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Energieförderung: Fast hätte Worb noch länger warten müssen

Anstatt den Klimanotstand auszurufen, richtet Worb zur Förderung erneuerbarer Energien einen neuen Geldtopf ein. Fast wäre das Geschäft zum zweiten Mal verschoben worden.

Mitte-Gemeinderat Adrian Hauser (rechts) überzeugte den GGR von der Spezialfinanzierung. (Bild: Anina Bundi)

Um ein Haar hätte es schon wieder nicht gereicht für das Worber Reglement zur neuen Spezialfinanzierung Nachhaltigkeit im Energiebereich. Schon im letzten Herbst wollte Gemeinderat Adrian Hauser (Mitte) im Grossen Gemeinderat (GGR) darüber abstimmen lassen. Damals hatte eine Flut von Änderungsanträgen von SP und Grünen den Gemeinderat dazu gebracht, das Geschäft im letzten Moment von der Traktandenliste zu streichen und noch einmal zu überarbeiten.

 

Gestern hätte dem Reglement fast dasselbe gedroht. GGR-Präsident Bruno Fivian (SVP) stellte um 22.30 Uhr den Antrag, die Sitzung abzubrechen. Als einziges Geschäft stand zu dem Zeitpunkt noch das Reglement an. Die Mehrheit der Parlamentarier:innen widerstand der Versuchung eines zeitigen Feierabends und wollte die Sitzung zu Ende bringen. Allerdings liess die Konzentration merklich nach, was zu einzelnen Verwechslungen führte und für Heiterkeit im Saal sorgte. Die Sitzung dauerte schliesslich bis kurz vor Mitternacht.

 

Antwort auf Forderung nach Klimanotstand

Das Reglement ist eine Antwort auf einen, 2020 vom GGR als Postulat angenommenen, Vorstoss, der verlangte, Worb solle den Klimanotstand ausrufen. (BERN-OST berichtete.) Adrian Hauser hatte damals versprochen, das Anliegen in geeigneter Form aufzunehmen.

 

Das Resultat mit der neuen Spezialfinanzierung ist nun ein gutschweizerischer Kompromiss, mit dem Worb in der Region aber eine Vorreiterinnenrolle einnimmt. Zwar hat das Reglement nicht die symbolische Kraft eines "Notstands", dafür ist es sehr konkret. Gespeist werden soll die Spezialfinanzierung über die Erhöhung der "Abgabe an die Gemeinde" der BKW. Diese Abgabe verrechnet die Stromlieferantin den Endverbraucher:innen und leitet sie an die Gemeinde weiter, um die Nutzung der gemeindeeigenen Stromnetze abzugelten.

 

100'000 Franken pro Jahr

Die bisherigen Einnahmen, 1,5 Rappen pro Kilowattstunde, total zwischen 370'000 und 450'000 Franken pro Jahr, sollen weiterhin in den Allgemeinen Haushalt fliessen. Laut kantonalem Gesetz darf diese Abgabe auf bis zu 2,3 Rappen erhöht werden. In Worb soll sie in Zukunft 2 Rappen betragen. Die so generierten Mehreinnahmen von rund 100'000 Franken fliessen in die neue Spezialfinanzierung. Aus diesem Topf soll die Gemeinde die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien fördern. Berechtigt sind Massnahmen wie Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen, aber auch die energetische Sanierung bestehender Gebäude sowie die Energieberatung für Hausbesitzer:innen.

 

Nach Berechnung der Gemeinde wird die Abgabe einzelne Grossverbraucher:innen um maximal 25 Franken pro Monat belasten. Eine durchschnittliche vierköpfige Familie wird pro Monat aber nur rund 1,50 Franken mehr zahlen.

 

Nur SVP war dagegen

Im GGR unterstützten die Fraktionen SP+Grüne, GLP/Mitte und EVP die neue Spezialfinanzierung. Die FDP stellte einen Rückweisungsantrag mit Änderungsvorschlägen. Nachdem dieser abgelehnt wurde, stimmten einige FDP-Mitglieder trotzdem Ja. Geschlossen gegen die Vorlage stimmte schliesslich nur die SVP. Die Vorlage wurde mit 22 Ja- zu 11 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

 

Adrian Hauser ist froh, dass es dieses Mal geklappt hat mit dem neuen Reglement. Wäre das Geschäft erneut verschoben worden, hätte das Reglement erst in einem Jahr umgesetzt werden können, weil die Gemeinde der BKW die Höhe der Abgabe jeweils bis Ende Juli melden muss.

 

"Ich bin erleichtert, dass das Reglement überhaupt behandelt wurde. Dass die Abstimmung knapp werden könnte, wusste ich. Und am Ende war das Resultat klarer als erwartet", kommentiert er den gestrigen Abend. Inhaltlich sei die Spezialfinanzierung "ein Schritt vorwärts in Richtung Netto-Null". Dass Ölheizungen immer noch billiger seien als Wärmepumpen oder der Anschluss an einen Wärmeverbund, sei ein Problem. "Dann muss man das halt etwas pushen. Ich bin überzeugt, dass das hilft."

 

[i] Ergänzung vom 24.6.2021: Auf Wunsch des Worber SVP-Präsidenten Bruno Fivian ergänzen wir den Artikel hier mit den Gründen, aus denen seine Partei die Vorlage abgelehnt hat. Es stimmt, dass die Argumente der unterlegenen Minderheit in dem Artikel fehlen, während jene der Mehrheit durch die Aussage des Gemeinderats vertreten sind. „Die SVP ist grundsätzlich gegen neue Steuern, Abgaben oder Gebühren, besonders in der aktuellen unsicheren Wirtschaftslage. Mit dem neuen Reglement müssen die 60 Prozent der Bevölkerung, die Mieter:innen sind, dafür zahlen, dass sich die „Hüsli“-Besitzer:innen grünes Zeug aufs Dach montieren und dafür dann noch Steuerabzüge vornehmen können. Das Netto-Null-Ziel ist reine Utopie. Ich möchte wissen, woher die Netto-Null-Hysteriker überhaupt all den Strom für ihre Wärmepumpen, Elektroautos und den ÖV hernehmen möchten, wenn sie gleichzeitig die Co2-neutrale Kernenergie ächten..?“ 

 

[i] Korrektur vom 24.6.2021 auf Wunsch der FDP.Die Liberalen (Abschnitt "Nur SVP war dagegen"):  "Beim Rückweisungsantrag aus unserer Fraktion haben alle (6) mit Ja gestimmt. Von der FDP haben sich 5 gegen die Annahme des Reglement für Energieförderung ausgesprochen und 1 enthalten. Dies widerspricht Ihrer Aussage, dass einige FDP-Mitglieder mit Ja gestimmt haben."

 

[i] GGR-Sitzung vom 21. Juni 2021 - Die Beschlüsse

1. Verwaltungsbericht 2020: Genehmigung

Der Verwaltungsbericht für das Jahr 2020 wird genehmigt. Zugleich werden

das Postulat der FDP-Fraktion vom 13. Oktober 2008 mit dem Titel "Attraktiver und lebendiger Dorfschulhausplatz für alle Bevölkerungsgruppen",

die Motion des Komitees vom 15. November 2010 mit dem Titel "Genügend Sportplätze für alle! Worb hat zu wenig Sportplätze",

das Postulat der FDP-Fraktion vom 14. November 2011 mit dem Titel "Neue Lebensqualität im Zentrum Worb",

das Postulat der EVP-Fraktion vom 11. November 2019 mit dem Titel "Fussgängerstreifen auf der Bahnhofstrasse schafft Klarheit und Sicherheit" sowie

das Postulat der SP+Grüne-Fraktion vom 18. März 2019 mit dem Titel "10 Jahre sind genug - im persönlichen Austausch zu neuen Lösungen für das Areal Schulhaus «Zentrum»"

abgeschrieben.

 

2. Gemeinderechnung 2020: Genehmigung

Die Jahresrechnung 2020 wird genehmigt. Sie weist Aktiven und Passiven von CHF 68'700'949.91 und einen Ertragsüberschuss von CHF 13'351.37 aus.

 

3. "Standortmarketing Worb – Wie weiter?", Postulat der FDP-Fraktion: Stellungnahme zur Frage der Erheblicherklärung

Das Postulat der FDP-Fraktion mit dem Titel "Standortmarketing Worb – Wie weiter?" wird als erheblich erklärt.

 

4. Schulanlage Wattenwil-Bangerten; Einbau Gemeinschaftsraum: Nachkreditbewilligung

Für die Erstellung des Gemeinschaftsraumes in der ehemaligen Schulanlage Wattenwil-Bangerten wird ein Nachkredit von 30'000 Franken bewilligt.

 

5. Kommunale Energiepolitik; Reglement über die Spezialfinanzierung Nachhaltigkeit im Energiebereich (SNE): Genehmigung

Das Reglement über die Spezialfinanzierung Nachhaltigkeit im Energiebereich (SNE) wird genehmigt.

Zu diesem Geschäft besteht die Möglichkeit einer fakultativen Volksabstimmung. Innert 30 Tagen, das heisst bis 26. Juli 2021, können mindestens 200 in Gemeindeangelegenheiten Stimmberechtigte unterschriftlich verlangen, dass das Geschäft der Gemeindeabstimmung vorgelegt wird (fakultatives Referendum) oder einen Volksvorschlag als ausformulierten Entwurf unterbreiten (konstruktives Referendum).


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 23.06.2021
Geändert: 24.06.2021
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