• Region

Nadja Schmid: "Ich will ein normales Leben führen"

Nadja Schmid sitzt im Rollstuhl und ist auf ständige Betreuung angewiesen. Trotzdem möchte sie gerne ein eigenes Haus bauen und dort etwas mehr Selbständigkeit finden. Da es ihr als IV-Rentenbezügerin nicht möglich ist, Geld zu sparen, versucht sie ihren Traum mit Spenden zu verwirklichen. Denn Nadja Schmid ist keine, die sich einfach so in ein Schicksal fügt.

b640651811d21646e33ea4524763afeb.jpg
b640651811d21646e33ea4524763afeb.jpg
Nadja Schmid in ihrer schönen aber für sie unbrauchbaren Küche. (Bild: Anina Bundi)
Seit Geburt leidet die 24-jährige Münsingerin an Spinaler Muskelatrophie. Die Folge ist vor allem fehlende Kraft. Nadja Schmids Händedruck ist schwach, den Arm kann sie nur kurz und nicht vollständig anheben oder ausstrecken. Für fast alles braucht sie Hilfe.

Anders als andere

Die meisten Leute mit dieser Behinderung wohnen in einem Heim. Nadja Schmid hat sich anders entschieden: „Ich will ein normales Leben führen.“ Ihre Betreuung organisiert sie selber und stellt persönliche Assistentinnen an. „Helferlis“, die fast rund um die Uhr bei ihr sind. Das ist nicht immer nur einfach. Manchmal fehlt es ihr und ihrem Freund an Privatsphäre. Während dreier Nächte pro Woche und wenn sie mit ihrem kleinen Wohnwagen in die Ferien fahren, verzichtet sie darum auf die "Helferlis!" und lässt sich vom Freund assistieren.

Sie sei „anders“ als die anderen, sagt Nadja Schmid. Sie meint andere Leute mit Behinderung. Von den Mitschülern, die mit ihr im Schulheim Rossfeld in Bern das KV gemacht haben, sei sie die einzige mit einer Anstellung in der Privatwirtschaft. Sie arbeitet zu 50% bei der Postfinance. Finanziell rechnet sich die Arbeit für sie nicht. „Doch ich will dem Staat so wenig wie möglich auf der Tasche liegen.“ Auch dass sie mit ihrem Freund zusammenlebe, sei ungewöhnlich.

Der Haus-Traum

Warum sie gerne ein eigenes Haus hätte zeigt Nadja Schmid in ihrer Wohnung in Münsingen: Die Türfallen müssten leichter sein. Die Küchenkombination müsste aufgehängt oder auf Beinen montiert sein, damit sie mit dem Rollstuhl ganz heranfahren kann. Der Wasserhahn im Bad müsste weiter ins Lavabo ragen, um erreichbar zu sein. All dies wäre theoretisch auch in einer Mietwohnung möglich. Theoretisch. Die meisten Vermieter sind nicht bereit, solche Spezial-Anfertigungen zu installieren oder auch nur zu bewilligen.

Ausserdem könnte sie im eigenen Haus einen „Copain“ haben, einen Assistenzhund. Mit einem Copain könnte sie auch mal ein paar Stunden alleine sein. Er könnte Dinge aufheben, die sie fallen lässt oder bei einem Notfall die Nachbarn alarmieren.

Vom System nicht vorgesehen

Doch ein eigenes Haus ist im Schweizer IV-System nicht vorgesehen. „Die soziale Absicherung in der Schweiz ist super. Aber nicht in jedem Detail durchdacht.“ Nadja Schmid wäre bereit, für ihren Haus-Traum auf anderes zu verzichten und zu sparen, wie das andere Leute tun. „Ich könnte in einer WG leben und auf Ferien verzichten. Aber sobald ich auf diese Art etwas zusammengespart hätte, würde mir die Rente gekürzt oder gestrichen bis es aufgebraucht ist.“

Darum versucht sie durch Spenden auf das notwendige Eigenkapital von rund 200'000 Franken zu kommen.“ Im Mai hat sie ihre Website aufgeschaltet. Seither sind schon 6'500 Franken eingegangen. Die meisten Leute spenden zwischen zehn und fünfzig Franken. „Ideal wäre, wenn ich das Geld in einem Jahr zusammen hätte. Ich habe ausgerechnet: Wenn jede vierzigste Person, die in der Schweiz lebt, einen Franken spenden würde, wäre das Ziel erreicht.“

[i] Mehr Informationen zum Projekt und Spende-Möglichkeiten auf www.dieweltbauteinhaus.ch.

Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 27.07.2013
Geändert: 27.07.2013
Klicks heute:
Klicks total: