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Neues Dorflädeli: «Die Leute wollen Zündhölzer und Lippenbalsam»
Die Bewohner:innen freuen sich: Seit einer Woche haben sie wieder ein Lädeli in Stettlen. Die neue Voi-Filiale erfüllt offenbar ein grosses Bedürfnis, wie eine kleine Umfrage am Eröffnungstag zeigte. Migros Aare und Voi-Geschäftsleiter Rolf Hänseler haben dem Dorf quasi ein Weihnachtsgeschenk gemacht.
Strahlend standen zwei Schulbuben vor dem Gestell mit den Süssigkeiten und studierten das Angebot an Schokoriegeln und Kaugummis. Etwas weiter hinten legte eine Mutter mit einem winzigen Baby eine Packung Crackers in den Kinderwagen. Und ein Jugendlicher, der Putzschwämme, Wienerli und Brötchen auf den Armen balancierte, stellte sich in die Schlange vor der Kasse.
Der Andrang in der neuen Voi-Filiale Stettlen war gross, als sie letzten Freitag aufging. Offensichtlich freuen sich zahlreiche Bewohner:innen, dass sie nach drei Monaten wieder ein Dorflädeli haben: Ende September war der Spar Mini quasi über Nacht geschlossen worden, und damit fiel auch die Poststelle weg (BERN-OST berichtete). Seit Mitte Dezember ist dank der Voi-Filiale beides wieder in Stettlen, und der Tenor lautet klar: «Ein Gewinn für das Dorf.»
Pia Bärtschi (links) und Regula Zimmermann, Bolligen : «So viele Leute haben auf ein Lädeli gehofft: Sie werden bestimmt auch nach den Eröffnungstagen einkaufen kommen! Wir walken jeweils von Bolligen nach Stettlen und kaufen etwas zu trinken für den Weg. Schön, ist das wieder möglich !»
Voller Laden von früh bis spät
Tatsächlich warteten die ersten Kund:innen bereits ungeduldig, als das Team am Eröffnungstag um 7.30 Uhr die Ladentür öffnete. Und die beiden Eröffnungstage hindurch gaben sich die Leute sozusagen die Klinke in die Hand. Bis zu 30 Personen drängten sich zeitweise im Ladenlokal und begutachteten das Sortiment, immer wieder staute sich die Warteschlange vor der einzigen Kasse bis zur hinteren Wand. 600 Kund:innen zählte Geschäftsleiter Rolf Hänseler am Freitag, rund 560 am Samstag.
Bereits am Freitagmittag war die Kiste Nüsslersalat ratzeputz ausverkauft, und im Lauf des Nachmittags gingen auch einige Joghurtsorten aus. Und das, obwohl Hänseler 25 Jahre Erfahrung bei Migros hat und bereits drei ähnliche Läden leitete. Er zeigt auf die Kühltruhe mit dem leeren Tablar. «Auch mit aller Erfahrung ist es für mich schwierig abzuschätzen, was die Kundschaft in diesem Dorf wünscht», erklärt er. Zwar habe er noch vermutet, dass der Nüssler gut weggehe. «Aber genau wissen kann man das vorher nie, und ich will nicht am Ende viel Food Waste produzieren.»
Susanne Gehlken, Stettlen: «Ich freue mich, dass ich wieder zu Fuss einkaufen kann. Jetzt sind wir alle gefordert, damit dieses Lädeli bestehen bleibt – wir müssen wirklich hier einkaufen kommen!»
Innert fünf Wochen alles organisiert
Auch wenn seine grosse Erfahrung nicht alle Fragen klären kann, war Hänseler in diesen Tagen häufig froh darum. Nur gerade fünf Wochen vor der Eröffnung hatte er nämlich die überraschende Anfrage aus dem Migros-Verwaltungsbüro erhalten: Ob er die Geschäftsführung übernehmen könne, und bitte sechs Angestellte auftreiben, einen Lagerbestand zusammenstellen, Ware bestellen und zusammen mit dem neuen Team den Laden einrichten. Er konnte, dank seiner vielen Beziehungen.
Und soweit läuft es gut, der Zulauf hält auch nach den beiden Eröffnungstagen an. Die Woche vor Weihnacht, erklärt Hänseler, sei allerdings nicht repräsentativ: «In der Vorweihnachtswoche steigen einige auf grössere Geschäfte um», weiss er. «Dort suchen sie Spezialitäten und tätigen ihren Grosseinkauf für die Festtage.» Wie viele von ihnen dann für die täglichen Einkäufe wieder in den Dorfladen kommen, werde sich noch einpendeln.
Anastasia Nuding und Lucia Candelotto, Stettlen: «Es ist vor allem für ältere Leute schön, dass sie wieder zu Fuss einkaufen können. Aber auch wir freuen uns - super, dass wieder eine Post da ist. Eigentlich wollten wir etwas zum Zvieri kaufen, aber es ist so voll, dass wir später wieder kommen.»
Sortiment wird laufend angepasst
In den nächsten Wochen will Geschäftsleiter Hänseler herausfinden, welche Produkte in Stettlen gefragt sind. Zündhölzer und Lippenbalsam, das hat er bereits am ersten Tag notiert, wurden gewünscht, fehlen aber vorderhand noch im Sortiment. Dafür freuten sich zwei Oberstufenschülerinnen: «Schau, es hat mein Shampoo – und hier ist es sogar billiger!», rief die eine. Ihre Kollegin nickte und nahm zufrieden einen Kugelschreiber aus dem gegenüberliegenden Gestell.
Rolf Hänseler notiert die Wünsche. Nach einem Monat wird er alle überprüfen und entscheiden, was er in das Sortiment aufnimmt oder was er streicht. Vor allem will er bis dahin herausgefunden haben, wie gut welche Frischwaren laufen: Eier beispielsweise seien rasch ausgegangen. «Aber ich will ja die Frische aufrechterhalten und zugleich ein breites, ansprechendes Sortiment anbieten.» Da müsse man anfangs ein wenig riskieren und auch mal etwas wegwerfen oder eben die Kundschaft vertrösten.
Erika und Martin Zaugg, Stettlen: «Für ältere Leute wie uns ist es toll, dass es wieder ein Dorflädeli gibt: Hier können wir ‘schnöiggen’ und ein wenig plaudern. Und müssen dafür nur über die Strasse gehen. Zwar vermissen wir die Truhe mit dem offenen Käse, dafür ist das Sortiment grösser.»
«Kundschaft ist das A und O»
Insgesamt ist Rolf Hänseler zufrieden: «Ich habe von den Klient:innen gutes Feedback erhalten.» Bereits nach den ersten Tagen ist an sich klar: Stettlen will sein Lädeli. Ob es sich aber auch halten könne, müssten die Leute ein Stück weit selbst steuern, erklärt er. «Das A und O für die Zukunft dieser Voi-Filiale wird sein, ob die Kund:innen dann auch tatsächlich kommen!»
[i] Voi-Läden funktionieren im Franchising System. Migros stellt und betreut sämtliche Infrastruktur von Kassen über Gestelle bis Aufbacköfen und Kühltruhen. Dafür haben Betreiber:innen von Voi-Läden die Freiheit, auch Produkte von lokalen Anbietern ins Sortiment aufzunehmen, in Stettlen beispielsweise gibt es Milch aus der Region. Und anders als die Migros-Läden dürfen Voi-Läden auch Tabak und Alkohol verkaufen.
Christoph Scherrer, Stettlen: «Das Lädeli bedeutet Lebensqualität und eine Bereicherung für Stettlen! Ich habe alles gefunden, sogar frischen Ingwer. Und meine Weihnachtspost bin ich auch losgeworden.»
Erstellt:
22.12.2023
Geändert: 22.12.2023
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