als gefälligen «Laissez-passer» für die letzte Reise bezeichnet. Und ein solches Gefälligkeitszeugnis brauchte er eben nicht.

Das ist in der Trauerrede der ehemaligen Sekretärin des Ständerats und nachmaligen Bundeskanzlerin Annemarie Huber in Oberdiessbach und im schönen NZZ-Artikel aus der Feder unseres gemeinsamen Ratskollegen René Rhinow eindrücklich und so treffend gesagt worden, dass es wohl als anmassend empfunden würde, wenn ich heute als nicht der FDP angehöriger ehemaliger Berner Ständerat auch noch ins gleiche Horn stossen würde. Aber ein paar Gedanken des Erinnerns aus persönlicher Berner Sicht seien mir dennoch erlaubt.

Meinen ersten «offiziellen» Kontakt mit ihm hatte ich im September 1973, als er als Grossratspräsident meine Wahl zum Präsidenten des Verwaltungsgerichts leitete. Das Ereignis ist für mich nicht nur wegen der für meine berufliche Zukunft entscheidenden Bedeutung unvergesslich, sondern auch wegen der, trotz höchst umstrittener Kampfwahl, guten und würdigen Stimmung im Rat, die – wie ich damals erst ahnen konnte – eben vorab der souveränen, aber stets konzilianten und klugen Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden zu verdanken war.

Arthur Hänsenberger wirkte von 1965 bis 1976 als nebenamtlicher Richter an «meinem» Gericht. Er nahm das Amt ernst und übte es mustergültig aus. Ein Urteil bildete er sorgfältig in Würdigung der Argumente und Gegenargumente der Parteien, lösungsorientiert und eingedenk der Folgen des Richterspruchs für die Parteien und damit – wie eben für die Staats- und Verwaltungsrechtsprechung typisch – immer auch für den Staat. Rasch wurde mir bewusst, dass da ein Mann am Werk war, der die Menschen gern hatte, dem aber auch das Gemeinwohl am Herzen lag und der sich in allen Funktionen und öffentlichen Ämtern, die er ausübte, grosszügig brauchen liess, wie es Annemarie Huber in ihrer Trauerrede zu Recht betonte. Er war für alle da, die seinen Rat suchten, sei es als Landnotar, als Zivilstandsbeamter, als Zweigstellenleiter der Kantonalbank.

Seine unkomplizierte Offenheit gepaart mit einer einmaligen Mischung von Humor und Ernsthaftigkeit war insbesondere auch sein Markenzeichen in der kantonalen und der eidgenössischen Politik. So verstand er es als Grossratspräsident meisterhaft, in der heissen Phase der Auseinandersetzungen in der Jura-Frage bernischen Klartext zu sprechen, ohne Öl ins Feuer zu giessen. Wie mir erst richtig bewusst wurde, als wir 1987 zusammen Ständeratswahlkampf führten, war ihm dies nur möglich, weil er eben tolerant und liberal war.

Liberal sein und handeln hiess für ihn akzeptieren, dass es verschiedene Meinungen gibt, die es zu respektieren gilt, dass Selbstkritik keine Schwäche ist, dass Zuhören zu Erkenntnis führen kann, dass der kritische Gesprächspartner vielleicht sogar recht haben könnte und dass der politische Gegner kein Feind ist, sondern ebenfalls aus seiner Sicht ein Ziel erreichen will, das der öffentlichen Sache dient. In diesem Sinne habe ich Arthur Hänsenberger als Fixstern des Berner Freisinns erlebt.

Überheblichkeit, politisches Macht­poker und verbale Kraftmeierei waren ihm fremd, auch wenn er seinen Gegnern in solchen Fällen nichts schuldig blieb, wenn es nötig war, dagegenzuhalten. Aber verletzend wurde er nie. Mit seiner Schlagfertigkeit und seinem Schalk hatte er dies auch nicht nötig. Mit seiner Art zu politisieren hat Arthur Hänsenberger im Grossen Rat des Kantons Bern und im Ständerat Massstäbe gesetzt. Wir sollten sie weiterhin beachten.


Autor:in
Ulrich Zimmerli, Alt-Ständerat, Der Bund
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Erstellt: 24.09.2014
Geändert: 24.09.2014
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