- Wirtschaft
Nestlé Konolfingen: "So bisch nid lang da"
Fliessbandarbeit und Schneeschaufeln: Im Januar 1960 tritt Fritz Rüegseggers seine Stelle bei der Berner Alpenmilch an. Der Bauernsohn aus Linden bleibt dem Unternehmen 40 Jahre lang treu.
Es ist der Morgen des 3. Januar 1960, und er muss hinunter nach Konolfingen. In die Fabrik – der erste Arbeitstag bei der Berner Alpenmilch-Gesellschaft. Als der 22-Jährige kurz vor sieben mit seinem Käfer auf das Firmengelände rollt, wartet dort bereits der Werksleiter auf ihn. Willy Scheidegger heisst der Mann, kräftig gebaut, mit einer mächtigen Stimme. Er drückt dem jungen Rüegsegger eine Schneeschaufel in die Finger.
Fritz Rüegsegger, Jahrgang 1938, auf einem Bauernhof aufgewachsen, macht sich an die Arbeit. Harte Arbeit. Davor scheute er nie zurück: Der Vater hatte einen Bauernbetrieb in Linden geführt. Er hätte den Hof einst erben sollen. Doch es kam anders. Der Vater starb früh. Rüegsegger war zu jung, die Nachfolge anzutreten. Also übernahm der Bruder.
Auf der Suche nach Arbeit fragte Rüegsegger in der Milchfabrik in Konolfingen an. Dort hiess es: «Chasch sofort aafa.» Sofort bedeutete: nach Neujahr. So ging das damals. Und so kam es, dass der Bauernsohn aus Linden am Sonntag, dem 3. Januar, vor der grossen Fabrikhalle knietief im Schnee steht. Und für Willy Scheidegger schaufelt.
Um neun Uhr ist der Werksleiter zufrieden. Die Parkfelder sind frei. Er pfeift den jungen Rüegsegger zu sich. «Umzie.» Wenig später steht Rüegsegger in der Fabrikhalle. Er ist zum Milchabfüllen eingeteilt. Die Dosen klackern auf einem Fliessband an ihm vorbei. 250 Konserven die Minute. Von Hand füllen zehn Angestellte – die meisten davon Frauen – die Dosen in Wagen um. Immer vier auf einmal.
Später wird die abgefüllte Milch sterilisiert, also keimfrei gemacht. Aber damit hat Rüegsegger heute noch nichts zu tun. Er reiht sich ein und packt die Dosen um, beeindruckt von den flinken Bewegungen der Frauen links und rechts von ihm. Nicht lange, da rinnt bei Rüegsegger der Schweiss.
Wenig später, gibts ein «grosses Hallo». Die Alteingesessenen nennen das so, wenn etwas nicht so kommt, wie es muss: Rüegsegger hat seinen Karren voll Milchdosen nicht genau so hingestellt wie vorgesehen – und holt sich deswegen den ersten Rüffel am neuen Arbeitsplatz ab. «So bisch nid lang da», mahnt sich der Gescholtene. Er bleibt 40 Jahre.
[i] Siehe auch "Konolfingen - Die Fabrik, die Konolfingen zum Dorf machte" vom 20.5.2017
Erstellt:
20.05.2017
Geändert: 20.05.2017
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